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Alkohol: Die gefährlichste Droge der Welt

Swakopmund - "Ich bin Alkoholiker", sagt Andrew Robson ohne eine Spur der Reue, des Schämens, des Verheimlichens. Hier gelten sie als normale Leute mit normalen Problemen. Zu Hause, in ihren Gemeinschaften, dagegen, stoßen sie oftmals auf Unverständnis. Drogenabhängigkeit wird oftmals als Schwäche bezeichnet. "Und dabei kann es jeden von uns treffen", darüber sind sich die beiden Betreiber des 20 km vor Swakopmund gelegenen Drogenrehabilitationszentrums "The Refuge", Andrew Robson und Dr. Thomas L. Little, einig.

Zucker, Nikotin, Alkohol, Coffein, Schlafmittel, Tabletten, Drogen, außergewöhnliche sexuelle Aktivitäten, Glücksspiele, Essen, Selbstbefleckung - die meisten Menschen unterliegen irgendeiner Form der Sucht. Die wenigsten geben es zu. "Unser Programm ist nur dann erfolgreich, wenn die Gäste ihr Problem ernsthaft bekämpfen wollen. Sie müssen die Hilfe selbst wollen", betont Robson, der ebenso wie Little ein Alkoholiker ist. Beide folgen seit vielen Jahren einer strikten Abstinenz. "Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker". Das Wort "Ex-Alkoholiker" wird dort nicht gebraucht. Robson erklärt, dass die betroffenen Personen nie wieder auch nur einen einzigen Tropfen Spirituosen zu sich nehmen dürfen.





Sucht definieren





Laut des Therapeuten erkennt man einen Alkoholiker vor allem daran, dass die Person es nicht schafft, eine geöffnete Flasche ungeleert zurückzulassen. Folgende Fragen könnten ebenfalls auf eine Abhängigkeit deuten: Leidet Ihre Arbeit unter Ihrem Trinken oder kommen Sie zu spät zur Arbeit wegen Trinkens? Beeinflusst das Trinken Ihren Ruf? Fühlen Sie sich durch das Trinken mutiger, erhöht es Ihr Selbstvertrauen? Fühlen Sie sich auf Grund des Trinkens demotiviert oder depressiv? Wollen Sie schon am frühen Morgen trinken? Trinken Sie allein? Versuchen Sie durchs Trinken Ihren Sorgen zu entfliehen?


Studien zeigen, dass Alkoholismus zum Teil auch genetisch bedingt ist. Bei Alkoholiker-Eltern sei die Gefahr des Alkoholismus größer, ist die Meinung der Mitarbeiter des "The Refuge". Das Zentrum ermutigt seine Gäste offen und ehrlich über alles zu sprechen. "Alkoholiker sind Experten im Lügen", sagt Andrew, "aber das macht sie nicht zu schlechteren Menschen." In der Abgeschiedenheit der Wüste und mit der Garantie der Anonymität ist die Ursache der Probleme jedoch einfacher zu erforschen.





28 Tage Nachdenken





Das "Realworld Education Centre", unter dem das "The Refuge" fällt, wurde vor zwei Jahren durch Thomas L. Little gegründet. Das Programm beruht auf dem erfolgreichen amerikanischen Buch "Twelve Steps of Alcoholics Anonymous", welches jedoch für alle Suchten gelten soll. Bislang haben in Namibia 45 Personen das 28 Tage lange Programm für N$ 6000 durchgeführt. "The Refuge" bietet nicht nur Alkoholikern, sondern ebenso Drogenabhängigen Zuflucht. Die psychologische Rehabilitation steht bei diesem Zentrum im Vordergrund. Deshalb ist speziell für Drogenabhängige eine Entzugskur unter Aufsicht eines Arztes im Krankenhaus vor dem Besuch im "The Refuge" empfehlenswert.


Einen detaillierten Programmplan gibt es kostenlos unter der Internetadresse: www.therefuge.com.na. Die Behandlung verläuft nach folgendem Prinzip: Die ersten drei Tage gelten dem Nachdenken. Es wird möglichst wenig geredet. Handys, Uhren, Fernseher sind im Zentrum verboten. "In dieser Zeit sollen unsere Patienten einmal in Ruhe tief in sich hineinblicken", erklärt Andrew. Erst wenn sie bereit sind, über ihre Sorgen zu reden, beginne der Rest der Behandlung. Verleugnungen seien typisch für Suchtkranke.


Den Gästen des Zentrums werden zunächst drei Fragen gestellt: Wer bin ich? Was tue ich hier? Wohin bewege ich mich in meinem Leben? Dann müssen sie ein Tagebuch führen, in dem sie ihre Antworten, Erfahrungen und Emotionen niederschreiben. Nach und nach werden die Fragen komplizierter und am Ende wird verlangt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das Buch wird symbolisch verbrannt.


Obwohl der Glaube den Patienten nicht auferzwungen wird, so spiele er, nach Angaben der beiden Betreiber, doch eine wichtige Rolle in der Therapie. Bei einer der Sitzungen, beispielsweise, werden die Gäste gefragt, ob sie bereit wären, in etwas zu glauben, was höher ist als sie selbst. Im Mittelpunkt des Programmes steht jedoch stets der Neuanfang.





Abstinenz in der Wüste





Das Rehabilitationszentrum bietet für maximal acht Personen Platz. Die Gäste leben in den vier Wochen in einfachen Holzhütten. Elektrizität gibt es nicht. "Wir wollen sie von ihrem gewohnten Leben und von ihrer Familie isolieren", erläutert Robson die bescheidene Einrichtung dieses Zentrums, "und wir wollen ihnen ihre normalen täglichen Aktivitäten entziehen".


Das Alter der Patienten im "The Refuge" reicht von 17 bis 72, obwohl das Mindestalter normalerweise bei 18 liegt. Alkohol sei ein langsam wirkendes Suchtmittel. Deswegen liegen die meisten Alkoholiker in der Altersklasse zwischen 40 und 50, obwohl, laut Robson, das Problem oftmals bereits gegen Ende der 20er beginne.


"The Refuge" zeigt außerdem, dass nur 25 Prozent der Patienten Frauen sind. Diese Statistik gelte auch weltweit. Für Frauen sei es noch schwieriger ihr Problem einzugestehen, als für Männer.





Die Last der Abhängigkeit





Verliert man die Kontrolle über den Alkoholkonsum, so beeinflusst dies den gesamten Tagesablauf. Das Leben dreht sich schließlich nur noch darum, wann und wo der nächste Drink oder die nächste Droge eingenommen werden kann. Davon weiß auch John (die Namen der Gäste wurden von der Redaktion geändert) zu berichten.


"Ich habe angefangen zu trinken, um die Schmerzen zu lindern, die mich seit meinem Unfall, als ich Anfang 20 war, ständig begleiteten", erzählt einer der Patienten des "The Refuge". Als ihm sein Problem bewusst wurde, lag der Alkoholkonsum schon bei zwei Schnapsflaschen täglich. Nach einer Entzugskur in Europa schaffe er es, über 20 Jahre lang keinen Tropfen Alkohol mehr zu trinken.


Dann kam er nach Namibia. "Das ist ein Land, in dem die Menschen gerne und viel Trinken. Und ich dachte mir, wenn ich wieder ein oder zwei Gläser trinke, kann es nicht schaden". Bevor er sich beim Rehabilitationszentrum in Swakopmund anmeldete, leerte er täglich zwei Flaschen Wein. "Dieser verdammt gutschmeckende südafrikanische Wein wurde mir zum Verhängnis."


In Gegensatz zu vielen anderen, hat John sein Problem seiner Frau nicht verheimlicht. "Sie zeigt viel Verständnis. Ich bin ihr sehr dankbar dafür". John ist zwar erst seit ein paar Tagen im Refuge, zeigte sich jedoch zuversichtlich sich danach an ein Alkoholverbot zu halten. "Ich kenne einige Leute, die bestimmt auch ein Problem mit Trinken haben und ich werde sie darauf ansprechen." Vor allem die Gesundheit leidet unter Alkohol. Dies war eines der Hauptgründe für John, professionelle Hilfe aufzusuchen.


Ermutigung seitens der Familie erhielt auch Paul, der ebenfalls am Anfang seiner Behandlung steht. Paul hat schon als Jugendlicher mit dem Rauchen leichter Drogen begonnen. "Dann habe ich viele Jahre lang Mandrax genommen, die letzten Wochen aber habe ich zunehmend "Rocks" (Crack) gebraucht." Nicht so sehr die Sucht, vor allem aber finanzielle Schwierigkeiten und die Angst, seine Arbeitsstelle zu verlieren, machten Paul zunehmend Sorgen. "Ich habe am Tag N$ 120 für Drogen ausgegeben. Bei einem Gehalt von rund N$ 4000 war das für mich und meine Familie nicht mehr tragbar". Etwas bitter reagierte er auf die Verkäufer: "Die machen richtig viel Kohle". Überhaupt sei vor allem in Walvis Bay der Drogenhandel ein blühendes Geschäft.





Ohne Profit, aber mit Hingabe





Das Realworld Education Centre erwirtschaftet wenig Profit, trägt sich jedoch selbst. "Uns geht es nicht so sehr darum, Geld zu verdienen. Wir wollen einfach nur helfen", betont Little, ein Rechtsanwalt aus den USA. Er trat 1993 in den Ruhestand und kam als freiwilliger Helfer nach Namibia. Dort pflegte er eine alte Frau, die nach kurzer Zeit verstarb und Little ihr Vermögen hinterließ. Mit diesem Erbe gründete er das Alkohol- und Drogenrehabilitationszentrum. "Ich habe meinen letzten Schluck Alkohol vor 27 Jahren gehabt", erklärt Little, der bereits ein Buch mit dem Namen "Origins" geschrieben hat und ein weiteres zusammen mit Andrew Robson plant. "Alkoholismus ist wie eine Schlange, die immer auf uns im Gebüsch lauert, um uns in stressigen Zeiten zu picken", schreibt Little in seiner "Geschichte meiner Rehabilitation". Mit Robsen hat er schon an mehreren Programmen gearbeitet.


"Alkohol ist die gefährlichste Droge der Welt", das wissen beide aus eigenen Erfahrungen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-02

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