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Aachen bis Zeche Zollverein: Gibt es zu viel Welterbe in Deutschland?
Aachen bis Zeche Zollverein: Gibt es zu viel Welterbe in Deutschland?

Aachen bis Zeche Zollverein: Gibt es zu viel Welterbe in Deutschland?

WAZon-Redakteur
Berlin (dpa) - Deutschland hat wieder ein paar mehr Welterbe. 50 von der Unesco mit dem Titel bedachte Stätten werden inzwischen in der Bundesrepublik gezählt. Neu sind seit ein paar Tagen auf der Liste die Kurstädte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen neben acht anderen europäischen Bädern wie Spa und Karlsbad, die Schum-Stätten in Mainz, Worms und Speyer als eine Wiege des europäischen Judentums, der Niedergermanische Limes als Teil der Grenze des Römischen Reichs und die Jugendstil-Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt. Das ist ja alles schön und gut für diese Orte, denken viele. Aber ist es nicht vielleicht ein bisschen übertrieben?

„Hinter Italien und China steht Deutschland jetzt auf Platz drei der Nationenliste. Für ein schwer kriegszerstörtes Land ohne spektakuläre Naturwunder scheint mir das recht weit oben, ganz gleich welchen Maßstab man anlegt", sagt Christoph Brumann vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (Saale).

Der Experte, der gerade dieses Jahr in New York das Buch „The Best We Share: Nation, Culture and World-Making in the UNESCO World Heritage Arena" publiziert hat, findet gut, dass die Welterbeliste anders als anfangs nicht mehr nur aus Palästen, Kathedralen und Altstädten bestehe. „Doch hat sich nichts daran geändert, dass die Initiative vom jeweiligen Staat kommen muss."

Den europäischen Ländern falle es mit ihrer Erfahrung und ihren Ressourcen leichter, die notwendigen Nominierungsdossiers mit hunderten oder gar tausenden Seiten zu verfassen, sagt Professor Brumann. Auch in diesem Jahr sei deshalb wieder mehr als die Hälfte der neuen Nominierungen aus Europa gekommen. „Die Absichten sind nicht eurozentrisch, doch die Ergebnisse sind es."

Als Welterbe werden Kultur- und Naturstätten von „herausragendem universellen Wert" ausgezeichnet, wie es die Unesco - die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation mit Sitz in Paris - formuliert.

In Deutschland sind die Welterbe inzwischen gerecht verteilt übers Land, als hätte die Unesco genau im Blick, den deutschen Föderalismus zu befriedigen. Kein Bundesland ist ohne.

Der Aachener Dom als herausragendes Bauwerk der karolingischen Renaissance und Krönungsstätte vieler Könige und Kaiser ist dabei der Dienstälteste. Er gehörte 1978 neben zum Beispiel der Altstadt von Krakau zu den ersten elf Stätten überhaupt, die auf die Liste kamen.

Der gemeinhin als wichtigste Kirche Deutschlands gesehene Kölner Dom gelangte dagegen erst 18 Jahre später auf die Liste. Der Speyerer Dom in Rheinland-Pfalz wurde immerhin schon 1981 Welterbe, die Wieskirche in Oberbayern 1983, Dom und Michaeliskirche in Hildesheim 1985.

Und sonst? Die Hansestadt Lübeck wurde 1987 Welterbe, die Schlösser von Potsdam 1990, die Altstadt von Quedlinburg in Sachsen-Anhalt sowie die saarländische Völklinger Hütte 1994, die thüringische Klassik-Stadt Weimar 1998, die Berliner Museumsinsel 1999, die Klosterinsel Reichenau im badischen Teil des Bodensees im Jahr 2000.

2001 wurde der Ruhrpott-Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen Welterbe, 2002 kamen die Altstädte von Stralsund und Wismar in Mecklenburg-Vorpommern hinzu. 2004 folgten Rathaus und Roland in Bremen, 2013 der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, 2015 Hamburgs Speicherstadt und 2019 die teils sächsische Montanregion Erzgebirge.

„Wollte man tatsächlich eine Weltliste haben und nicht wie jetzt eine, die fast zur Hälfte mit europäischen Stätten gefüllt ist, müssten die Europäer Pause machen bei den Nominierungen, genauso wie es innerhalb Deutschlands dann die Bundesländer mit ihren Vorschlägen machen müssten", sagt Ethnologe Brumann. Doch dafür finde sich natürlich keine Mehrheit. „Es hängt einfach zu viel am Wachstum der Liste und an der Aussicht, einen Platz auf ihr zu ergattern."

Der Ruf des Welterbetitels scheine ungebrochen. „Bis jetzt gibt es weder Absetzbewegungen seitens der Staaten noch Forderungen danach, die Welterbeliste zu schließen." Er erwarte keine Trendwende. „Die Welterbeliste wird weiter wachsen und weiterhin sehr europäisch bleiben."

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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