Angloplat: Ein Desaster der Platinminen
Während des Rohstoff-Superzyklus von 2006 bis 2008 war der weltweit größte Platinförderer quasi eine Gelddruckmaschine und schüttete angesichts eines Platinpreises von bis zu 2200 US-Dollar pro Unze üppige Dividenden aus. Doch die zunächst so günstigen Aussichten verleiteten das Management zur Sorglosigkeit – und machten den Konzern und die Konkurrenz satt und behäbig.
Nach einer leichten Erholung in den Jahren 2010 und 2011, als die Autobauer noch einmal kräftig Platin für Autokatalysatoren orderten, ging es für Südafrikas Platinindustrie und auch Marktführer Angloplat steil bergab. Das vergangene Jahr werden die Förderer vom Kap so schnell nicht vergessen. Was schiefgehen konnte, ging schief: Die Autoindustrie begann zu schwächeln und mit ihr der Preis des weißen Edelmetalls, der um fast 30 Prozent einbrach. Gleichzeitig liefen dem Unternehmen die Kosten für Löhne und Strom immer weiter aus dem Ruder. Zwischen 2008 und 2012 stiegen sie Jahr für Jahr im Schnitt um 18 Prozent – und drückten Angloplat tief in die roten Zahlen. 2012 meldete das Unternehmen dann sogar einen Betriebsverlust von umgerechnet rund 600 Millionen Euro. Seitdem kämpft die neue Führung um Chris Griffith verzweifelt um eine Wende.
Vor allem aber erschütterte 2012 eine Reihe gewalttätiger Streiks die Branche. Allein Angloplat verlor im vergangenen Jahr mit über 300000 Unzen rund 15 Prozent seiner gesamten Produktion und geriet dadurch finanziell immer mehr in die Bredouille. Trotz einer Kapitalerhöhung sind seine Schulden auf über eine Milliarde Euro gestiegen.
Um der Abwärtsspirale zu entrinnen, zogen die Mutter Anglo American und der neue Konzernchef Chris Griffith zu Jahresbeginn schließlich die Notbremse und kündigten massive Kosteneinsparungen an. Statt der einst in Aussicht gestellten Ausweitung der Produktion auf 3,5 Millionen Unzen sollte die inzwischen auf nur noch 2,2 Millionen Unzen gefallene Förderung um weitere 20 Prozent reduziert werden. Dazu wollte das Management gleich mehrere unprofitable Schächte schließen. Besondere Empörung löste bei den Gewerkschaften sowie der südafrikanischen Regierung jedoch das Vorhaben von Angloplat aus, im Rahmen der Sparmaßnahmen bis zu 14000 Jobs zu streichen – rund ein Viertel der gesamten Belegschaft. Bergbauministerin Susan Shabangu geißelte das Unternehmen öffentlich „verantwortungslos“ und nannte das Management „unartige Kinder“. Auch dachte sie laut darüber nach, Angloplat einen Teil seiner Minenrechte zu entziehen, was wiederum die Anleger tief verunsicherte.
Statt der eigentlich geplanten 14000 Arbeiter will Angloplat nun 6000 Kumpel entlassen – und auch nicht alle unprofitablen Schächte schließen. Dadurch dürfte die Produktion in diesem Jahr auch nicht wie allgemein erwartet um 400000 Unzen, sondern zunächst nur um 250000 Unzen sinken.
Analysten wie Justin Froneman und Setendra Naidoo sprachen ganz offen von einer „Kapitulation“ des Unternehmens vor dem Diktat der Politik. Dies ließe Schlimmes für den Rest der Branche erahnen, für die Angloplat als Schwergewicht ein Seismograph ist. Peter Major von Cadiz Corporate Solutions sprach von einem „Präzedenzfall“, der die Misere des Minensektors verschärfen könnte. „Es zeigt den anderen, wie schwer es in Südafrika dieser Tage ist, das zu tun, was jetzt eigentlich getan werden müsste.
Als Reaktion auf die teilweise Rücknahme der Sparmaßnahmen purzelten die Kurse vieler Platinförderer zuletzt auf die tiefsten Stände in mehr als sechs Jahren, auch wenn Griffith nichts von einem Einknicken vor der Regierung wissen wollte. Allerdings scheint er mit den Konzessionen weder bei Anlegern noch Gewerkschaften auf Wohlwollen zu stoßen: Während viele Investoren nun offenbar den Glauben an eine Wende zum Besseren verloren haben und aussteigen, drohen die Gewerkschaften bereits mit massiven Streiks, weil ihnen die Zugeständnisse völlig unzureichend erscheinen. Dass die Platinindustrie am Kap längst ums nackte Überleben kämpft, hält sie dabei nicht zurück, was auch daran liegt, dass das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern am Kap völlig zerrüttet ist. In einer Studie des Schweizer Weltwirtschaftsforums landete Südafrika in puncto Arbeitsbeziehungen unter 144 Ländern auf dem letzten Platz.
Besorgniserregend ist, dass im nächsten Monat die neuen Lohnverhandlungen beginnen. Erschwert wir die Lage dabei noch dadurch, dass die zwei großen Gewerkschaften der Minenarbeiter in blutige Machtkämpfe untereinander verstrickt sind, was daran liegt, dass sich beide mit Maximalforderungen bei ihren Mitgliedern profilieren wollen.
Sollte es zu einem ähnlich unbesonnenen Kräftemessen wie im vergangenen Jahr kommen, als die Gewerkschaften die Unternehmen erpressten und am Ende mit Lohnerhöhungen von über 20 Prozent auf ganzer Linie gewannen, droht der Branche ein Desaster und womöglich der Kollaps. Viel Zeit, die Spirale aus Gewalt, hohen Kosten und einer anhaltend schwachen Nachfrage zu durchbrechen, bleibt nicht. Denn beim gegenwärtigen Platinpreis von 1500 US-Dollar pro Unze arbeiten sieben von zehn Platinminen am Kap mit Verlust.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen