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"Apartheid-Firmen" im Visier

Kapstadt - Zum wiederholten Mal hat der umstrittene US-Anwalt Ed Fagan zur Schlacht gegen eine Reihe von Banken und Industriekonzernen geblasen. Nach seiner erfolgreichen Holocaust-Klage gegen Schweizer Bankiers soll es nun einer Reihe deutscher Banken und Unternehmen an den Kragen gehen. Fagan will sie wegen ihrer geschäftlichen Beziehung zu Südafrika unter der Apartheid zu einer milliardenschweren Entschädigungszahlung zwingen.

Fagan und der US-Staranwalt Michael Hausfeld wollen die Konzerne offenbar in zwei unterschiedlichen Sammelklagen für das Einzelschicksal von Schwarzen unter der Apartheid verantwortlich machen. Dabei bedienen sich beide in weiten Teilen den Aussagen der Anti-Apartheid-Bewegung aus den achtziger Jahren. Diese hatte den in Südafrika tätigen Firmen, insbesondere den Banken, damals wiederholt vorgeworfen, das Apartheidregime mit Krediten an der Macht zu halten - und damit für dessen Menschenrechtsverstöße mitverantwortlich zu sein. Angeblich wollen die beiden US-Anwälte aber auch Siemens und DaimlerChrysler bezichtigen, die südafrikanische Polizei und Armee beliefert zu haben.


Allerdings dürfte es schwierig werden, einen direkten Zusammenhang zwischen den Geschäften deutscher Unternehmen und konkreten Verbrechen der weißen Minderheitsregierung an schwarzen Südafrikanern nachzuweisen. Unmöglich ist dies jedoch nicht "Falls die Banken Südafrika Gelder mit der Auflage gewährt hätten, dafür Waren aus Deutschland und der Schweiz anzuschaffen, hätten sie Einblick in einzelne Geschäfte der südafrikanischen Regierung haben können - und eine Klage wäre dann nicht gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg", erklärt Ivo Schwander, Professor für internationales Privatrecht an der Universität St. Gallen. Sollten die Banken zum Beispiel gewusst haben, dass ihr Geld für südafrikanische Geschäfte mit Waffenhändlern eingesetzt wurde, hätten sie gegen die Menschenrechte und auch gegen das Waffenembargo verstoßen. Sollte dies hingegen nicht der Fall sein, bräuchten die Banken wenig befürchten und sollten offensiv agieren, so Schwander.


Wissenschaftlich ist das Argument der Anwälte ohnehin umstritten Die bereits frühzeitig erreichte wirtschaftliche Autarkie Südafrikas und seine Rolle als Produzent wichtiger Grund- und Edelmetalle deutet nach Meinung einer Reihe von Autoren darauf hin, dass der Apartheidstaat eine Kreditsperre durch die Banken überlebt hätte.


Im sozialen Bereich wird es noch schwerer werden, den Firmen gröbere Verstöße nachzuweisen. Spätestens zur Mitte der achtziger Jahre waren nämlich praktisch alle deutsche Konzerne am Kap um gute Arbeitsbedingungen bemüht und sozial oft über das sonst übliche Maß hinaus engagiert. Volkswagen war zum Beispiel das erste Unternehmen in Südafrika, das Betriebsräte akzeptierte. Andere deutsche Firmen zogen nach. Auch die ersten schwarzen Kfz-Mechaniker am Kap erwarben ihr Zertifikat bei den Wolfsburgern.


Daneben erfüllte das Unternehmen, wie auch die Konkurrenz von BMW und DaimlerChrysler (damals noch Mercedes Benz), bereits frühzeitig einen von der deutschen IG Metall präsentierten Katalog von Mindeststandards und wurde damit zum Vorreiter einer liberaleren Arbeitspraxis am Kap. Einige begannen in den Achtzigerjahren Schulen und Sportstätten zu finanzieren. Dass es trotzdem immer wieder zu Streiks kam, lag weniger an den Arbeitsbedingungen als vielmehr daran, dass die Gewerkschaften wegen des Verbots schwarzer Parteien zur internen Speerspitze des Widerstands gegen das Apartheidregime wurden.


Auch die informelle Apartheid wurde in fast allen größeren Unternehmen frühzeizig abgeschafft. Schwarze und weiße Arbeitnehmer teilten gemeinsame Umkleideräume und Toiletten. Auch galt der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Obwohl auf den unteren Ebenen bereits Anfang der Achtzigerjahre Besserungen feststellbar waren, bleiben die Aufstiegsmöglichkeiten für Schwarze ins Management lange Zeit noch begrenzt.


Auf der anderen Seite hielten sich deutsche Firmen politisch stets weit stärker zurück als es vielleicht nötig gewesen wäre. Nur der VW und BMW-Chef unterzeichneten zum Beispiel 1985 einen Aufruf prominenter Wirtschaftsführer, die auf eine Veränderung des Systems drängten. Zudem setzten sich deutschen Firmen dem Vorwurf aus, nur ein Mindestmaß an Solidarität mit den Schwarzen zu üben, weil sie den häufig willkürlich verhafteten gewerkschaftlichen Vertrauensleuten während ihrer Haftzeit oft nur die Hälfte des Gehalts zahlten.


Angesichts der eher dünnen Beweislage hat es Fagan nach Expertenangaben vermutlich auch gar nicht auf einen Sieg vor Gericht abgesehen. Er baut vielmehr darauf, dass die deutschen Konzerne mit zunehmender Prozessdauer öffentlich immer stärker unter Druck geraten und wegen des damit womöglich damit verbundenen Imageschadens eine außergerichtliche Einigung anstreben.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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