Afrika verabschiedet sich ohne Bedauern von der OAU
Kapstadt - Thabo Mbeki hat in den letzten Wochen kräftig Airmiles sammeln können: Zunächst war der südafrikanische Präsident in Nordeuropa, um dort für die von ihm mitbegründete "Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas" (Nepad) zu werben. Dann jettete er zum G-8-Gipfel in Kanada, um sich die Rückendeckung der wichtigsten Industriestaaten für seinen Plan zu holen. In dieser Woche nun wird Mbeki in der südafrikanischen Küstenstadt Durban die neue Afrikanische Union (AU) aus der Taufe heben. Sie löst die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) ab, die 1963 als panafrikanische Antwort auf die Dekolonisation gegründet wurde, aber nie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen konnte.
Die Ineffizienz der OAU ist ein Grund dafür, weshalb Afrika in den letzten Jahren immer weiter hinter die anderen Weltregionen zurückgefallen ist.
Schon zum Zeitpunk ihrer Gründung vor fast 40 Jahren blieb ominöserweise ein Stuhl leer - der des togolesischen Präsidenten Sylvanus Olympio, der kurz zuvor einem blutigen Staatsstreich zum Opfer gefallen war.
Jahrelang wurde die OAU nur durch ihre Opposition zum südafrikanischen Apartheidregime zusammengehalten. In die inneren Angelegenheiten der eigenen Mitgliedsstaaten mischte sich die Organisation indes nicht ein, selbst wenn dort, wie etwa in Uganda oder Ruanda, Hunderttausende von Menschen massakriert wurden.
Auch in zahllosen anderen afrikanischen Konflikten zeigte sich die Ohnmacht der Organisation. Ob im Kongo, in Angola, im nigerianischen Biafra oder in Sierra Leone: Die OAU mahnte und appellierte, aber ihre Mitglieder kümmerte dies wenig. Symptomatisch war, dass die Organisation vor zwei Jahren ausgerechnet den dienstältesten Diktatoren des Kontinents, den Togolesen Eyadema, zu ihrem Präsidenten kürte. Kein Wunder, dass ihre Jahrestreffen zuletzt nur noch als präsidiale Modeschauen belächelt wurden.
Dies soll nun alles anders werden. Um sich schon äusserlich von der OAU abzusetzen, gelobt die neue Verfassung der AU in ihrer Präambel erstmals "Respekt für demokratische Prinzipien, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sowie eine transparente Regierungsarbeit". Und obwohl auch die AU das Prinzip der Nicht-Einmischung aufrecht erhält, erlaubt die Verfassung unter "erschwerten Umständen" wie Kriegsverbrechen oder Völkermord ausdrücklich eine gemeinschaftliche Intervention in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates.
Wie bei der jüngsten Afrika-Initiative bleiben die Details jedoch vage. Präsident Mbeki hat einen kleinen Rat weiser Afrikaner vorgeschlagen, darunter frühere Richter und verdiente Politiker, die regelmäßig über den Zustand des Kontinents berichten sollen. Was aber bei massiven Menschenrechtsverstößen dann genau passieren soll, ist noch völlig unklar.
Gleichwohl geht schon diese lose Form der Selbstüberwachung einigen Führern des Kontinents viel zu weit. Der im Januar unter dubiosen Umständen an die Macht gekommene sambische Präsident Mwanawasa warnt zum Beispiel vor einer Isolierung von Staatschefs, die sich nicht an die Richtlinien der AU halten.
Vieles deutet darauf hin, dass auch die AU weit mehr Zuckerbrot als Peitsche austeilen wird. Dabei befürworten nicht nur ausländische Investoren sondern auch viele Afrikaner eine härtere Gangart gegenüber den vielen korrupten Führern des Kontinents. Beunruhigend ist zudem, dass es in Afrika selbst in den schlimmsten Fällen von Machtmißbrauch immer wieder zum Schulterschluss mit Diktatoren gekommen ist. Simbabwe ist dafür nur ein Beispiel.
Trotz der tiefen ethnischen und religiösen Kluft hoffen viele Afrikaner noch immer auf die Einheit des eigenen Kontinents. Doch dazu fehlt nicht nur das Geld sondern vor allem der politische Wille. "Afrikas Regierungen wollen ja nicht einmal eine Partnerschaft mit ihrem eigenen Volk", klagt der politische Analyst Moeletsi Mbeki, ein Bruder des südafrikanischen Präsidenten. "Die an die Macht gekommenen postkolonialen Eliten haben in den letzten 40 Jahren jedenfalls überhaupt keine Fortschritte erzielt."
Dennoch ist Afrika fest entschlossen, den gleichen Weg wie Europa zu beschreiten und eine zentrale Verwaltung nach EU-Vorbild zu schaffen. Mauritius hat sich bereit erklärt, den afrikanischen Gerichtshof zu beherbergen. Und Libyens Staatschef Gaddafi hat spontan offeriert, in seinem Land das neue afrikanische Parlament zu errichten. Da er jedoch nicht einmal eine eigene Volksvertretung duldet, wurde das Angebot abgelehnt. Einige afrikanische Länder fordern zudem schon jetzt eine eigene Zentralbank und Währung - den "Afro", wie der südafrikanische Notenbankchef Tito Mboweni vor kurzem spöttelte.
Ein Manko des Kontinents liegt darin, dass er sich, anders als die EU zu ihrer Gründung, vielerorts im Krieg befindet. Die glühendsten Verfechter der Union glauben jedoch nach dem Wegfall der Grenzen an einen plötzlichen Ausbruch des Friedens. Afrikas Konflikte "offenbaren philosophisch wie historisch die Einheit des Kontinents", behauptet Gaddafi mit der ihm eigenen Logik.
Das größte Problem der AU besteht darin, dass ihre 53 Länder einen völlig unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand haben und auch die politischen Systeme von der Demokratie bis zur Einparteiendiktatur reichen. In Nigeria und Algerien, zwei der Mitbegründer des neuen Afrikaplans, kommt es zudem regelmäßig zum Ausbruch religiöser oder politischer Unruhen. Und gleich vor der Haustür des Gastgeberlandes Südafrika liegt das ins Chaos abgerutschte Simbabwe, wo Präsident Mugabe jeden einzelnen Grundsatz der AU mißachtet, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Kopfzerbrechen bereitet der neuen Bewegung aber auch ihr eigentlicher Architekt: Muammar el Gaddafi. Nach dem Scheitern seiner panarabischen Pläne träumt der Libyer nun offenbar davon, eines Tages den Vereinigten Staaten von Afrika vorzustehen. Gaddaffi hat sich in den letzten Jahren verstärkt in Afrika engagiert und zum Beispiel Simbabwe zuletzt durch massive Öllieferungen vor dem Kollaps bewahrt.
Es bleibt indes abzuwarten, ob die Industriestaaten einen Führer ernst nehmen, der nie demokratisch gewählt wurde, als Sponsor des internationalen Terrors gilt und darauf drängt, alle Weißen aus Afrika zu werfen. "Unser Kontinent ist sich bewusst, dass er den Schlüssel zu seiner Entwicklung in sich trägt", heißt es in der Verfassung der AU. Schade nur, das dieser Schlüssel wohl nie das ganze Potenzial des Kontinents erschließen wird solange Diktatoren wie Gadaffi oder Mugabe im Amt bleiben - und dabei vom Rest des Kontinents hofiert werden.
Die Ineffizienz der OAU ist ein Grund dafür, weshalb Afrika in den letzten Jahren immer weiter hinter die anderen Weltregionen zurückgefallen ist.
Schon zum Zeitpunk ihrer Gründung vor fast 40 Jahren blieb ominöserweise ein Stuhl leer - der des togolesischen Präsidenten Sylvanus Olympio, der kurz zuvor einem blutigen Staatsstreich zum Opfer gefallen war.
Jahrelang wurde die OAU nur durch ihre Opposition zum südafrikanischen Apartheidregime zusammengehalten. In die inneren Angelegenheiten der eigenen Mitgliedsstaaten mischte sich die Organisation indes nicht ein, selbst wenn dort, wie etwa in Uganda oder Ruanda, Hunderttausende von Menschen massakriert wurden.
Auch in zahllosen anderen afrikanischen Konflikten zeigte sich die Ohnmacht der Organisation. Ob im Kongo, in Angola, im nigerianischen Biafra oder in Sierra Leone: Die OAU mahnte und appellierte, aber ihre Mitglieder kümmerte dies wenig. Symptomatisch war, dass die Organisation vor zwei Jahren ausgerechnet den dienstältesten Diktatoren des Kontinents, den Togolesen Eyadema, zu ihrem Präsidenten kürte. Kein Wunder, dass ihre Jahrestreffen zuletzt nur noch als präsidiale Modeschauen belächelt wurden.
Dies soll nun alles anders werden. Um sich schon äusserlich von der OAU abzusetzen, gelobt die neue Verfassung der AU in ihrer Präambel erstmals "Respekt für demokratische Prinzipien, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sowie eine transparente Regierungsarbeit". Und obwohl auch die AU das Prinzip der Nicht-Einmischung aufrecht erhält, erlaubt die Verfassung unter "erschwerten Umständen" wie Kriegsverbrechen oder Völkermord ausdrücklich eine gemeinschaftliche Intervention in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates.
Wie bei der jüngsten Afrika-Initiative bleiben die Details jedoch vage. Präsident Mbeki hat einen kleinen Rat weiser Afrikaner vorgeschlagen, darunter frühere Richter und verdiente Politiker, die regelmäßig über den Zustand des Kontinents berichten sollen. Was aber bei massiven Menschenrechtsverstößen dann genau passieren soll, ist noch völlig unklar.
Gleichwohl geht schon diese lose Form der Selbstüberwachung einigen Führern des Kontinents viel zu weit. Der im Januar unter dubiosen Umständen an die Macht gekommene sambische Präsident Mwanawasa warnt zum Beispiel vor einer Isolierung von Staatschefs, die sich nicht an die Richtlinien der AU halten.
Vieles deutet darauf hin, dass auch die AU weit mehr Zuckerbrot als Peitsche austeilen wird. Dabei befürworten nicht nur ausländische Investoren sondern auch viele Afrikaner eine härtere Gangart gegenüber den vielen korrupten Führern des Kontinents. Beunruhigend ist zudem, dass es in Afrika selbst in den schlimmsten Fällen von Machtmißbrauch immer wieder zum Schulterschluss mit Diktatoren gekommen ist. Simbabwe ist dafür nur ein Beispiel.
Trotz der tiefen ethnischen und religiösen Kluft hoffen viele Afrikaner noch immer auf die Einheit des eigenen Kontinents. Doch dazu fehlt nicht nur das Geld sondern vor allem der politische Wille. "Afrikas Regierungen wollen ja nicht einmal eine Partnerschaft mit ihrem eigenen Volk", klagt der politische Analyst Moeletsi Mbeki, ein Bruder des südafrikanischen Präsidenten. "Die an die Macht gekommenen postkolonialen Eliten haben in den letzten 40 Jahren jedenfalls überhaupt keine Fortschritte erzielt."
Dennoch ist Afrika fest entschlossen, den gleichen Weg wie Europa zu beschreiten und eine zentrale Verwaltung nach EU-Vorbild zu schaffen. Mauritius hat sich bereit erklärt, den afrikanischen Gerichtshof zu beherbergen. Und Libyens Staatschef Gaddafi hat spontan offeriert, in seinem Land das neue afrikanische Parlament zu errichten. Da er jedoch nicht einmal eine eigene Volksvertretung duldet, wurde das Angebot abgelehnt. Einige afrikanische Länder fordern zudem schon jetzt eine eigene Zentralbank und Währung - den "Afro", wie der südafrikanische Notenbankchef Tito Mboweni vor kurzem spöttelte.
Ein Manko des Kontinents liegt darin, dass er sich, anders als die EU zu ihrer Gründung, vielerorts im Krieg befindet. Die glühendsten Verfechter der Union glauben jedoch nach dem Wegfall der Grenzen an einen plötzlichen Ausbruch des Friedens. Afrikas Konflikte "offenbaren philosophisch wie historisch die Einheit des Kontinents", behauptet Gaddafi mit der ihm eigenen Logik.
Das größte Problem der AU besteht darin, dass ihre 53 Länder einen völlig unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand haben und auch die politischen Systeme von der Demokratie bis zur Einparteiendiktatur reichen. In Nigeria und Algerien, zwei der Mitbegründer des neuen Afrikaplans, kommt es zudem regelmäßig zum Ausbruch religiöser oder politischer Unruhen. Und gleich vor der Haustür des Gastgeberlandes Südafrika liegt das ins Chaos abgerutschte Simbabwe, wo Präsident Mugabe jeden einzelnen Grundsatz der AU mißachtet, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Kopfzerbrechen bereitet der neuen Bewegung aber auch ihr eigentlicher Architekt: Muammar el Gaddafi. Nach dem Scheitern seiner panarabischen Pläne träumt der Libyer nun offenbar davon, eines Tages den Vereinigten Staaten von Afrika vorzustehen. Gaddaffi hat sich in den letzten Jahren verstärkt in Afrika engagiert und zum Beispiel Simbabwe zuletzt durch massive Öllieferungen vor dem Kollaps bewahrt.
Es bleibt indes abzuwarten, ob die Industriestaaten einen Führer ernst nehmen, der nie demokratisch gewählt wurde, als Sponsor des internationalen Terrors gilt und darauf drängt, alle Weißen aus Afrika zu werfen. "Unser Kontinent ist sich bewusst, dass er den Schlüssel zu seiner Entwicklung in sich trägt", heißt es in der Verfassung der AU. Schade nur, das dieser Schlüssel wohl nie das ganze Potenzial des Kontinents erschließen wird solange Diktatoren wie Gadaffi oder Mugabe im Amt bleiben - und dabei vom Rest des Kontinents hofiert werden.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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