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Afrika schwankt zwischen kollektiver Verantwortung und Kumpanei

Seit Ende Dezember 2007 weckten die Hiobsbotschaften aus Kenia erneut die alten Stereotypen hinsichtlich eines afrikanischen Kontinents, in dem sich skrupellose machtgeile Despoten (und jene, die es gern werden wollen) einen Deut ums Volk scheren. Letzteres kommt nur zupass, wenn es entgegen des seit der Dekolonisierung als offiziellem Diskurs bemühten "nation building" entlang partieller Regionalidentitäten instrumentalisiert und gegeneinander aufgehetzt werden kann. Der "Tribalismus" feierte so seit dem offenen Konflikt zwischen Raila Odinga und Mwai Kibaki als Folge des vermuteten Wahlschwindels - wohl nicht nur als klischeehafte Worthülse, sondern relevante (wenn auch nicht ausreichende) Kategorie - traurige Urständ.
Von der OAU zur AUGanz so simpel ist die politische Realität auf dem Kontinent im 21. Jahrhundert allerdings nun doch nicht. Was vielleicht noch vor ein paar Jahren so hätte über die Bühne gehen können, läuft nicht mehr so ganz automatisch nach den alleinigen Regieanweisungen der machtversessenen Politiker ab. Während das Szenario in Bezug auf die Projektionsfläche Afrika nur allzu vertraut war, ließen die innerafrikanischen Reaktionen eine neue Sensibilität erkennen. So wurde dem sich flugs zum neuen alten Staatschef kürenden Kibaki die Anerkennung seiner Amtskollegen in den anderen Staaten der Afrikanischen Union (AU) weitgehend verweigert. Dadurch ließ sich nicht zur Tagesordnung übergehen und den Machtkampf mit den herkömmlichen Mitteln der Gewalt beenden. Im Gegenteil: Nach deren Ausbruch fanden sich binnen Wochenfrist mit Joaquim Chissano, Kenneth Kaunda, Benjamin Mkapa und Ketumile Masire gleich vier ehemalige afrikanische Präsidenten in Nairobi ein, um mit dem Gewicht der "elder statesmen" zu einer Vermittlungsinitiative beizutragen. Zwar war das Quartett wenig erfolgreich, signalisierte aber dennoch mit seiner Präsenz ein gewandeltes Politikverständnis auf dem Kontinent. Sie erklärten ihre Anwesenheit mit dem Bedürfnis, sich in Zeiten der Not auf die Seite des kenianischen Volkes zu stellen. Das sind neue Töne.

Tatsächlich ließ sich mit dem Übergang von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) zur AU seit Beginn des Jahrhunderts eine Zäsur im Politikverständnis ausmachen, die sich auch in der neuen AU-Verfassung dokumentiert. Das sakrosankte Prinzip des Nichteinmischungsgebots in die Angelegenheiten von Mitgliedsstaaten der OAU wurde von der Pflicht zur Intervention durch die Staatengemeinschaft in besonders schweren Fällen der Missachtung völkerrechtlicher Grundprinzipien abgelöst. Das funktionierte seither zwar nicht immer und auch meist nicht sonderlich überzeugend, kam aber dennoch einem grundsätzlichen Kurswechsel gleich. Der signalisierte, dass es ohne ein Minimum an Legitimität nun mal auch auf dem afrikanischen Kontinent mittlerweile (fast) nicht mehr geht. - Auch wenn dies in dem aktuellen Fall des Tschad zu der ironischen Situation führt, dass ein Diktator, der sich an die Macht putschte, nunmehr vor Ereilung desselben Schicksals wie das seines Vorgängers durch Truppen der ehemaligen Kolonialmacht mit ausdrücklicher Billigung durch die AU schützen lassen kann.

Besonders zynische BeobachterInnen könnte dies in Erinnerung an Zeiten eines Mobutu Sese Seko zu der Schlussfolgerung reizen, dass sich entgegen der bislang hier vorgebrachten Behauptungen eigentlich rein gar nichts geändert habe. Hat sich aber doch. Denn der (verhinderte) Fall von Idriss Dreby im Tschad zeigt ebenso wie die derzeit sich abzeichnende Machtteilung zwischen Odinga und Kibaki in Kenia, dass es ohne ein Minimum an Einhaltung formaler Spielregeln schwerer wird, sich die Rückendeckung der afrikanischen Staatengemeinschaft zu sichern. - Dass es dessen ungeachtet nach wie vor möglich ist, das Volk gründlich zu bescheißen, zeigen zahlreiche Beispiele.
Die NEPAD und der APRMDennoch: seit der New Partnership for Africa's Development (NEPAD), die sich zur Jahrtausendwende anschickte, die gönnerhafte Unterstützung der G8 und anderer westlicher Industrieländer in Entwicklungsprojekte für Afrika umzumünzen, hat sich etwas verändert, das auch in der AU seinen Niederschlag fand. Mit Vorschusslorbeeren aus dem Lager der OECD-Länder bedacht und seither von den Vereinten Nationen als offizielle Entwicklungsstrategie Afrikas abgesegnet, müht sich die NEPAD und deren African Peer Review Mechanism (APRM), das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Auf einem Kontinent, in dem sich unter den politisch Verantwortlichen nur sehr zögerlich (wenn überhaupt) der Gedanke durchsetzt, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht zu "guter Regierungsführung" gehören, ist dies kein leichtes Unterfangen.

Angesichts der fortdauernden skandalösen Toleranz auch der NEPAD gegenüber Formen des Machtmissbrauchs (nicht zuletzt der Passivität gegenüber dem Mugabe-Regime) wurden gegenteilige Signale seitens der AU mitunter zu leichtfertig unterschätzt. Die Interventionen und Schlichtungsversuche in westafrikanischen Staaten sowie die Präsenz von AU-Truppen in Darfur gehören dazu. Auch die Verhinderung des sudanesischen Staatsoberhaupts als AU-Vorsitzendem ist Indiz für die Anwendung von Mindestkriterien an Legitimität für Repräsentanten gesamtafrikanischer Politik. Trotz aller berechtigten Skepsis, was das Ausmaß des Wandels betrifft, lässt sich angesichts solcher Indizien nur von unverbesserlichen Skeptikern behaupten, es gebe nichts Neues.

Der APRM ist eine der Innovationen. Er gilt als freiwilliger TÜV, dem sich mittlerweile über die Hälfte der Staaten Afrikas zu unterziehen bereit ist. Die ersten Endergebnisse liegen aus drei Ländern vor (Ghana, Ruanda, und sinnigerweise Kenia). Mehrere weitere Missionen (darunter Südafrika) sind vollzogen. Mandat und Durchführung des APRM sorgen dabei für Diskussionen ob seiner Sinnhaftigkeit. Kritiker sind der Meinung, er wäre organisierte Zeitverschwendung. Die Befürworter des (Selbst-)Kontrollverfahrens loben ihn als Durchbruch zu einer neuen Verbindlichkeit im Zuge der Herstellung von allgemein akzeptierten Mindestvoraussetzungen einer "guten Regierungsführung".

Fest steht, dass der APRM und sein Prinzip der Freiwilligkeit bei der Behebung von Missständen kein wirksames Sanktionsmittel ist, da dessen Empfehlungen keine Umsetzung erzwingen können. Er will erklärtermaßen "best practices" ermitteln. Auch gibt es Skepsis hinsichtlich der Kritikbereitschaft an den jeweiligen Verhältnissen und der Möglichkeiten, zu verifizierbaren Ergebnissen zu gelangen. Die Organisation und praktische Durchführung der Konsultationen vor Ort obliegt der Verantwortlichkeit der einzelnen Länder, die geprüft werden.

Insbesondere der Grad aktiver Einbeziehung lokaler autonomer zivilgesellschaftlicher Organisationen in den Meinungsbildungsprozess ist dabei ein Zankapfel. Deren allenfalls selektive Teilnahmemöglichkeit war bislang in fast jedem der APRMs ein strittiger Punkt, der mit viel Kritik und Misstrauen in den jeweiligen Ländern von jenen bedacht wurde, die sich vom Findungsprozess ausgeschlossen fühlten. Die Regierungen auf dem Prüfstand tun sich schwer damit, den Evaluierungsprozess offen zu gestalten und eine uneingeschränkte Vielfalt innerstaatlicher Positionen in den Bewertungsprozess Eingang finden zu lassen. Die Missionen ihrerseits scheinen wenig motiviert, die Gastgeber auf die Probe zu stellen und Konsultationen zu erzwingen, die von diesen nicht erwünscht sind. Mehr Altes oder Neues?Kaum je zuvor hat eine in Afrika konzipierte Initiative wie die NEPAD die ideologischen Gräben deutlicher zu Tage treten lassen. Kritiker innerhalb des Kontinents (und es gibt ihrer viele) artikulierten sogleich ihre Verdrossenheit mit deren Ingenieuren (zuvorderst aus Südafrika und Nigeria), die sie als Handlanger der neoliberalen kapitalistischen Weltwirtschaft abkanzelten. Ihre kategorische Ablehnung jeglicher Einforderung von in der NEPAD formulierten politischen Zielen verweigerte aber auch die Partizipation zur Förderung eigener Positionen und trug somit zu einer "self fulfilling prophecy" bei. Dass einige der bislang eher enttäuschenden Ergebnisse ihre Ressentiments bestätigen, kann nur wenig Befriedigung wecken. Tatsächlich hat die NEPAD sich hin zu einer Mega-NGO gewandelt, die durch ihre Betonung von infrastrukturellen Großprojekten in sub-regionalen Wirtschaftsräumen und die Zusammenarbeit mit den großen Geberinstitutionen eher kompromittiert als die ursprünglich geweckten Erwartungen - zumal in politischer Hinsicht - erfüllt hat.

Dessen ungeachtet bleibt festzuhalten, dass insbesondere mit der AU-Politik ein Kontinent sich anschickt, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Weder eine Gesundbeterei der Afro-Optimisten noch die Schwanengesänge der Afro-Pessimisten sind dabei besonders hilfreich für die analytische Einschätzung und politische Umgangsweise mit den Veränderungen, die sich derzeit in Afrika abzeichnen.
(Der Autor ist der Direktor der Dag Hammarskjöld-Stiftung in Uppsala, Schweden.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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