45 Jahre und über 10 000 Kilometer später
Auf der Suche nach Paul – Eine emotionale Dokumentation über Freundschaft und die Macht von Erinnerung
Hans-Peter Lübke hat eine Mission: Er möchte seinen Jugendfreund Paul Khom-oabeb wiederfinden. Dafür reist der Sonderpädgoge in sein Geburtsland Namibia, wo er Paul in den 1960er-Jahren zum letzten Mal im Alter von vier Jahren sah. Die Beiden lernten sich am Gemeindezentrum kennen, das Lübkes Vater damals als Missionar betreute. Als die Familie jedoch in den Süden Namibias, nach Ketmanshoop zog, und zehn Jahre später zurück nach Deutschland kehrte, brach der Kontakt zwischen den Freunden vollständig ab. Beim Umzug seiner Eltern stößt Lübke zufällig auf ein Foto, das ihn und Paul und seinen Freund Paul Khom-oabeb zeigt, wie sie als Kleinkinder Arm in Arm auf dem Hof eines Windhoeker Gemeindezentrums stehen. Die schwarz-weiße Momentaufnahme gibt ihm ein Gefühl von Vertrautheit und weckt in ihm den Wunsch, seinen früheren Freund inmitten der namibischen Weite wiederzufinden.
Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Die Suche läuft unkomplizierter als gedacht. 45 Jahre und über 10 000 Kilometer später kann er mit der Hilfe eines Einheimischen Paul aufspüren. Doch die Geschichte endet nicht mit der Begegnung. Denn dann beginnt erst die richtige Suche – eine Suche nach Spuren, die ihn zurück in die Vergangenheit führen und in die für ihn fremde Lebensrealität von Paul eindringen lassen.
Die Weltpremiere des Filmes fand am 5. November 2016 bei den Biberacher Filmfestspielen in Deutschland statt. Er lief im Wettbewerb "Dokumentarfilm" mit und stieß auf großes Interesse.
In seinem Film ist Lübke Protagonist, Interviewer, Synchronsprecher und Dokumentarfilmer zugleich. Knapp vier Monate verbringt er für die Dreharbeiten in Namibia, drei Monate Ende 2012 und drei Wochen im Sommer 2014. Während seines ersten Aufenthalts hat er jedoch Probleme, sich auf die Suche zu konzentrieren. Zu überwältigend sind die Eindrücke: die unendliche Landschaft, das toughe Leben als Farmer, die Herzlichkeit der Bewohner des Landes und aktuelle Probleme wie Dürre und Rezession. Erinnerungen an seine Kindheit kommen in ihm hoch. Lübke verbringt viel Zeit auf einer Farm und in der wilden Natur, auf die er im Film ausführlich eingeht. Es sind Szenen, die beim Zuschauer zunächst Fragen aufwerfen, später im Gesamtzusammenhang sich dann aber doch größtenteils erklären. Das Foto, das ihm den Impuls gegeben hat, führt Lübke stets mit sich und konfrontiert damit jeden, dem er begegnet. Wie ein roter Faden zieht sich die Aufnahme durch den 82-minütigen Dokumentarfilm.
Dennoch gelingt es ihm, wenn auch auf eine subjektive Weise, die vielseitigen Gesichter Namibias einzufangen und einen Einblick in die aktuelle Lage des Landes zu geben.
Einige Mängel gibt es jedoch bei der technischen Umsetzung. Wer genau hinschaut, dem fällt auf, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen nicht immer fließend sind und einige Bilder zum Teil überbelichtet sind. Angesichts der Tatsache, dass Lübke das Filmen als Leidenschaft in seiner Freizeit für sich entdeckt hat, schaut man jedoch über derartige Defizite hinweg. Auch auf sprachlicher Seite gibt es vereinzelt kleine Unstimmigkeiten. So verwendet Lübke beispielsweise unbewusst das Wort „Bergdama“, das mittlerweile als veraltet gilt. Der Hobby-Filmemacher hat den Film selber übersetzt und in Englisch eingesprochen. In Nama oder Damara gesprochene Ausschnitte hat er mit englischen Untertiteln versehen. Die Stärke des Films liegt dafür woanders: Er lebt von Bildern, Emotionen und einer sehr persönlichen Geschichte. Durch gefühlvolle Schilderungen aus seiner Kindheit nimmt Lübke den Zuschauer mit auf seine Suche. Auch das Thema Rassentrennung wird von ihm angesprochen. „Die Beiden hätten nicht unterschiedlicher sein können in ihrer Erscheinung. Einer tief schwarz mit einem großen Kopf, der andere hell und blond“, liest Lübke aus einem Tagebucheintrag seiner Mutter vor. Damals galten Freundschaften zwischen Schwarz und Weiß als verboten. Lübke selbst hat die Trennung nach Hautfarbe als Kind jedoch nie bewusst aufgenommen. Mit mehreren Bildern von damals illustriert er die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden Familien.
Zwischendrin folgen im Film immer mal wieder Momente des Schweigens, unterlegt mit Bildern unberührter Natur, die dem Zuschauer Raum zum Nachdenken geben.
Beeindruckend ist zudem die Natürlichkeit der Protagonisten vor der Kamera, die sich alle gegenüber Lübke öffnen und ihm ihr Unterstützung zusagen. Durch den kompletten Film hindurch spürt der Betrachter Lübkes Angespanntheit, die erst nach dem lang ersehnten und sehr herzlichen Wiedersehen mit Paul langsam wieder verschwindet. Und es könnte nicht passender sei, denn beide begegnen sich am Ort, an dem einst das Foto entstanden ist: an der Friedenskirche bei der DHPS. Beide merken schnell, dass sie viel aus den vergangenen Jahren aufzuarbeiten haben. Vor allem in Pauls Leben hat sich seit jeher viel geändert. Er lebt mittlerweile in Katutura und hat eine 20 Hektar große Farm außerhalb von Windhoek. Aufgrund der Entfernung ist es ihm jedoch kaum möglich, vor Ort zu sein. Ein Auto kann er sich nicht leisten. Und die fünfzehn Ziegen reichen nicht zum Leben für seine fünfköpfige Familie. Hinzu kommt, dass die Farm in einem schlechten Zustand ist. Für Lübke beginnt ein neues Abenteuer: Paul nimmt ihn mit in seine Welt, deren Lebensrealität, wie er schon bald feststellen muss, eine völlig andere ist.
Fazit: Sehr persönlich, technisch nicht immer ganz einwandfrei, dafür unglaublich authentisch und emotional. Wer großes Hollywoodkino erwartet, ist hier falsch. Wer aber an einer rührenden Geschichte über Freundschaft und Hoffnung interessiert ist, wird bei „Auf der Suche nach Paul“ fündig.
Milena Schwoge
Die erste öffentliche Filmpremiere der Dokumentation findet am Donnerstag, 17. August, um 18.30 Uhr im Goethe-Institut statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Vorführungen, unter anderem in Katutura, sind angedacht. Termine dafür standen bis Redaktionsschluss noch nicht fest.
Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Die Suche läuft unkomplizierter als gedacht. 45 Jahre und über 10 000 Kilometer später kann er mit der Hilfe eines Einheimischen Paul aufspüren. Doch die Geschichte endet nicht mit der Begegnung. Denn dann beginnt erst die richtige Suche – eine Suche nach Spuren, die ihn zurück in die Vergangenheit führen und in die für ihn fremde Lebensrealität von Paul eindringen lassen.
Die Weltpremiere des Filmes fand am 5. November 2016 bei den Biberacher Filmfestspielen in Deutschland statt. Er lief im Wettbewerb "Dokumentarfilm" mit und stieß auf großes Interesse.
In seinem Film ist Lübke Protagonist, Interviewer, Synchronsprecher und Dokumentarfilmer zugleich. Knapp vier Monate verbringt er für die Dreharbeiten in Namibia, drei Monate Ende 2012 und drei Wochen im Sommer 2014. Während seines ersten Aufenthalts hat er jedoch Probleme, sich auf die Suche zu konzentrieren. Zu überwältigend sind die Eindrücke: die unendliche Landschaft, das toughe Leben als Farmer, die Herzlichkeit der Bewohner des Landes und aktuelle Probleme wie Dürre und Rezession. Erinnerungen an seine Kindheit kommen in ihm hoch. Lübke verbringt viel Zeit auf einer Farm und in der wilden Natur, auf die er im Film ausführlich eingeht. Es sind Szenen, die beim Zuschauer zunächst Fragen aufwerfen, später im Gesamtzusammenhang sich dann aber doch größtenteils erklären. Das Foto, das ihm den Impuls gegeben hat, führt Lübke stets mit sich und konfrontiert damit jeden, dem er begegnet. Wie ein roter Faden zieht sich die Aufnahme durch den 82-minütigen Dokumentarfilm.
Dennoch gelingt es ihm, wenn auch auf eine subjektive Weise, die vielseitigen Gesichter Namibias einzufangen und einen Einblick in die aktuelle Lage des Landes zu geben.
Einige Mängel gibt es jedoch bei der technischen Umsetzung. Wer genau hinschaut, dem fällt auf, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen nicht immer fließend sind und einige Bilder zum Teil überbelichtet sind. Angesichts der Tatsache, dass Lübke das Filmen als Leidenschaft in seiner Freizeit für sich entdeckt hat, schaut man jedoch über derartige Defizite hinweg. Auch auf sprachlicher Seite gibt es vereinzelt kleine Unstimmigkeiten. So verwendet Lübke beispielsweise unbewusst das Wort „Bergdama“, das mittlerweile als veraltet gilt. Der Hobby-Filmemacher hat den Film selber übersetzt und in Englisch eingesprochen. In Nama oder Damara gesprochene Ausschnitte hat er mit englischen Untertiteln versehen. Die Stärke des Films liegt dafür woanders: Er lebt von Bildern, Emotionen und einer sehr persönlichen Geschichte. Durch gefühlvolle Schilderungen aus seiner Kindheit nimmt Lübke den Zuschauer mit auf seine Suche. Auch das Thema Rassentrennung wird von ihm angesprochen. „Die Beiden hätten nicht unterschiedlicher sein können in ihrer Erscheinung. Einer tief schwarz mit einem großen Kopf, der andere hell und blond“, liest Lübke aus einem Tagebucheintrag seiner Mutter vor. Damals galten Freundschaften zwischen Schwarz und Weiß als verboten. Lübke selbst hat die Trennung nach Hautfarbe als Kind jedoch nie bewusst aufgenommen. Mit mehreren Bildern von damals illustriert er die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden Familien.
Zwischendrin folgen im Film immer mal wieder Momente des Schweigens, unterlegt mit Bildern unberührter Natur, die dem Zuschauer Raum zum Nachdenken geben.
Beeindruckend ist zudem die Natürlichkeit der Protagonisten vor der Kamera, die sich alle gegenüber Lübke öffnen und ihm ihr Unterstützung zusagen. Durch den kompletten Film hindurch spürt der Betrachter Lübkes Angespanntheit, die erst nach dem lang ersehnten und sehr herzlichen Wiedersehen mit Paul langsam wieder verschwindet. Und es könnte nicht passender sei, denn beide begegnen sich am Ort, an dem einst das Foto entstanden ist: an der Friedenskirche bei der DHPS. Beide merken schnell, dass sie viel aus den vergangenen Jahren aufzuarbeiten haben. Vor allem in Pauls Leben hat sich seit jeher viel geändert. Er lebt mittlerweile in Katutura und hat eine 20 Hektar große Farm außerhalb von Windhoek. Aufgrund der Entfernung ist es ihm jedoch kaum möglich, vor Ort zu sein. Ein Auto kann er sich nicht leisten. Und die fünfzehn Ziegen reichen nicht zum Leben für seine fünfköpfige Familie. Hinzu kommt, dass die Farm in einem schlechten Zustand ist. Für Lübke beginnt ein neues Abenteuer: Paul nimmt ihn mit in seine Welt, deren Lebensrealität, wie er schon bald feststellen muss, eine völlig andere ist.
Fazit: Sehr persönlich, technisch nicht immer ganz einwandfrei, dafür unglaublich authentisch und emotional. Wer großes Hollywoodkino erwartet, ist hier falsch. Wer aber an einer rührenden Geschichte über Freundschaft und Hoffnung interessiert ist, wird bei „Auf der Suche nach Paul“ fündig.
Milena Schwoge
Die erste öffentliche Filmpremiere der Dokumentation findet am Donnerstag, 17. August, um 18.30 Uhr im Goethe-Institut statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Vorführungen, unter anderem in Katutura, sind angedacht. Termine dafür standen bis Redaktionsschluss noch nicht fest.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen