45 Jahre nach der Flugzeugkatastrophe
In einem Extrablatt berichtete die Allgemeine Zeitung am Sonntagmorgen den 21. April 1968, nachdem die Nachricht des Absturzes sich in der Nacht in Windhoek und im ganzen Lande wie ein Lauffeuer verbreitet hatte:
Die erst 17 Tage alte Boeing 707 ‚Pretoria', der südafrikanischen Fluggesellschaft SAA stürzte am Samstagabend kurz vor 21 Uhr unmittelbar nach dem Start etwa sechs Meilen östlich des J.G.Strydom-Flughafens ab. An Bord der Maschine befanden sich 117 Fluggäste, davon 46 in Windhoek zugestiegene Fluggäste und zwölf Besatzungsmitglieder. Unmittelbar nach dem Start geriet nach Augenzeugenberichten das linke äußere Triebwerk der Boeing in Brand. Das Flugzeug stürzte in unzugänglichem Gelände ab und verbrannte. Zwei Hubschrauber der Polizei sowie zahlreiche Kraftfahrzeuge mit Vierradantrieb beteiligten sich an der Suche nach Überlebenden. Es konnten nur sieben Überlebende geborgen werden. Einer der Überlebenden starb im Hubschrauber auf dem Wege ins Windhoeker Staatshospital.
Der Administrator von Südwestafrika, Wentzel C. du Plessis, sowie der Polizeichef, Brigadegeneral Theo Crous, begaben sich unverzüglich per Hubschrauber zur Unglücksstelle. Der Administrator unterrichtete den Ministerpräsidenten (von Südafrika) über die Flugkatastrophe.
Einer der Fluggäste, Thomas Taylor aus den USA, kam mit dem Schrecken davon. Die übrigen Überlebenden befinden sich mit zum Teil schweren Verletzungen im Krankenhaus.
Die Maschine befand sich auf dem Weg von Johannesburg über Windhoek und Luanda nach Frankfurt und London .
Es folgte eine Namensliste der Überlebenden und getöteten Passagiere sowie ein kurzer Bericht von Augenzeugen und ersten Informationen.
Wir waren wie viele Windhoeker oder Farmer aus der Umgebung zum Flughafen gefahren, um den Start dieses großen Flugzeuges zu sehen. Wir sind oft wie viele andere zum J.G.Strydom-Flughafen gefahren, weil es damals etwas besonders war, solch große Flugzeuge wie eine Boeing 707 landen oder starten zu sehen , sagte Max Trümper. Die Farm Oupembanewa, auf der die Boeing 707 abgestürzt war, gehörte seinen Eltern und er war wie jedes Wochenende dort zu Besuch. Der damals knapp 21-Jährige war mit seiner heutigen Frau und damaligen Freundin bereits auf dem Weg zur Treppe, die von der offenen Veranda des alten Flugzeuggebäudes ins Erdgeschoss bzw. Parkplatz führte, als plötzlich die Menschen hinter ihm schrien, dass das Flugzeug brennt und abgestürzt sei. Wir drehten uns um und sahen einen Feuerschein. Sofort fuhren wir zur Farm zurück und am Zaun trafen wir einen Feuerwehrwagen, einen alten Bedford. Ich stieg auf den Wagen, um den Feuerwehrmännern den Weg zur Unglücksstelle zu zeigen , sagte Trümper. Immer wieder blieben wir im weichen, dicken Sand oder in Dongas (kleinen Wasserläufen) stecken. Wann wir genau die Absturzstelle erreichten, weiß ich nicht, aber als wir dort ankamen, war bereits der Polizist aus Seeis dort und dieser hatte den Überlebenden Taylor schon gefunden , erinnerte sich Trümper, der heute auf der Farm lebt. Die Absturzstelle erstreckte sich über mindestens zwei Kilometer und überall hätten Wrackteile und Tote sowie Gepäck herumgelegen. Der Geruch war unbeschreiblich und ich werde ihn nie vergessen. Noch Monate danach konnte ich kein Braaifleisch (Grillen) vertragen , sagte Trümper. Das schlimmste sei gewesen, dass man so hilflos war und eigentlich nicht helfen konnte . Er sei schließlich nach Hause zum Farmhaus gegangen, wo seine Eltern und Freundin Rotraut waren. Am nächsten Tag seien sie zurück zur Absturzstelle gefahren, wurden aber von der Polizei zurückgehalten.
Man wollte mich eine Woche später nicht auf die Farm zu meinen Eltern lassen. Erst als jemand mich erkannte und den Polizisten mitteilte, dass ich auf der Farm aufgewachsen bin, durfte ich passieren , sagte Trümper. Da es Ende der Regenzeit war, war das Veld grün und es kam zu keinen großen Bränden im Busch, aber rund um die Absturzstelle hatte es teilweise schwere Brände gegeben. Einige Teile der Boeing brannten völlig aus, derweil der vordere in zwei Teile gebrochene Rumpfteil, mit Cockpit und Erster-Klasse, von Flammen verschont geblieben war.
Ich lief gerade von einer Bar kommend in Richtung der Polizeibaracken, als mich einer unser Unteroffiziere beim Snyman-Zirkel entdeckte und mir befahl mitzufahren, da ein Flugzeug abgestürzt war , erzählte Jan de Waal, ein damals ein 19-jähriger Polizist, der gerade vier Monate im Dienst war. Noch weitere Polizisten seien in der Stadt aufgeladen worden und dann seien sie zum 45 Kilometer östlich von Windhoek gelegenen, dem heutigen Hosea-Kutako-Flughafen, gefahren. Es war ein Chaos, keiner wusste was er tun sollte und wir versuchten Anfangs die Zuwege abzusperren und dann musste ich die Toten einsammeln und zu einem Hangar beim Flughafen bringen , sagte de Waal. Erst als Brigadegeneral Crous am Unglücksort erschien, kam Ordnung in die Rettungsarbeiten. De Waal war gegen 22 Uhr an der Absturzstelle eingetroffen, dass Flugzeug soll um 20.49 Uhr aufgestiegen und eine Minute später abgestürzt sein. Am Anfang fanden wir jungen Polizisten alles sehr aufregend, aber als wir da waren, konnten wir das Ganze nicht begreifen. Es war alles irgendwie unwirklich und doch waren wir mittendrin , sagte der ehemalige Polizist. Als die Sonne aufging wurde das Ausmaß der Katastrophe deutlicher und wurden die letzten Leichenteile gefunden. Der Geruch an der Unfallstelle hat mich und meine Kollegen noch lange verfolgt. Oft, Monate nach dem Geschehen, mussten wir beim Essen aufstehen und rausgehen. Die Wrackteile, die Toten, das Feuer und die Tatsache, dass ein so großes Flugzeug nicht mehr existierte, hat einen ziemlich mitgenommen. Ich habe noch heute Angst vorm Fliegen , sagte de Waal. Seine damalige Freundin habe nicht gewusst wo er sei, denn er war wie vom Erdboden verschluckt . Drei, vier Tage sei er wie viele seiner Kollegen vor Ort gewesen und wir haben unter irgendeinem Baum geschlafen und dann weitergemacht . Wochenlang wurde das Gebiet abgeriegelt, damit die Untersuchungsbehörde ihre Arbeit in Ruhe durchführen konnte. Es gab auch Untersuchungen gegen die Sicherheitskräfte wegen Diebstahls. Ich kann mich erinnern, dass u. a. der Chef der Verkehrsabteilung des Diebstahls verdächtigt wurde , sagte de Waal.
Bei dem schrecklichsten und größten Flugzeugunglück in Namibias ziviler Luftfahrtgeschichte, kamen am 20. April 1968 insgesamt 122 Personen ums Leben und überlebten fünf. Die Überlebenden sind der Amerikaner Thomas Taylor, B.R. Arntzen aus Johannesburg, A. Derbyshire aus London, W.E.Rooke aus England und P.T. Williams. Flugkapitän E. Smith, der zum ersten Mal ein C-Modell der Boeing 707 flog, sollte nach dem Flug in den Ruhestand treten.
Dirk Heinrich
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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