Als einsamer Tourist auf Streifzug durch ein ausgeblutetes Land
Der Warnungen waren viele. Einige Freunde und Bekannte, nicht zuletzt der Buch-händler des Bücherkellers, waren entsetzt über meine Naivität. Simbabwe ist doch kein Reiseland mehr. Es gibt ja nicht einmal einen Reiseführer zu kaufen. In der Tat, nur ein Buch, das das ganze südliche Afrika behandelt, enthält ein Kapitel über Simbabwe. Die berühmten Führer Rough Guide und Lonely Planet über Simbabwe sind seit langem vergriffen. Den Ausschlag haben dann meine Windhoeker Landlady und einige ihrer Freunde gegeben, in Simbabwe und hier, die mich mit nüchternem Rat versorgten. Daraufhin habe ich es dann einfach gemacht.
Anders als in der großen deutschen Inflation der 1920er Jahre ist die (viel größere) Inflation in Simbabwe wenig sichtbar. Es gibt niemanden, der mit einer Schubkarre voller Geldscheine umherfährt. Im Gegenteil, Bargeld ist sehr knapp. Das ist die dortige Strategie zur Inflationsbekämpfung. Die Nachfrage muss eingeschränkt werden. Vor den Banken - vor jeder Bank, die ich gesehen habe - stehen permanent und rund um die Uhr, ich schätze mal, zwischen 100 und 500 Menschen in einer sehr geordneten Schlange (Doppelschlange, Dreierschlange, Viererschlange, mit und ohne Schlafsack) und kämpfen sich in stundenlangem Warten vor, bis sie an ihre täglich erlaubte Barab-hebung von derzeit 500000 Z$ kommen. (Der Betrag ist gerade erhöht worden, vor we-nigen Tagen waren es noch 50000.) Das klingt viel und ist auch mehr als es schon einmal war, nachdem inzwischen 16 (sechzehn!) Nullen gestrichen wurden, aber es ist dennoch nicht mehr als gerade einmal drei US-Dollar (oder 30 N$).
Viel wichtiger als die Inflation ist den Menschen die Versorgung. Und die ist schlecht. Bezugsscheine für lebensnotwendige Güter wie im zweiten Weltkrieg in Deutschland gibt es nicht. Die Supermärkte in Harare sind nicht leer, aber das Angebot ist auf das Notwendigste beschränkt: Brot, Maismehl, Speiseöl, Zwiebeln, Salz, Zucker, Tomaten. Dabei ist alles sehr teuer. Für die aktuelle tägliche Barabhebung (soweit sich jemand dort täglich anstellen kann) gibt es drei Brote. Neuerdings sind Geschäfte erlaubt, die entweder auch oder ausschließlich gegen US-Dollar verkaufen. Eigenartiger- und sym-pathischerweise ist das Warenangebot dort aber auch nicht viel besser. Schlangen gibt es nur vor den Banken, vor den Geschäften mit ihrem mageren Angebot nicht. Die Auslagen der meisten Geschäfte erinnern an die DDR der 1970er und 1980er Jahre. Die Inhaber sind rührend bemüht, den Mangel durch geschicktes Drapieren des Weni-gen, des Verfügbaren zu kaschieren.
Die anderen wichtigen Mangelgüter sind Wasser - jawohl: Wasser -, Strom und Benzin. Das öffentliche Pumpensystem ist weitgehend ausgefallen, und regelmäßiges Wasser gibt es weder in den armen noch in den reichen Vierteln. Ein städtisches Vil-lengrundstück ohne eigenes Bohrloch ist heute unverkäuflich. Bei den Reichen kommt hin und wieder ein Tanklastzug einer kommerziellen Wasserfirma vorbei und verkauft Wasser en gros. Wer nicht gerade reich ist, hat es schwerer. Ich frage den Leiter der Autovermietung - er wie seine Mitarbeiter in tadellos weißem Oberhemd, frisch gebü-gelt: Wie machen Sie das bei der Wasserknappheit? Er erklärt: Jeder von uns schleppt jeden Abend mindestens zehn Liter Wasser nach Hause, die wir hier in der Stadt ir-gendwo abzapfen. Das kommt in die Bade- oder Duschwanne, wo unsere Reserve lagert. Und hin und wieder kommt ja auch Wasser aus dem Hahn. Es ist ähnlich mit dem Strom, nur ist der nicht ganz so selten, aber auch sehr unzuverlässig.
Benzin gibt es im Prinzip nur auf Bezugsschein - oder gegen US-Dollar (offiziell 1,10 US$ pro Liter), Rand werden auch genommen. Schlangen vor den Tankstellen sieht man hin und wieder, sie sind aber mit den Schlangen vor den Banken nicht zu verglei-chen. Manche Tankstelle ist geschlossen, aber es gibt überall welche, auch in kleineren Ortschaften. Und wenn man dort vorfährt und wirklich Pech hat, weil das Benzin gerade ausgegangen ist, dann taucht schnell jemand am Auto auf, der wiederum je-manden kennt, der privat noch ein paar Liter zu verkaufen hat (der Liter kann dann schon mal drei US-Dollar kosten). Dabei erfährt man dann, dass der Verkäufer vom wöchentlichen Verkauf von 30, 40 Litern seine fünfköpfige Familie schon einigermaßen durchbringen kann. Eine andere Arbeit hat er nicht. Ohne Beziehungen (und einen ordentlichen Preis) kommt er natürlich an das Benzin nicht heran. Ein kleines "Grund-stück am Fluss", das die Frau bearbeitet, bringt etwas Gemüse. Die Miete für das Ein-raum-Haus (plus Küchenanbau) beträgt 200 Rand pro Monat. Das ist die Rente der verwitweten Eigentümerin, Sim-Dollars nimmt sie nicht.
Ich muss gestehen, dass ich in dem einen Jahr in Namibia - auf dringendes Anraten wohlmeinender Freunde - noch nie einen Anhalter mitgenommen habe. In Simbabwe jedoch war das ganz anders. Während der tausend Kilometer, die ich dort gefahren bin, war ich selten alleine im Auto. Nie habe ich mich dabei auch nur eine Sekunde unwohl gefühlt. Im Gegenteil. Die meisten Begegnungen waren höchst anregend und lehrreich, die Menschen dankbar für die Beförderung. Ein Kleinbauer, der Verwandte besuchen wollte, hielt mir am Ende sogar das übliche Beförderungsentgelt hin (50000 Z$, d.h. ein Drittel eines Brotes). Die Polizeioffizierin saß kaum im Auto, da begann sie schon mit dem Politisieren: alles Mugabes Schuld, die Polizei steht auf der Seite Tsvangirais usw. Hat sie es vielleicht mir zuliebe so dargestellt? Besonders interessant war es mit den Studenten, zumal die Unterhaltung auch sprachlich einfacher war als mit manchen anderen Mitreisenden. Die Universität hätte vor drei Wochen wieder öffnen sollen, was aber nicht geschah. Kein Wasser (d.h. auch: keine Toiletten), kein regelmäßiger Strom und die Professoren streiken. Dabei wäre es für die Studis das letzte Semester gewesen, das ihnen den Abschluss gebrachte hätte. Mit dem IT-Diplom hätten sie auch im Ausland eine Chance gehabt. Haben sie schon mal gehungert? Nein, sie selbst nicht. Aber die Ernährung ist sehr teuer geworden und einseitig, besteht tagelang nur aus Millipap. Die allermeisten Bürger, v.a. auch die Kinder leiden mindestens an Fehl- und Mangelernährung, und das schon seit Jahren.
Jede/r Mitreisende - Nonne, Soldat, Bauersfrau, Geldhändler, Lehrer, Krankenschwes-ter - fügt dem langsam entstehenden Bild eine eigene Note und eine neue Information hinzu, und oft unaufgefordert. Seh'n Sie mal nach links. Was sehen Sie dort? Ich sehe ein großes Feld, umgepflügt, für die kommende Regenzeit gut vorbereitet. Ja, aber es ist das einzige hier weit und breit, die übrigen Felder liegen brach. Es ist der letzte weiße Farmer hier in der Gegend. Und was sehen Sie rechts? Rechts sehe ich eigentlich gar nichts, ziemlich verwildert alles. Ja, das war noch vor ein paar Jahren der schönste Anblick von der Straße aus, ein großer Golfplatz. Eine Anhalterin will nach Harare. Die 160 Kilometer macht sie, um an 20 Kilo Maismehl zu kommen. In ihrem Dorf ist nichts verfügbar, oder nur zu horrenden Preisen. Ein Mitreisender versucht mir zu erklären, wie bei ihm im Dorf die letzten Wahlen gefälscht wurden. Ein anderer zeigt auf eine hinter altem Baumbestand leicht versteckte großzügige Villa: jetzt das Haus eines ho-hen Politikers aus der Region, früher wohnte hier eine weiße Farmersfamilie. Die Kran-kenschwestern, gleich drei, erläutern mir, wie sie sich durchschlagen. Jede von ihnen muss einer Nebentätigkeit nachgehen, dem kommt das Schichtsystem im Kranken-haus entgegen.
Sehr aufschlussreich - und gleichzeitig bedrückend - war die Begegnung mit MDC-Parlamentariern, die wie ich im Ambassador-Hotel wohnten (70 US-Dollar, etwas schmuddelig), gegenüber dem Parlament gelegen (in der ehemaligen Second Street, jetzt Sam Nujoma Street). Sie waren zu einer dreitägigen Parlamentssitzung angereist. Zufällig saß ich bei ihnen am Frühstückstisch. Die anderen Hotelgäste wohl mehrheit-lich ZANU (PF). Die MDC-Leute flüsterten nur und schoben mir einen Zettel mit ihrer Zimmernummer rüber. Bis gleich dann auf unserem Zimmer.
Apropos Hotels. Viele private Hotels und Lodges sind anscheinend geschlossen, aber die staatlichen geöffnet - und weitgehend leer. Im Rhodes-Hotel (Nyanga-Park, 60 US-Dollar, gepflegte Parkanlage, ein paar Schaben im Zimmer) logierte neben mir noch ein Holz-Unternehmer. Außerdem die schon erwähnten Krankenschwestern, die dort an einem Seminar des Gesundheitsministeriums teilnahmen (moderne Verfahren des HIV-Tests). Jetzt ist ihre Rückfahrt nach Hause unsicher geworden. Die Busse des Ministeriums sind im Noteinsatz gegen die ausgebrochene Cholera. So nehme ich drei Krankenschwestern mit nach Mutare. Im Leopard's Rock Hotel (Bvumbe-Nationalpark, 90 US-Dollar, tolle Parkanlage, Handtücher nur auf besonderen Wunsch) mit bestimmt hundert Zimmern war ich abends alleine im Speisesaal. Am nächsten Morgen um halb fünf verstand ich dann, wodurch das Hotel überlebt: durch sein Casino. Unter Getöse und Gesang verließ eine fröhliche und nicht mehr ganz nüchterne Schar junger Zocke-rinnen und Zocker das Casino. Schicke Frauen, protzige Autos. Alles Diamanten-schmuggler, wie der Hotelportier meinte.
Ich habe es nicht bereut, den nüchternen Rat meiner Windhoeker Landlady und ihrer Freunde angenommen zu haben. Im Gegenteil, ich bin ihnen dankbar dafür (auch für die alten Reiseführer, die noch bestens informiert haben). Es war eine außerordentlich eindrucksvolle und aufschlussreiche Reise mit vielen schönen persönlichen Begeg-nungen. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, kann ich daher nur raten: Fahren Sie hin, jetzt!
Rigmar Osterkamp
(Center for International Migration, Frankfurt/M. und Hochschule für Politik, München)
Anders als in der großen deutschen Inflation der 1920er Jahre ist die (viel größere) Inflation in Simbabwe wenig sichtbar. Es gibt niemanden, der mit einer Schubkarre voller Geldscheine umherfährt. Im Gegenteil, Bargeld ist sehr knapp. Das ist die dortige Strategie zur Inflationsbekämpfung. Die Nachfrage muss eingeschränkt werden. Vor den Banken - vor jeder Bank, die ich gesehen habe - stehen permanent und rund um die Uhr, ich schätze mal, zwischen 100 und 500 Menschen in einer sehr geordneten Schlange (Doppelschlange, Dreierschlange, Viererschlange, mit und ohne Schlafsack) und kämpfen sich in stundenlangem Warten vor, bis sie an ihre täglich erlaubte Barab-hebung von derzeit 500000 Z$ kommen. (Der Betrag ist gerade erhöht worden, vor we-nigen Tagen waren es noch 50000.) Das klingt viel und ist auch mehr als es schon einmal war, nachdem inzwischen 16 (sechzehn!) Nullen gestrichen wurden, aber es ist dennoch nicht mehr als gerade einmal drei US-Dollar (oder 30 N$).
Viel wichtiger als die Inflation ist den Menschen die Versorgung. Und die ist schlecht. Bezugsscheine für lebensnotwendige Güter wie im zweiten Weltkrieg in Deutschland gibt es nicht. Die Supermärkte in Harare sind nicht leer, aber das Angebot ist auf das Notwendigste beschränkt: Brot, Maismehl, Speiseöl, Zwiebeln, Salz, Zucker, Tomaten. Dabei ist alles sehr teuer. Für die aktuelle tägliche Barabhebung (soweit sich jemand dort täglich anstellen kann) gibt es drei Brote. Neuerdings sind Geschäfte erlaubt, die entweder auch oder ausschließlich gegen US-Dollar verkaufen. Eigenartiger- und sym-pathischerweise ist das Warenangebot dort aber auch nicht viel besser. Schlangen gibt es nur vor den Banken, vor den Geschäften mit ihrem mageren Angebot nicht. Die Auslagen der meisten Geschäfte erinnern an die DDR der 1970er und 1980er Jahre. Die Inhaber sind rührend bemüht, den Mangel durch geschicktes Drapieren des Weni-gen, des Verfügbaren zu kaschieren.
Die anderen wichtigen Mangelgüter sind Wasser - jawohl: Wasser -, Strom und Benzin. Das öffentliche Pumpensystem ist weitgehend ausgefallen, und regelmäßiges Wasser gibt es weder in den armen noch in den reichen Vierteln. Ein städtisches Vil-lengrundstück ohne eigenes Bohrloch ist heute unverkäuflich. Bei den Reichen kommt hin und wieder ein Tanklastzug einer kommerziellen Wasserfirma vorbei und verkauft Wasser en gros. Wer nicht gerade reich ist, hat es schwerer. Ich frage den Leiter der Autovermietung - er wie seine Mitarbeiter in tadellos weißem Oberhemd, frisch gebü-gelt: Wie machen Sie das bei der Wasserknappheit? Er erklärt: Jeder von uns schleppt jeden Abend mindestens zehn Liter Wasser nach Hause, die wir hier in der Stadt ir-gendwo abzapfen. Das kommt in die Bade- oder Duschwanne, wo unsere Reserve lagert. Und hin und wieder kommt ja auch Wasser aus dem Hahn. Es ist ähnlich mit dem Strom, nur ist der nicht ganz so selten, aber auch sehr unzuverlässig.
Benzin gibt es im Prinzip nur auf Bezugsschein - oder gegen US-Dollar (offiziell 1,10 US$ pro Liter), Rand werden auch genommen. Schlangen vor den Tankstellen sieht man hin und wieder, sie sind aber mit den Schlangen vor den Banken nicht zu verglei-chen. Manche Tankstelle ist geschlossen, aber es gibt überall welche, auch in kleineren Ortschaften. Und wenn man dort vorfährt und wirklich Pech hat, weil das Benzin gerade ausgegangen ist, dann taucht schnell jemand am Auto auf, der wiederum je-manden kennt, der privat noch ein paar Liter zu verkaufen hat (der Liter kann dann schon mal drei US-Dollar kosten). Dabei erfährt man dann, dass der Verkäufer vom wöchentlichen Verkauf von 30, 40 Litern seine fünfköpfige Familie schon einigermaßen durchbringen kann. Eine andere Arbeit hat er nicht. Ohne Beziehungen (und einen ordentlichen Preis) kommt er natürlich an das Benzin nicht heran. Ein kleines "Grund-stück am Fluss", das die Frau bearbeitet, bringt etwas Gemüse. Die Miete für das Ein-raum-Haus (plus Küchenanbau) beträgt 200 Rand pro Monat. Das ist die Rente der verwitweten Eigentümerin, Sim-Dollars nimmt sie nicht.
Ich muss gestehen, dass ich in dem einen Jahr in Namibia - auf dringendes Anraten wohlmeinender Freunde - noch nie einen Anhalter mitgenommen habe. In Simbabwe jedoch war das ganz anders. Während der tausend Kilometer, die ich dort gefahren bin, war ich selten alleine im Auto. Nie habe ich mich dabei auch nur eine Sekunde unwohl gefühlt. Im Gegenteil. Die meisten Begegnungen waren höchst anregend und lehrreich, die Menschen dankbar für die Beförderung. Ein Kleinbauer, der Verwandte besuchen wollte, hielt mir am Ende sogar das übliche Beförderungsentgelt hin (50000 Z$, d.h. ein Drittel eines Brotes). Die Polizeioffizierin saß kaum im Auto, da begann sie schon mit dem Politisieren: alles Mugabes Schuld, die Polizei steht auf der Seite Tsvangirais usw. Hat sie es vielleicht mir zuliebe so dargestellt? Besonders interessant war es mit den Studenten, zumal die Unterhaltung auch sprachlich einfacher war als mit manchen anderen Mitreisenden. Die Universität hätte vor drei Wochen wieder öffnen sollen, was aber nicht geschah. Kein Wasser (d.h. auch: keine Toiletten), kein regelmäßiger Strom und die Professoren streiken. Dabei wäre es für die Studis das letzte Semester gewesen, das ihnen den Abschluss gebrachte hätte. Mit dem IT-Diplom hätten sie auch im Ausland eine Chance gehabt. Haben sie schon mal gehungert? Nein, sie selbst nicht. Aber die Ernährung ist sehr teuer geworden und einseitig, besteht tagelang nur aus Millipap. Die allermeisten Bürger, v.a. auch die Kinder leiden mindestens an Fehl- und Mangelernährung, und das schon seit Jahren.
Jede/r Mitreisende - Nonne, Soldat, Bauersfrau, Geldhändler, Lehrer, Krankenschwes-ter - fügt dem langsam entstehenden Bild eine eigene Note und eine neue Information hinzu, und oft unaufgefordert. Seh'n Sie mal nach links. Was sehen Sie dort? Ich sehe ein großes Feld, umgepflügt, für die kommende Regenzeit gut vorbereitet. Ja, aber es ist das einzige hier weit und breit, die übrigen Felder liegen brach. Es ist der letzte weiße Farmer hier in der Gegend. Und was sehen Sie rechts? Rechts sehe ich eigentlich gar nichts, ziemlich verwildert alles. Ja, das war noch vor ein paar Jahren der schönste Anblick von der Straße aus, ein großer Golfplatz. Eine Anhalterin will nach Harare. Die 160 Kilometer macht sie, um an 20 Kilo Maismehl zu kommen. In ihrem Dorf ist nichts verfügbar, oder nur zu horrenden Preisen. Ein Mitreisender versucht mir zu erklären, wie bei ihm im Dorf die letzten Wahlen gefälscht wurden. Ein anderer zeigt auf eine hinter altem Baumbestand leicht versteckte großzügige Villa: jetzt das Haus eines ho-hen Politikers aus der Region, früher wohnte hier eine weiße Farmersfamilie. Die Kran-kenschwestern, gleich drei, erläutern mir, wie sie sich durchschlagen. Jede von ihnen muss einer Nebentätigkeit nachgehen, dem kommt das Schichtsystem im Kranken-haus entgegen.
Sehr aufschlussreich - und gleichzeitig bedrückend - war die Begegnung mit MDC-Parlamentariern, die wie ich im Ambassador-Hotel wohnten (70 US-Dollar, etwas schmuddelig), gegenüber dem Parlament gelegen (in der ehemaligen Second Street, jetzt Sam Nujoma Street). Sie waren zu einer dreitägigen Parlamentssitzung angereist. Zufällig saß ich bei ihnen am Frühstückstisch. Die anderen Hotelgäste wohl mehrheit-lich ZANU (PF). Die MDC-Leute flüsterten nur und schoben mir einen Zettel mit ihrer Zimmernummer rüber. Bis gleich dann auf unserem Zimmer.
Apropos Hotels. Viele private Hotels und Lodges sind anscheinend geschlossen, aber die staatlichen geöffnet - und weitgehend leer. Im Rhodes-Hotel (Nyanga-Park, 60 US-Dollar, gepflegte Parkanlage, ein paar Schaben im Zimmer) logierte neben mir noch ein Holz-Unternehmer. Außerdem die schon erwähnten Krankenschwestern, die dort an einem Seminar des Gesundheitsministeriums teilnahmen (moderne Verfahren des HIV-Tests). Jetzt ist ihre Rückfahrt nach Hause unsicher geworden. Die Busse des Ministeriums sind im Noteinsatz gegen die ausgebrochene Cholera. So nehme ich drei Krankenschwestern mit nach Mutare. Im Leopard's Rock Hotel (Bvumbe-Nationalpark, 90 US-Dollar, tolle Parkanlage, Handtücher nur auf besonderen Wunsch) mit bestimmt hundert Zimmern war ich abends alleine im Speisesaal. Am nächsten Morgen um halb fünf verstand ich dann, wodurch das Hotel überlebt: durch sein Casino. Unter Getöse und Gesang verließ eine fröhliche und nicht mehr ganz nüchterne Schar junger Zocke-rinnen und Zocker das Casino. Schicke Frauen, protzige Autos. Alles Diamanten-schmuggler, wie der Hotelportier meinte.
Ich habe es nicht bereut, den nüchternen Rat meiner Windhoeker Landlady und ihrer Freunde angenommen zu haben. Im Gegenteil, ich bin ihnen dankbar dafür (auch für die alten Reiseführer, die noch bestens informiert haben). Es war eine außerordentlich eindrucksvolle und aufschlussreiche Reise mit vielen schönen persönlichen Begeg-nungen. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, kann ich daher nur raten: Fahren Sie hin, jetzt!
Rigmar Osterkamp
(Center for International Migration, Frankfurt/M. und Hochschule für Politik, München)
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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