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Altpastor Peter Pauly hat Epochen überspannt

Katharina Moser
Verschmitzt, mit treffsicherem Kommentar und Zitat, mit schier unergründlicher Erinnerung an Begebenheiten, hat Altpastor Peter Pauly seine Gesprächspartner unterhalten, erstaunt und erheitert. Über Begebenheiten, die sich Jahrzehnte vor den Erfahrungen seiner stets jüngeren Zuhörer zugetragen haben. Es konnte auch ein Hinweis auf einen Passus in den Evangelien sein, den er für einen problemgeplagten Gesprächspartner für passend hielt.

Der Bogen seines Lebens hat sich weit über Epochen, Regimes und zwei Kontinente gespannt: von seiner Geburtsstadt Breslau im Jahr 1917 über Berlin, durch die Kadettenanstalt von Potsdam nach Tanganjika (heute Tansania), Kriegsinternierung unter den Briten im damaligen Rhodesien (Simbabwe), dann Repatriierung und Rückkehr ins besetzte, zerschlagene Nachkriegsdeutschland und auf Anregung von Kameraden im südafrikanischen Internierungslager sodann Auswanderung nach Südwestafrika. Da hat er schließlich den Übergang ins neue Namibia nicht nur als Zeitzeuge miterlebt, sondern in der Konfliktzone des Ovambolandes vermittelnd einzugreifen verstanden. Bei seinem Tod am 16. Juli 2021 hat er seine Frau, fünf Kinder, zwölf Enkel und 15 Urenkel hinterlassen.

Biographie schon erschienen

2014 hat der Theologe Nils Ole Ermann, der Pauly im Archiv der ELCRN (Evangelical Lutheran Churdch in the Republic of Namibia) kennengelernt hatte, unter dem Titel „Der Weiße Ovambo“ (Herder-Verlag 2014) eine aufschlussreiche Biographie herausgegeben. Zuvor, am 16. Februar 2010, steckte der damalige deutsche Botschafter, Egon Kochanke, in Windhoek Pauly das Bundesverdienstkreuz am Bande an den Revers, das Bundespräsident Horst Köhler ihm verliehen hatte. Auch da stand der schicksalhafte Lebensweg von Pauly im Mittelpunkt. Koochanke an Pauly: „Sie waren Vater, Onkel, Ziehvater, Mentor, Freund und Pastor.“

Pauly, Sohn eines Schafzuchtdirektors, hat zuerst eine Dorfschule und dann das humansitische Gymnasium in Hirschberg besucht. Ursprünglich sollte er Berufsoffizier werden und kam somit an die NAPOLA (Nationalsozialistische Erziehungsanstalt) in Potsdam, eine Eliteschule für den Führer, wie es hieß. Im rassistischen Wahn der Zeit sollte Pauly ein Formular unterschreiben, um zu bezeugen, dass er „rein arischer Abkunft“ sei. Kochanke berichtete, dass Pauly sich weigerte, das Formular zu unterschreiben, „weil er aus einer preußischen Schule stammte, wo es zählte, dass ein deutscher Junge nicht lügt“, denn mütterlicherseits gehörten Vorfahren zum mosaischen Glauben.

Jüdische und deutsche Herkunft unerwünscht

Pauly selbst hat von verständnisvollen Lehrern gesprochen, die ihm seine Abstammung nicht zum Verhängnis machen wollten, ihm jedoch rieten, die Schule lieber zu verlassen. Er absolvierte danach eine Landwirtschaftslehre in Mecklenburg und wanderte 1937 mit 20 Jahren ins britische Mandatsgebiet Tanganjika aus, wo seine jüdische Abstammung keine Gefahr mehr darstellte. Er arbeite zunächst auf einer Kaffee- und später auf einer Teeplantage. Er machte sich mit der Umgangssprache Kisuaheli vertraut. Derweil seine „nicht-arische“ Herkunft in NS-Deutschland eine Bedrohung war, wurde ihm beim Ausbruch des 2. Weltkriegs unter der britischen Herrschaft Tanganjikas nun wiederum seine deutsche Herkunft zum Verhängnis. Zusammen mit Hunderten von Deutschen wurde er in verschiedenen Lagern erst in Rhodesien, dann in Südafrika interniert.

Unter den Internierten traf er etliche Theologen an, darunter Pastor Otto Milk, später evangelischer Landesprobst in Südwestafrika. Imn Lager gab es politische Differenzen. Pauly ließ sich von keiner Seite vereinnahmen, beteiligte sich aber an „relevanten nächtlichen Gesprächen“ mit den Theologen, woraus später seine Berufung zum Prediger hervorging. 1975 wurde er als Pastor ordiniert, in einer Krisenzeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche /DELK in Südwestafrika, als aus Deutschland entsandte Pastoren vorzeitig wieder abwanderten. Mitg zwei weiteren lokalen „Hilfspastoren“, Marais und Von Finckenstein, bediente Pauly Landesgemeinden. Pauly war ebenso in der ELCRN im Raum Lüderitzbucht engagiert, der Nachfolgekirche der Rheinischen Mission, sowie in der ELCIN (Evangelical Lutheran Church in Namibia) im Ovamboland, der Nachfolgekirche der finnisch-lutherischen Mission.



Nach seiner Kriegsinternierung in Südafrika wurde Pauly zunächst nach Deutschland „repatriiert“. In den Lagern hatte er Südwester/Namibier kennengelernt, die ihm noch während der Gefangenschaft anrieten, nach Kriegsende in das besondere Land Süwestafrika auszuwandern. Im besetzten Deutschland agierte Pauly für die Amerikaner zunächst als Dolmetscher und folgte dann jedoch dem Lockruf seiner Südwester Kamp-Kameraden in die Auswanderung. In Südwestafrika ging er wieder der Landwirtschaft nach, u. A. in der Farm- und Dairy-Abteilung der Kupfermine Tsumeb (TCL: Tsumeb Corporation Ltd.). Er heiratete in eine Südwester Farmerfamilie ein.

Brückenschlag zwischen den Fronten

Zum Zeitpunkt des Übergangs von der südafrikanischen Verwaltung zum souveränen Namibia war Pauly hauptsächlich bei der ELCIN im hoch-militarisierten, politisch gespalteten Ovamboland engagiert. Die ELCIN-Geistlichen waren generell mit der Swapo liiert. In den letzten konfliktreichen Jahren des blutigen Buschkriegs und Unabhängigkeitskampfes Namibias hat Pauly mehrfach die Vermittlerrolle zwischen südafrikanischen Offizieren und Führern der Swapo, bewaffnet und unbewaffnet, übernommen, um Konfrontation zu entschärfen. Die Atmosphäre war durch Feindbilder und tiefes gegensseitiges Misstrauen belastet. Als die sogenannten Ossi-Kinder – ca 400 schwarze Kinder aus Swapo-Lagern in Angola waren an die zehn Jahre in DDR-Pensionaten untergebracht und an Schulen entsandt – nach dem Fall der Berliner Mauer nach Namibia eingeflogen wurden, hat Pauly sich als „Ziehvater“ an der Betreuung etlicher „GDR-Kids“ beteiligt.

Nach seiner Pensionierung betreute er etliche Jahre die Archive der ELCRN/Rheinischen Mission und der deutschsprachigen Evangel. Luth. Kirche in Namibia. In dieser Zeit wurde Pauly mitunter als „Fremdenführer für Ovamboland“ angeheuert, wenn interessierte Mitbürger von südlich der Etoscha-Pfanne eine kulturelle Erkundung des Nordens erfahren wollten, um zu versuchen, die heute noch tief verwurzelte Mentalitätsgrenze zwischen den Nordregionen und dem Land südlich der Roten Linie zu überwinden. Kaum ein anderer Tour Guide konnte durch direkte Begegnung mit der Lokalbevölkerung in Ovamboland die Landes- und Menschenkunde Namibias erweitern wie Peter Pauly. Seine Kenntnis und Anwendung der Umgangssprache Oshivambo des zentralen Nordens sowie sein beachtlicher Bekanntheitsgrad als ehemaliger Geistlicher in dem Raum haben die Türen von Instanzen, ob Kirche oder Verwaltung, einladend geöffnet und haben den Einstieg zu einem zwanglosen Umtrunk in einer Shebeen, einem Cuca Shop ebenso spielend hergestellt. Hinzu kam der traditionelle Respekt vor Senioren in der ländlichen Gemeinschaft. In seinen letzten Jahren sprach er in leichter Selbstironie von sich selbst als PPPP – Past Pastor Peter Pauly.

Sollte das Buch über Südwester Originale von Lisa Kuntze je wieder aufgelegt werden, darf ein Profil Paulys darin nicht fehlen. Als er in den späten Jahren bei einem Gottesdienst während der Predigt einnickte und von seinem Begleiter hernach daran erinnert wurde, dass er den größten Teil der Verkündigung verschlafen habe, kam seine joviale Antwort: „Kirchenschlaf ist der Beste.“ Eberhard Hofmann

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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