Achtung, die Löwen kommen!
Raubkatzen reißen das Vieh der Kunene-Farmer - Umweltminister Shifeta versucht sich als Vermittler
Von Florian Pütz, Windhoek
Eine ohrenbetäubende Alarmsirene schrillt durch die Siedlung. Die Löwen kommen! Jetzt müssen die Dorfbewohner schnell handeln, die Rinder und Ziegen zusammentreiben und sie zum Schutz vor den wilden Raubkatzen ins Gehege bringen. Doch die rund 20 Menschen, die sich neben dem neuen Alarmsystem in der Nähe ihrer Häuser versammelt haben, bleiben ganz gelassen. Die Löwen tauchen heute nämlich in ungewöhnlicher Gestalt auf: Ein weißer Geländewagen rollt gemächlich über die staubigen Wege in Richtung der kleinen Siedlung Driefontein. Auf der Ladefläche steht ein Mitarbeiter des Torra-Hegegebiets, der Umweltschutzbehörde in der Kunene Region, und hält ein Löwen-Halsband mit Ortungschip in der Hand. Je näher er der Antenne des Alarmsystems kommt, desto lauter schrillt die Sirene.
Das Halsband ist eigentlich nicht für Geländewagen vorgesehen, sondern für Raubkatzen, die geortet werden sollen. Die Menschen in Driefontein haben Probleme mit drei Löwen-Rudeln, sagt Vitalis Florry. Der stämmige Stabsoffizier des Torra-Hegegebiets arbeitet seit 23 Jahren für die Umweltbehörde und kümmert sich um jegliche Mensch-Tier-Konflikte in der Region. „Hier in Driefontein sind die Löwen zuhause“, erzählt er. „Sie kommen hierher und wollen an unsere Wasserquelle. Die Quelle ist vielleicht 50 Meter von der Einzäunung für das Vieh entfernt.“ In der Vergangenheit hätten die Löwen dann einfach die mickrigen alten Zäune übersprungen und die Ziegen gerissen. Heute geht das dank der neuen mit Stacheldraht und grünem Sichtschutz ausgestatteten Einzäunungen nicht mehr. Gesponsert hat die sogenannten Kraals das Umweltministerium, das damit auf den Konflikt zwischen Menschen und Raubkatzen reagiert. Landesweit sollen Wildtiere im vergangenen Jahr rund 1000 Farmtiere getötet haben.
Der Minister kommt persönlich
„Wir hatten viele Konflikte zwischen Menschen und Tieren, wie Löwen, Elefanten, Leoparden und Hyänen“, sagt Florry. „Seit wir diese neuen Kraals haben - wir haben elf davon hier in der Region - gab es keinen einzigen Bericht aus den Siedlungen, wonach Vieh innerhalb der Einzäunungen von Löwen getötet worden sein soll.“ Wohlgemerkt innerhalb.
Zur offiziellen Übergabe der Kraals an die Bevölkerung ist Umweltminister Pohamba Shifeta an diesem letzten Aprilwochenende höchstpersönlich angereist. Seine Anwesenheit soll ein Zeichen an die Menschen in Kunene sein: Die Regierung kümmert sich um die Farmer, Selbstjustiz gegen die Tiere will sie aber nicht durchgehen lassen. Nach Angaben des Ministeriums lebten 2017 circa 120 Löwen in der Region, seit Ende des Jahres sind es dreizehn weniger. Farmer und Gemeindemitglieder übten sich in Selbstjustiz gegen die Tiere, die es auf die Ziegen und Rinder - die Lebensgrundlage der Bauern - abgesehen hatten: Vier Löwen vergifteten sie, neun Löwen erschossen sie. Nur eine einzige Raubkatze wurde mit offizieller Erlaubnis gejagt.
Zukunftspläne
Seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt, verfolgt Minister Shifeta zunächst an der Antenne zur Ortung der Löwen die Demonstration des Alarmsystems. Nachdem er das Löwen-Halsband genauestens begutachtet hat, fliegt er mit seinem Team im Helikopter die knapp zehn Kilometer zur nächsten Siedlung in der Nähe von Bergsig. Für den Empfang des Ministers haben die Menschen hier ein großes Zelt aufgespannt, das mit seinen rot-weißen Streifen an einen Zirkus erinnert. Gut 50 Gemeindemitglieder haben sich im Schatten des Zelts eingefunden, um dem Minister zuzuhören. Darunter sind Alte, Kinder, Frauen in traditionellen Kleidern und Männer, die offenbar gerade von der Arbeit kommen.
Um die vorbereitete Rede von seinem iPad abzulesen, nimmt Shifeta seine Sonnenbrille ab. Er spricht von den „komplexen“ Mensch-Tier-Konflikten als „schwieriger Herausforderung“, denen mit „innovativen Ansätzen“ beizukommen sei. Damit meint er die robusten neuen Kraals und das Alarmsystem. 2018 will das Ministerium 20 weitere dieser Einzäunungen in Kunene bauen lassen, eine einzige kostet ungefähr 30000 Namibia Dollar. Außerdem sollen mehr Löwen gechipt werden, bisher sind es lediglich drei. Dem Minister geht es vor allem um die friedliche Co-Existenz von Mensch und Tier. „Das bedeutet, dass wir unsere Natur schützen, gleichzeitig aber die Bedürfnisse und Rechte der Menschen hier berücksichtigen müssen“, erklärt er.
Kritik am Ministerium
Kaum hat Shifeta seine Rede beendet, als ein Mann im Publikum aufsteht. In kaum verständlichem Afrikaans spricht der kräftige Farmer gestikulierend über seine schwierige Situation. Mehrere Ziegen habe er im vergangenen November an die Wildtiere verloren und dafür Entschädigung von der Regierung angefordert, bis heute aber keine Antwort erhalten. Die ganze Situation sei ein Desaster.
Minister Shifeta selbst schweigt und schaut seine Mitarbeiter an. Er lässt den Direktor des National-Park-Managements des Umweltministeriums für sich sprechen. Colgar Sikopo, ein aufgeweckt erscheinender Mann mit Brille und braunem Hemd, reagiert kurz und präzise auf die Forderungen nach Entschädigung. „Es gibt kein Gesetz, dass Farmern Entschädigung für von Wildtieren getötetes Vieh ermöglicht“, erklärt er. „Was wir diskutieren, ist, ob wir den Farmern und den Gemeindemitgliedern neues Vieh kaufen können.“ So streicht er die Beschwerde schnell beiseite.
Eine Dankesrede an Minister Shifeta soll die Übergabe der Kraals abschließen. Ein hagerer Mann mit leichten Segelohren tritt nach vorn. Jacobus Nud ist der stellvertretende Vorsitzende vom Torra-Hegegebiet. Er sagt, die Kraals seien zwar zunächst hilfreich. „Aber die Tiere ändern ihr Jagdverhalten als Reaktion auf die neuen Gehege.“ Sie würden nun tagsüber jagen, wenn das Vieh auf der Weide sei. „Und von dem Alarmsystem profitieren im Moment nur Lodge-Besitzer und Tour-Guides.“ Dann ist die Veranstaltung vorbei. „Danke“, sagt Jacobus Nud nicht.
Tags: Mensch-Tier-Konflikte, Löwen, Elefanten, Leoparden, Pohamba Shifeta, Torra Conservancy, Jacobus Nud, Colgar Sikopo, Vitalis Florry, Vieh, Ziegen, Rinder, Bauern, Farmer, Kunene Region, Bergsig, Umwelt, Khorixas,
Eine ohrenbetäubende Alarmsirene schrillt durch die Siedlung. Die Löwen kommen! Jetzt müssen die Dorfbewohner schnell handeln, die Rinder und Ziegen zusammentreiben und sie zum Schutz vor den wilden Raubkatzen ins Gehege bringen. Doch die rund 20 Menschen, die sich neben dem neuen Alarmsystem in der Nähe ihrer Häuser versammelt haben, bleiben ganz gelassen. Die Löwen tauchen heute nämlich in ungewöhnlicher Gestalt auf: Ein weißer Geländewagen rollt gemächlich über die staubigen Wege in Richtung der kleinen Siedlung Driefontein. Auf der Ladefläche steht ein Mitarbeiter des Torra-Hegegebiets, der Umweltschutzbehörde in der Kunene Region, und hält ein Löwen-Halsband mit Ortungschip in der Hand. Je näher er der Antenne des Alarmsystems kommt, desto lauter schrillt die Sirene.
Das Halsband ist eigentlich nicht für Geländewagen vorgesehen, sondern für Raubkatzen, die geortet werden sollen. Die Menschen in Driefontein haben Probleme mit drei Löwen-Rudeln, sagt Vitalis Florry. Der stämmige Stabsoffizier des Torra-Hegegebiets arbeitet seit 23 Jahren für die Umweltbehörde und kümmert sich um jegliche Mensch-Tier-Konflikte in der Region. „Hier in Driefontein sind die Löwen zuhause“, erzählt er. „Sie kommen hierher und wollen an unsere Wasserquelle. Die Quelle ist vielleicht 50 Meter von der Einzäunung für das Vieh entfernt.“ In der Vergangenheit hätten die Löwen dann einfach die mickrigen alten Zäune übersprungen und die Ziegen gerissen. Heute geht das dank der neuen mit Stacheldraht und grünem Sichtschutz ausgestatteten Einzäunungen nicht mehr. Gesponsert hat die sogenannten Kraals das Umweltministerium, das damit auf den Konflikt zwischen Menschen und Raubkatzen reagiert. Landesweit sollen Wildtiere im vergangenen Jahr rund 1000 Farmtiere getötet haben.
Der Minister kommt persönlich
„Wir hatten viele Konflikte zwischen Menschen und Tieren, wie Löwen, Elefanten, Leoparden und Hyänen“, sagt Florry. „Seit wir diese neuen Kraals haben - wir haben elf davon hier in der Region - gab es keinen einzigen Bericht aus den Siedlungen, wonach Vieh innerhalb der Einzäunungen von Löwen getötet worden sein soll.“ Wohlgemerkt innerhalb.
Zur offiziellen Übergabe der Kraals an die Bevölkerung ist Umweltminister Pohamba Shifeta an diesem letzten Aprilwochenende höchstpersönlich angereist. Seine Anwesenheit soll ein Zeichen an die Menschen in Kunene sein: Die Regierung kümmert sich um die Farmer, Selbstjustiz gegen die Tiere will sie aber nicht durchgehen lassen. Nach Angaben des Ministeriums lebten 2017 circa 120 Löwen in der Region, seit Ende des Jahres sind es dreizehn weniger. Farmer und Gemeindemitglieder übten sich in Selbstjustiz gegen die Tiere, die es auf die Ziegen und Rinder - die Lebensgrundlage der Bauern - abgesehen hatten: Vier Löwen vergifteten sie, neun Löwen erschossen sie. Nur eine einzige Raubkatze wurde mit offizieller Erlaubnis gejagt.
Zukunftspläne
Seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt, verfolgt Minister Shifeta zunächst an der Antenne zur Ortung der Löwen die Demonstration des Alarmsystems. Nachdem er das Löwen-Halsband genauestens begutachtet hat, fliegt er mit seinem Team im Helikopter die knapp zehn Kilometer zur nächsten Siedlung in der Nähe von Bergsig. Für den Empfang des Ministers haben die Menschen hier ein großes Zelt aufgespannt, das mit seinen rot-weißen Streifen an einen Zirkus erinnert. Gut 50 Gemeindemitglieder haben sich im Schatten des Zelts eingefunden, um dem Minister zuzuhören. Darunter sind Alte, Kinder, Frauen in traditionellen Kleidern und Männer, die offenbar gerade von der Arbeit kommen.
Um die vorbereitete Rede von seinem iPad abzulesen, nimmt Shifeta seine Sonnenbrille ab. Er spricht von den „komplexen“ Mensch-Tier-Konflikten als „schwieriger Herausforderung“, denen mit „innovativen Ansätzen“ beizukommen sei. Damit meint er die robusten neuen Kraals und das Alarmsystem. 2018 will das Ministerium 20 weitere dieser Einzäunungen in Kunene bauen lassen, eine einzige kostet ungefähr 30000 Namibia Dollar. Außerdem sollen mehr Löwen gechipt werden, bisher sind es lediglich drei. Dem Minister geht es vor allem um die friedliche Co-Existenz von Mensch und Tier. „Das bedeutet, dass wir unsere Natur schützen, gleichzeitig aber die Bedürfnisse und Rechte der Menschen hier berücksichtigen müssen“, erklärt er.
Kritik am Ministerium
Kaum hat Shifeta seine Rede beendet, als ein Mann im Publikum aufsteht. In kaum verständlichem Afrikaans spricht der kräftige Farmer gestikulierend über seine schwierige Situation. Mehrere Ziegen habe er im vergangenen November an die Wildtiere verloren und dafür Entschädigung von der Regierung angefordert, bis heute aber keine Antwort erhalten. Die ganze Situation sei ein Desaster.
Minister Shifeta selbst schweigt und schaut seine Mitarbeiter an. Er lässt den Direktor des National-Park-Managements des Umweltministeriums für sich sprechen. Colgar Sikopo, ein aufgeweckt erscheinender Mann mit Brille und braunem Hemd, reagiert kurz und präzise auf die Forderungen nach Entschädigung. „Es gibt kein Gesetz, dass Farmern Entschädigung für von Wildtieren getötetes Vieh ermöglicht“, erklärt er. „Was wir diskutieren, ist, ob wir den Farmern und den Gemeindemitgliedern neues Vieh kaufen können.“ So streicht er die Beschwerde schnell beiseite.
Eine Dankesrede an Minister Shifeta soll die Übergabe der Kraals abschließen. Ein hagerer Mann mit leichten Segelohren tritt nach vorn. Jacobus Nud ist der stellvertretende Vorsitzende vom Torra-Hegegebiet. Er sagt, die Kraals seien zwar zunächst hilfreich. „Aber die Tiere ändern ihr Jagdverhalten als Reaktion auf die neuen Gehege.“ Sie würden nun tagsüber jagen, wenn das Vieh auf der Weide sei. „Und von dem Alarmsystem profitieren im Moment nur Lodge-Besitzer und Tour-Guides.“ Dann ist die Veranstaltung vorbei. „Danke“, sagt Jacobus Nud nicht.
Tags: Mensch-Tier-Konflikte, Löwen, Elefanten, Leoparden, Pohamba Shifeta, Torra Conservancy, Jacobus Nud, Colgar Sikopo, Vitalis Florry, Vieh, Ziegen, Rinder, Bauern, Farmer, Kunene Region, Bergsig, Umwelt, Khorixas,
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