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Armands Leben für den Stein
Armands Leben für den Stein

Armands Leben für den Stein

Von den Mauern des einst herrschaftlichen Wohnhauses in der Frachtstraße in Karibib blättert die Farbe. Taubenmist bedeckt die Veranda und im Oberstock hängt der eine oder andere Balken herunter. Das 1907 im Kolonialstil erbaute Haus sieht verfallen und unbewohnt aus. Doch hin und wieder klingt ein dumpfes und dann mal ein helleres Klopfen aus dem Nebengebäude am anderen Ende des Hofes. "Armand Bräutigam - Bildhauer, Sculptor" steht dort in großen Lettern über dem Garagentor. Drinnen ist die Wirkungsstätte des wahrscheinlich einzigen handwerklich ausgebildeten Steinbildhauers in Namibia.

Armand Bräutigam fertigt Grabsteine und Küchenplatten, verlegt Fliesen aus Marmor und Granit. Das ist sein Geschäft. Wenn er Glück hat, dann fragt jemand nach etwas Kreativerem, nach Mosaikböden etwa. Doch es gibt auch diese anderen Aufträge: Einen weißen Engel aus Marmor zum Beispiel. Oder das Abbild vom verstorbenen Waldi. Der soll von seinem Grabstein aus mit genauso treuen Dackelaugen zu seinem Frauchen aufschauen wie er es zu Lebzeiten getan hat. Einmal wollte auch jemand einen Bronze-Engel als Kühlerfigur für seinen Mercedes. "Über die Engel streite ich mich immer mit meinen Kunden", sagt der zwei Meter lange Bildhauer und lacht. "Für mich sind Engel weiblich und deshalb müssen sie einen Busen haben."

Wenn es nach Armand Bräutigam geht, dann tragen aber auch Gartenzwerge Pumps, Spitzendessous und Strapse. Solche kleinen fetten Dragqueens hatte er noch während seiner Ausbildungszeit in Deutschland angefertigt. Um den Meister zu ärgern. Denn der hatte seine Bildhauer-Lehrlinge gleich zu Anfang gewarnt: "Wir machen hier aber keine Gartenzwerge!" Bräutigams frisch rasierte Wichte in Frauenklamotten entpuppten sich zum Verkaufsrenner - für Kunden, die ihren Gartenzwerg-Nachbarn eins auswischen wollten.

Auf die tuntigen Wichtelmännchen folgte dann, sehr viel später und schon in Namibia, die Serie der "fat men". Dicke kleine nackte Männer aus blendend weißem Marmor. Der eine saß auf der Balustrade der Veranda in Karibib, er lehnte sich vor, als wolle er hinunterspringen, und war doch so schwer, aus Stein, dass er nur mit Mühe vom Fleck bewegt werden konnte. "So habe ich mich damals gefühlt, nach der Scheidung", erzählt der Vater von drei Kindern. "Dick und schwer." Aber dann wurden die kleinen fat men zu einer Art befreiendem Schaffensprozess. Einen gab es, der konnte fliegen, ein anderer tanzte so leicht und anmutig wie eine Ballerina. Heute sind alle sechs fat men im Besitz privater Kunstsammler, sieben weitere, bisher nur auf Papier oder im Geiste entworfen, machen die Serie von 13 komplett.

Allein "für den Stein" sei er nach Namibia gekommen, erzählt der in Erlangen gebürtige und in Nürnberg aufgewachsene Bundesdeutsche. Sein Interesse zum Material habe er bei seiner Facharbeit im Abitur entdeckt. Also ging er in die Bildhauerlehre. Danach zog es ihn nach Uganda, dort wurde in einem Steinwerk Schotter abgebaut. Zurück in Deutschland legte Bräutigam, Jahrgang 1959, die Meisterprüfung ab und lernte seine zukünftige Frau kennen. Sie wollte nicht nach Uganda, aber für ihn stand fest: In Deutschland bleiben ist auch keine Option. Dann erzählte ein Kollege von einem Marmorwerk in Namibia. Drei Monate später war Bräutigam Produktionsleiter der Karibiber Marmorwerke. Er war in der Verarbeitung tätig - Fliesen, Grabsteine, Platten für Küchen und Badezimmer. Nach viereinhalb Jahren in dem großen Betrieb habe ihn die Lust verlassen, erzählt der bezopfte blonde Künstler. 60 Leute unter seiner Aufsicht, von denen die meisten keine Beziehung zum Produkt hätten. "Denen ist egal, ob sie Coca Cola verkaufen oder Fische putzen", sagt Bräutigam. Dabei gehe es doch um die Verarbeitung eines wertvollen Materials, das teils über eine Million Jahre alt ist.

Respekt hat er vor dem Rohmaterial, sagt der Bildhauer, und jeder Stein hat seinen eigenen Reiz, findet er. Aber mancher Stein ärgert ihn, weil er ihm "so viele Schwierigkeiten macht". Der Karibiber Marmor ist härter als der berühmte Carara-Marmor aus Italien, und er hat Einschlüsse und Beimischungen, die die Bearbeitung verkomplizieren. Jedes Stück will zuerst eingehend betrachtet und geprüft werden, bevor es beschnitten oder behauen wird. Bei Auftragsarbeiten bestellt der Bildhauer gleich das passende Stück, aber bei der freien künstlerischen Arbeit gibt die Rohform oft vor, was aus ihr werden soll. Viel Geduld gehört dazu, sagt Bräutigam, und die Zeit zum Betrachten und Überlegen und Abwägen müsse man sich lassen.

Was schief gehen kann? "Bei mir zum Glück nicht mehr viel", lacht er. Bräutigam hat Denkmäler wie die Büste von Hans-Joachim Berker, des ersten Oberrichters im unabhängigen Namibia, angefertigt. Sie steht heute in der Eingangshalle des Obergerichtes in Windhoek. Er hat den Gouverneur von Natal in Stein verewigt und in seinem Wohnzimmer wartet ein Tonmodell von Namibias erstem Präsidenten darauf, in Marmor gehauen zu werden. Das bekannte breite Lächeln zieht sich über dieses Antlitz des Vaters der Nation, breiter noch als gewohnt, ja die Büste ist fast nur Zähne entblößendes und Lippen aufstülpendes Lachen. "Stein ist nicht heilig", findet der Bildhauer. "Eine witzige Figur finde ich immer noch besser als Stein für ein Gebäude zu verschwenden, das nur fünf Jahre stehen soll."

Und doch sind es mehr und mehr Bauarbeiten, mit denen sich der Künstler sein täglich Brot verdient. Gefragt sind originelle Designs mit Fels- und Naturstein, Marmor-Mosaike auf Böden und an Wänden, Tische und Bänke aus Granit. Das von außen so unbewohnt wirkende Kolonialstilhaus von Armand Bräutigam kann als Schaustück für die Steinarbeiten dienen, die stilvolles Wohnen ausmachen. Fast alles ist hier aus Stein. Die Regalbretter aus schwerem Eisenbahnschwellen-Holz liegen auf Marmorblöcken. Der Wohnzimmertisch ist eine rund geschliffene Granitplatte, der Aschenbecher eine außen roh belassene Halbkugel, die innen schwarz und glatt leuchtet. Um den mit hellen Steinplatten verkleideten Kamin herum rankt sich ein schwarz-weißes Marmormosaik, hier und da mit gebrochenen Spiegelstückchen besetzt. Als Schmuckstück auf dem Kaminsims: eine bräunliche Marmorplatte, in deren Maserung sich Gesichter und seltsame Fabelwesen erkennen lassen. Die Platte habe er einer Freundin zum Pizzabacken geschenkt, erzählt Bräutigam. Sie brachte sie zurück, denn im Pizzaofen hatte das Stück Stein plötzlich neues Leben bekommen, die Ofenhitze hatte wie absichtlich gezeichnete Bilder entstehen lassen.

Wenn ihm zwischen den Bildhauer- und Bauaufträgen eine Pause gegönnt ist, dann werkelt Bräutigam am eigenen Heim. An die Westseite des ehrwürdigen alten Hauses schmiegt sich ein phantasievoll designter Pavillon an. Das runde Häuschen ist aus alten Flaschen hergestellt. Das durch Altglas gefilterte Sonnenlicht zaubert bunte Muster im Innenraum, außen schließen sich hüfthohe Mauern mit Sitzbänken in der Form eines Drachens an. Drachen seien seine Lieblingswesen, sagt Bräutigam, und zeigt auf das Hoftor im Norden: Dort hüten die eisernen Silhouetten zweier Fabelwesen den Eingang zu seinem Domizil.

Rund zehn Tausend Bierflaschen hat der Bastler bisher in seinem kuriosen Pavillon verarbeitet. Die habe er natürlich nicht alle selbst ausgetrunken. Zuerst brachten Freunde ihr Altglas, dann lieferten die Kneipen ihre Vorräte ab, "und irgendwann hat mir jeder seine Flaschen über den Zaun geworfen", seufzt Bräutigam. Der originelle Bau dauert schon seit Jahren an. In seinem Herzstück liegt ein mit Wasserrosen überwucherter Fischteich, daneben eine benutzte Feuerstelle. Der Boden drum herum ist ein Mosaik-Kunststück aus dunklem Granit und hellem Marmor. Im Pavillon selbst sollen irgendwann einmal Wasserspiele entstehen. Doch wann - das kann man nicht sagen. "So ist das halt", lacht der vielbeschäftigte Künstler. "Zu Hause wirds natürlich nie fertig."

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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