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Anschlag auf das "Kuwait von Afrika"

Schlimmer hätte es für Angola nicht kommen können. Ausgerechnet der Afrika-Cup, der dem ölreichen Staat als Aushängeschild für die in den letzten sechs Jahren gemachten Fortschritte dienen sollte, hat einen dunklen Schatten auf das Wirtschaftswunderland geworfen. Über zwei Mrd. Euro hatte Angola zuvor in seine marode Infrastruktur gepumpt, um dem größten Sportereignis in seiner Geschichte einen würdigen Rahmen zu verleihen. Doch nun hat der blutige Anschlag auf das togolesische Fußballteam das Gastgeberland gleich zu Turnierbeginn in eine tiefe Krise gestürzt.

Für Angola ist das Attentat in seiner Ölenklave Cabinda ein herber Rückschlag. Erst vor acht Jahren ging in der früheren portugiesischen Kolonie ein langer und blutiger Bürgerkrieg zu Ende, der dort seit der Unabhängigkeit 1975 fast ohne Unterbrechung getobt hatte. In den letzten sechs Jahren ist Angola nach gewaltigen Ölfunden vor der Küste und fast durchweg zweistelligen Wachstumsraten zu einem der wenigen Boomländer in Afrika geworden - und hinter Südafrika und Nigeria inzwischen die drittgrößte Volkswirtschaft südlich der Sahara. Doch nach dem Anschlag der angolanischen Separatistengruppe FLEC auf den Mannschaftsbus aus Togo, bei dem am Wochenende drei Menschen starben, wird klar, dass Angola auch ohne die rund acht Millionen Landminen, die noch in seinem Boden liegen, ein gefährliches Terrain bleibt.

Die Bluttat ereignete sich dabei in der vom Kernland abgetrennten Öl-Provinz Cabinda an der Atlantikküste, die unter Experten als "Kuwait von Afrika" gilt. 1968 nahm der US-Konzern Chevron hier die Förderung auf. Vor der Küste der Provinz werden täglich rund eine Million Barrel Öl gefördert - 60% der gesamten Produktion Angolas, die rund 90% zu den Exporteinnahmen des Landes beiträgt.

Zwar ist Cabinda mit seinen knapp 300000 Einwohnern seit langem als Unruheherd bekannt, doch war es mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags 2006 nur noch sehr vereinzelt zu Angriffen der dort aktiven Guerillagruppe gekommen, deren knapp 2000 Mitglieder für die Unabhängigkeit kämpfen. Ein anderer Grund dürfte sein, dass Angola hier einen Großteil seiner schlagkräftigen Armee zum Schutz der lebenswichtigen Ölquellen stationiert hat. Derzeit befinden sich nach Expertenangaben rund 50000 Soldaten permanent in Cabinda. Seit dem Anschlag sollen es sogar fast 70000 sein, womit ein Soldat auf rund vier Bewohner käme. Doch der jüngste Angriff zeigt auch, dass die Behauptung des Regimes, die Rebellengruppe FLEC völlig zerschlagen zu haben, nicht zutrifft.

Die Separatisten begründen ihren Widerstand mit der jahrelangen Vernachlässigung der Region durch die Machthaber in Luanda. Nur etwa zehn Prozent der Öleinnahmen verbleiben in der Region. Das Gleiche gilt auch für die übergroße Mehrheit der rund 13 Mio. Angolaner. So liegt das Pro-Kopf-Einkommen des Landes laut Weltbank trotz des Ölreichtums heute niedriger als 1960. Seit der Unabhängigkeit vor 35 Jahren hat das Land ein System etabliert, das allein der Elite unter dem seit 30 Jahren herrschenden Staatschef Eduardo dos Santos zugute kommt, auch wenn zuletzt etwas mehr Geld als zuvor nach unten durchgesickert ist.

Die seit der Unabhängigkeit allein regierende MPLA, damals eine stalinistische Partei, hat trotz der Einführung des Mehrparteiensystems 1991 an ihrem alleinigen Machtanspruch und autoritären Gebaren wenig geändert. "Wer sich gegen die Geschäftsmafia um das Regime und Präsident dos Santos zur Wehr setzt, braucht nicht mit der fairen Beilegung eines Disputs zu rechnen", warnt der Afrika-Experte Peter Fabricius. Seit Jahren kontrollieren der Präsident, der zu den reichsten Männern Afrikas gehört, und eine Gruppe von Generälen die einträglichsten Wirtschaftszweige: von der staatlichen Erdölgesellschaft Sonangol über die Diamantminen bis hin zu Transportgesellschaften und Bäckereien. Wirklich unabhängige Gerichte gibt es nicht. Außer vielleicht in der Hauptstadt Luanda bekennt sich deshalb auch kaum jemand offen zur Opposition.

Die Misswirtschaft und die extreme Intransparenz haben eine lange Geschichte: Schon in den 1990er-Jahren erhielten Angolas Machthaber ausländische Kredite fast ausschließlich gegen das Verpfänden künftiger Öllieferungen. Zwischen 1995 und 2004 nahm der Staat auf diese Weise mehr als acht Milliarden US-Dollar auf. Gleichzeitig gab diese Praxis dem korrupten Regime viel Spielraum zur Selbstbereicherung, da die Gelder leicht an der Staatskasse vorbeigeschleust werden konnten.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert seit langem die extreme Geheimniskrämerei insbesondere bei den Erdöleinnahmen. Umso mehr überrascht, dass Angola gerade eine vorläufige Übereinkunft mit dem Fonds über einen Kredit in Höhe von 890 Mio. US$ erzielt hat. Mit dem Geld soll der Druck auf den Etat gemildert werden, der unter dem Niedergang des Ölpreises leidet. Im Gegenzug hat Angola, das seit 2007 als zwölftes Mitglied zum Ölkartell OPEC gehört, einen Sparhaushalt und eine strikte Geldpolitik versprochen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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