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Armut, die zum Tod führt
Armut, die zum Tod führt

Armut, die zum Tod führt

Von Abfällen leben: 14-Jähriger stirbt bei Suche nach Essen
Clemens von Alten
Von Clemens von Alten, Windhoek/Aranos

Der tödliche Unfall habe sich am vergangenen Mittwoch auf dem Gelände des Schlachthofes Natural Namibian Meat Producers (NNMP) bei der Ortschaft Aranos ereignet. „Der Junge wurde offenbar von einem Traktor überfahren, der gerade dabei war, Innereien abzutransportieren“, erklärte der Polizeikoordinator der Hardap-Region, Vizekommissar Eric Clay. Bei dem Opfer handele es sich um den 14-jährigen Elricho Kooper. „Im Namen des Stadtrates möchte ich den Angehörigen unser herzliches Beileid ausdrücken“, sagte gestern der Bürgermeister Elden Kuhanga. „Wir werden der Familie einen Besuch abstatten und sehen, wie wir ihnen helfen können.“

Vom Traktor überfahren

Daantjie Steynberg, Betriebsleiter des genannten Schlachthofes, bestätigte am Freitag den tragischen Vorfall: „Ich war selber nicht dabei, doch wie mir berichtete wurde, waren mehrere Personen auf den Traktor aufgesprungen, um Essbares zu ergattern – bei dem Gedränge ist der Junge von dem Fahrzeug gefallen und unter die Räder geraten.“ Ein ähnlicher Vorfall soll sich bereits in der Vergangenheit zugetragen haben: „Vor rund zwei Jahren war ein Kind beim Spielen vor einen Traktor gestoßen worden und anschließend verstorben“, berichtete Steynberg der AZ, laut dem das nächste Unglück nur eine Frage der Zeit ist.

Denn das Unternehmen NNMP schlachte täglich bis zu 1200 Tiere. Mehrmals am Tag müsse der Schlachthof Innereien zur rund einen Kilometer entfernten Deponie transportieren. Dabei handele es sich um verwertbare Abfälle, die wiederum hungerleidende Menschen aus der benachbarten Ortschaft anlocken. „Wenn beispielsweise der Betrieb nach den Weihnachtsfeiertagen wieder hochgefahren wird, fallen hunderte Leute auf einmal über die Innereien her“, so Steynberg, der sagt, er sei machtlos. „Ständig müssen wir den Zaun reparieren, nur um ein neues Loch an einer anderen Stelle zu entdecken.“

Mangelnde Arbeitsplätze

„Die Viehhaltung ist die wichtig­ste Einkommensquelle in Aranos“, erklärte der Bürgermeister auf AZ-Nachfrage. Ihm zufolge ist Natural Namibian Meat Producers einer der größten Schlachthöfe der Region und somit einer der wenigen Arbeitgeber. „Man muss bedenken, dass die Bevölkerung unserer Ortschaft von 3800 im Zensus von 2011 auf inzwischen über 9000 angestiegen ist“, so der Bürgermeister – die meisten Einwohner seien Senioren oder Jugendliche, die „entweder die Schule abgebrochen haben oder keine Aussichten auf eine tertiäre Ausbildung haben“. Neue Jobs seien aufgrund „geringer Wirtschaftsaktivitäten“ Mangelware. Die „Hälfte“ der Einwohner von Aranos hat laut Kuhanga keinen Arbeitsplatz.

„Wir haben wirklich kein Problem damit, dass Menschen aus der Umgebung die Innereien verwerten, denn es handelt sich schließlich um Bedürftige, die nur überleben wollen“, meint der Betriebsleiter des Schlachthauses. „Gefährlich wird es aber, wenn sie über den Traktor herfallen – schließlich wiegt allein der Anhänger locker zwei Tonnen.“ Dem Betrieb ist es laut Steynberg unmöglich, gegen die mittellosen Scharen anzukommen oder sogar vorzugehen.

Armut und Hunger

„Es ist schlimm, dass viele unserer Mitmenschen nach 29 Jahren Unabhängigkeit nicht wissen, woher sie ihre nächste Mahlzeit nehmen sollen“, fügte der Bürgermeister hinzu. Der Stadtrat habe einen Notfallfonds für „die ärmsten Gemeindemitglieder“ eingerichtet und hoffe die Wirtschaft in der Region anzukurbeln zu können: „Wir haben im vergangenen Monat bereits mit mehreren Investoren gesprochen und sind sehr zuversichtlich“, sagte Kuhanga, der an die Geschäftswelt appelliert, in die Ortschaft zu investieren, um die Lebensverhältnisse zu verbessern.

Für Elricho Kooper kam allerdings jede Hilfe zu spät: Der 14-Jährige erlag seinen schweren Verletzungen auf dem Weg ins Hospital von Mariental. „Gerade weil das nicht der erste Vorfall ist, möchte ich mir von der Situation vor Ort persönlich ein Bild machen“, sagte Vizekommissar Clay im AZ-Gespräch. „Wir untersuchen den Fall und werden schließlich der Generalstaatsanklägerin Bericht erstatten, die dann entscheidet ob Anklage erhoben wird“, so der hochrangige Polizist.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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