Abgeschoben in Nervenklinik
Die Buschschule Namibia hat Jugendliche in die Psychiatrie in Windhoek (Mental Health Centre) eingewiesen und für deren Behandlung nicht gezahlt.
Derweil wurde von den Entsendern in Europa weiterhin der Tagessatz kassiert. Ein schwerer Fall - bei dem die Buschschule einen sechsstelligen Betrag einstrich - wurde jetzt durch AZ-Recherchen bekannt.
Windhoek - Der Fall betrifft das Schicksal der damals 16-jährigen Ramona (Name geändert), die Anfang 1999 von Deutschland nach Namibia kam und hier ca. zehn Monate in der Nervenklinik zubrachte. "Ich habe die Tage, Wochen, Monate gezählt - zusammen 311 Tage", rechnet Ramona und wirft der Buschschule vor:"Ich wurde da einfach abgeschoben und ich finde nicht, dass die Buschschule ihren Pflichten nachgekommen ist. Die haben es sich schön einfach gemacht. Haben für mich Geld aus Deutschland kassiert und den Aufenthalt im Hospital hat der namibische Staat für mich zahlen müssen."
Laut Recherchen der AZ wurde die Jugendliche als so genannte Staatspatientin in die Psychiatrie eingeliefert, also zahlt der Staat für die Behandlung. In dieser Zeit hat das zuständige Jugendamt Norderstedt/Deutschland weiterhin an die Buschschule für die Betreuung gezahlt. "Es gab keinen reduzierten Tagessatz für die Dauer des Klinikaufenthaltes", erklärte Georg Gorrissen, Landrat des Landkreises Bad Segeberg und oberster Dienstherr für das Jugendamt Norderstedt, auf AZ-Nachfrage. Wie hoch der Tagessatz gewesen sei, wollte er nicht beantworten. Nach AZ-Recherchen liegt der Tagessatz der Jugendämter/Träger, die Jugendliche in das Buschschule-Projekt schicken, bei mindestens 100 Euro (zum damaligen Zeitpunkt ca. 200 DM bzw. N$ 800). Demnach hat die Buschschule während Ramonas Klinikaufenthaltes vom Jugendamt rund 62200 DM (ca. 248800 Namibia-Dollar) kassiert, wobei die üblichen 30 Prozent des Tagessatzes, die der Gastfamilie zustehen, auch nicht gezahlt wurden.
Offenbar wusste die zuständige Jugendamt-Mitarbeiterin Frau Schröder, die zugleich das Sorgerecht für Ramona hatte, nicht von dem langen Klinikaufenthalt. "Sie meinte zu mir, sie wusste nur von zwei Wochen", berichtet Ramona über ein Gespräch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. Schröder wollte der AZ keine Auskunft geben.
Über ihre Einweisung in die Psychiatrie schreibt Ramona:"Am 8.7.1999 bin ich eingeliefert worden. (...) Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich überhaupt war und habe kein Wort von dem verstanden, was die Schwestern zu mir gesagt haben. Afrikaans konnte ich noch nicht und Englisch nur ganz wenig." Einen Grund für die Einweisung kann Ramona nicht erkennen. "So genau weiß ich nicht, warum ich eingeliefert worden bin", berichtet sie. Und:"Kein Arzt hat mir eine Krankheit attestiert." Landrat Gorrissen dazu auf Nachfrage:"Ramona wurde wegen psychischer Erkrankung in die Psychiatrie eingewiesen. Wir wurden informiert." In der Nervenklinik fühlte sich Ramona sehr schlecht betreut. So habe sie erst über fünf Monate nach der Einlieferung das erste Mal den für sie zuständigen Arzt, Dr. Reinhard Sieberhagen, wiedergesehen. "Er war nur verwundert, dass ich Afrikaans konnte und immer noch im Hospital bin", schreibt sie. Ihrer Entlassung im Januar 2000 folgten Unstimmigkeiten mit Tätlichkeiten in Ramonas Gastfamilie, woraufhin sie Anfang Februar erneut in die Psychiatrie eingeliefert wurde. Schließlich wurde sie am 16. Juni des gleichen Jahres auf Empfehlung von Dr. Johan Rieckert entlassen. Der Psychologe, der in Windhoek eine Praxis betreibt, kommentiert ihre Einweisung so:"Es war nicht meine Entscheidung, ich habe sie nur als Patient gesehen. Aber es war Zeit, dass sie diesen Platz verlässt."
Indes bestätigten Vertreter der Nervenklinik, dass es unrechtmäßig sei, Ausländer als Staatspatienten einzuliefern. "Ich erinnere mich an den Fall. Die Rechnung der Buschschule steht noch aus, wir werden das weiter verfolgen", sagte Dr. Reuben Japhet, Ärztlicher Direktor, der AZ. Buchhaltungsmitarbeiter Harold Blom ergänzt:"Die Kosten sind noch nicht beglichen worden. Es gibt mehrere Buschschule-Jugendliche, die als Staatspatienten zu uns kommen. Sie gehen hier ein und aus."
Ramona hat sich unterdessen juristischen Beistand gesucht. Wie Rechtsanwalt Bernd O. Weber aus Hamburg der AZ mitteilte, prüfe er derzeit die Aufstellung einer Klage auf Schmerzensgeld.
Auf einen Fragenkatalog der AZ zu diesem Thema haben bis gestern weder der damalige Buschschule-Geschäftsführer Helmuth Scharnowski, noch der mit der Pressearbeit beauftragte Rechtsanwalt Dirk Conradie reagiert.
Die Buschschule ist eine in Namibia registrierte Wohlfahrtsorganisation, die gestrauchelte, teils kriminelle Jugendliche aus dem deutschsprachigen Raum zum Zwecke der Rehabilitation in dieses Land holt. Durch AZ-Recherchen wurden in den vergangenen Monaten Widersprüche in Konzept und Arbeit dieser Einrichtung öffentlich.
Derweil wurde von den Entsendern in Europa weiterhin der Tagessatz kassiert. Ein schwerer Fall - bei dem die Buschschule einen sechsstelligen Betrag einstrich - wurde jetzt durch AZ-Recherchen bekannt.
Windhoek - Der Fall betrifft das Schicksal der damals 16-jährigen Ramona (Name geändert), die Anfang 1999 von Deutschland nach Namibia kam und hier ca. zehn Monate in der Nervenklinik zubrachte. "Ich habe die Tage, Wochen, Monate gezählt - zusammen 311 Tage", rechnet Ramona und wirft der Buschschule vor:"Ich wurde da einfach abgeschoben und ich finde nicht, dass die Buschschule ihren Pflichten nachgekommen ist. Die haben es sich schön einfach gemacht. Haben für mich Geld aus Deutschland kassiert und den Aufenthalt im Hospital hat der namibische Staat für mich zahlen müssen."
Laut Recherchen der AZ wurde die Jugendliche als so genannte Staatspatientin in die Psychiatrie eingeliefert, also zahlt der Staat für die Behandlung. In dieser Zeit hat das zuständige Jugendamt Norderstedt/Deutschland weiterhin an die Buschschule für die Betreuung gezahlt. "Es gab keinen reduzierten Tagessatz für die Dauer des Klinikaufenthaltes", erklärte Georg Gorrissen, Landrat des Landkreises Bad Segeberg und oberster Dienstherr für das Jugendamt Norderstedt, auf AZ-Nachfrage. Wie hoch der Tagessatz gewesen sei, wollte er nicht beantworten. Nach AZ-Recherchen liegt der Tagessatz der Jugendämter/Träger, die Jugendliche in das Buschschule-Projekt schicken, bei mindestens 100 Euro (zum damaligen Zeitpunkt ca. 200 DM bzw. N$ 800). Demnach hat die Buschschule während Ramonas Klinikaufenthaltes vom Jugendamt rund 62200 DM (ca. 248800 Namibia-Dollar) kassiert, wobei die üblichen 30 Prozent des Tagessatzes, die der Gastfamilie zustehen, auch nicht gezahlt wurden.
Offenbar wusste die zuständige Jugendamt-Mitarbeiterin Frau Schröder, die zugleich das Sorgerecht für Ramona hatte, nicht von dem langen Klinikaufenthalt. "Sie meinte zu mir, sie wusste nur von zwei Wochen", berichtet Ramona über ein Gespräch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. Schröder wollte der AZ keine Auskunft geben.
Über ihre Einweisung in die Psychiatrie schreibt Ramona:"Am 8.7.1999 bin ich eingeliefert worden. (...) Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich überhaupt war und habe kein Wort von dem verstanden, was die Schwestern zu mir gesagt haben. Afrikaans konnte ich noch nicht und Englisch nur ganz wenig." Einen Grund für die Einweisung kann Ramona nicht erkennen. "So genau weiß ich nicht, warum ich eingeliefert worden bin", berichtet sie. Und:"Kein Arzt hat mir eine Krankheit attestiert." Landrat Gorrissen dazu auf Nachfrage:"Ramona wurde wegen psychischer Erkrankung in die Psychiatrie eingewiesen. Wir wurden informiert." In der Nervenklinik fühlte sich Ramona sehr schlecht betreut. So habe sie erst über fünf Monate nach der Einlieferung das erste Mal den für sie zuständigen Arzt, Dr. Reinhard Sieberhagen, wiedergesehen. "Er war nur verwundert, dass ich Afrikaans konnte und immer noch im Hospital bin", schreibt sie. Ihrer Entlassung im Januar 2000 folgten Unstimmigkeiten mit Tätlichkeiten in Ramonas Gastfamilie, woraufhin sie Anfang Februar erneut in die Psychiatrie eingeliefert wurde. Schließlich wurde sie am 16. Juni des gleichen Jahres auf Empfehlung von Dr. Johan Rieckert entlassen. Der Psychologe, der in Windhoek eine Praxis betreibt, kommentiert ihre Einweisung so:"Es war nicht meine Entscheidung, ich habe sie nur als Patient gesehen. Aber es war Zeit, dass sie diesen Platz verlässt."
Indes bestätigten Vertreter der Nervenklinik, dass es unrechtmäßig sei, Ausländer als Staatspatienten einzuliefern. "Ich erinnere mich an den Fall. Die Rechnung der Buschschule steht noch aus, wir werden das weiter verfolgen", sagte Dr. Reuben Japhet, Ärztlicher Direktor, der AZ. Buchhaltungsmitarbeiter Harold Blom ergänzt:"Die Kosten sind noch nicht beglichen worden. Es gibt mehrere Buschschule-Jugendliche, die als Staatspatienten zu uns kommen. Sie gehen hier ein und aus."
Ramona hat sich unterdessen juristischen Beistand gesucht. Wie Rechtsanwalt Bernd O. Weber aus Hamburg der AZ mitteilte, prüfe er derzeit die Aufstellung einer Klage auf Schmerzensgeld.
Auf einen Fragenkatalog der AZ zu diesem Thema haben bis gestern weder der damalige Buschschule-Geschäftsführer Helmuth Scharnowski, noch der mit der Pressearbeit beauftragte Rechtsanwalt Dirk Conradie reagiert.
Die Buschschule ist eine in Namibia registrierte Wohlfahrtsorganisation, die gestrauchelte, teils kriminelle Jugendliche aus dem deutschsprachigen Raum zum Zwecke der Rehabilitation in dieses Land holt. Durch AZ-Recherchen wurden in den vergangenen Monaten Widersprüche in Konzept und Arbeit dieser Einrichtung öffentlich.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen