Asco-Fall: Der schmale Grad zwischen Realität und Darstellung
Im Leben ist vieles anders als es scheint - oder als man es glauben machen will. Bilder machen Meinungen, Presseberichte schaffen vermeintliche Realitäten. Besonders für die Medien ist es leicht, Stimmung zu machen und Stimmungen zu beeinflussen. Was schwarz auf weiß geschrieben steht, bleibt haften - im Kopf der Leser, aber auch am Betroffenen. Ein Zeitungsbericht kann im schlimmsten Fall eine Existenz zerstören. Ein Fall aus jüngerer Zeit zeigt, wie differenziert Realität und Berichterstattung betrachtet werden müssen.
Die Schlagzeilen lassen schlimmes vermuten: "Angestellte im Büro blutig geschlagen - Arbeitgeber verprügelt junge Frau und schleift sie vor Kunden und Touristen aus dem Gebäude", prangt es im Oktober 2002 von der Titelseite der AZ. Der Fall scheint sonnenklar: Der Unternehmer Patrik Geyzen, Miteigentümer von Asco Car Hire, hat seine Angestellte Joyce Ebenau angegriffen und niedergeschlagen, danach die blutende Frau brutal aus dem Büro geworfen und nach ihr getreten, ist dort zu lesen. Vorausgegangen war ein Streit um Geld: Ebenau war, heißt es im Artikel, "ein beträchtlicher Betrag von ihrem Gehalt abgezogen worden", dafür wollte sie die Gründe wissen. Mit Schimpfworten habe Geyzen auf die Frau eingeschrien und sie aufgefordert, das Büro zu verlassen und auf Zwangsurlaub zu gehen. Sie weigerte sich und auch eine Sicherheitsfirma konnte sie nicht zum Gehen bewegen, heißt es weiter. Dann soll Geyzen ausfällig geworden sein. Aussagen von - anonym bleibenden - Zeugen und genaue Auskünfte über die Verletzungen an Kopf und Oberkörper untermauern die Geschichte. Dass der Vorfall sich so, aber eben auch völlig anders abgespielt haben könnte, wird nicht berücksichtigt. Das Geschehene wird als erwiesen abgestempelt, ohne die Verwendung der Möglichkeitsform und ohne dass dem Beschuldigten die Unschuldsvermutung bis zu einer Verurteilung zugestanden wird. Als Bestätigung für seine Fehltaten scheint auszureichen, dass Geyzen umgehend verhaftet wird, nachdem die Geschädigte mehrere Klagen eingereicht hatte - eine strafrechtliche, eine Zivilklage in Höhe von N$ 200000 und eine weitere am Arbeitsgericht gegen die Firma in Höhe von N$ 48000.
Wenige Tage später moniert ein Kommentar in der Zeitung die "kranke Gesellschaft". Das Beispiel des Unternehmers wird angeführt: böser Mann schlägt gute Frau. Die mutmaßlich blutig geschlagene Frau hat sich jedoch erstaunlich schnell berappelt und geht in die Offensive, verfasst eine E-Mail an Tourismusbetriebe im Land, in der sie vor dem Unternehmer warnt und sich selber als Frau aus gutem Hause darstellt. Anbei verschickt sie Fotos von ihren Verletzungen, Eindruck schindende Beweise für ihre Geschichte. Dass die Frau auch einige "Leichen" im Keller liegen hat, steht in keiner Zeitung.
Zwei Monate später kommt es zum Prozess vor dem Windhoeker Magistratsgericht. Die Anklage lautet auf schwere Körperverletzung. Hier ändert sich dann plötzlich das vormals so wunderbar zusammenpassende Bild. Fünf Zeugenaussagen liegen vor. Jedoch belastet keine davon den Angeklagten ausreichend, im Gegenteil fallen einige sogar zu seinen Gunsten aus. Der Prozess steht kurz vor der Einstellung, wird letztendlich aber doch fortgesetzt, allerdings wird die Klage in "Körperverletzung" ohne den Zusatz "schwere" umgewandelt. Im weiteren Verlauf der Verhandlung kommen Intimitäten ans Licht und - nach Monaten - wird dann erstmals auch die Version des Angeklagten in der Zeitung veröffentlicht: Ja, es habe Streit gegeben, weil der Angeklagten Geld (ca. N$ 1000) vom Gehalt abgezogen worden sei - zu Recht, wie Geyzen meint, da sie nicht zur Arbeit erschienen sei. Allerdings habe er die Angelegenheit mit ihr nicht klären können, da sich sein für die Finanzen zuständiger Partner zu der Zeit im Ausland aufgehalten habe. Er habe die Frau aufgefordert, zu gehen, sei vom Stuhl auf gesprungen, sie zurückgewichen, dabei sei sie mit ihren hochhackigen Schuhen auf dem glatten Boden ausgerutscht und gestützt.
Das mutmaßliche Opfer konnte nicht signifikant zur Klärung des Vorfalls beitragen. Von dem Moment, in dem der Angeklagte von seinem Schreibtisch aufgestanden sei, bis zu dem Moment, als sie auf dem Boden gelegen habe, könne sie sich an nichts mehr erinnern, sagte sie vor Gericht aus.
Gut neun Monate nach dem Zwischenfall wurde dann vor dem Windhoeker Magistratsgericht von Richterin Elina Nandago das Urteil verkündet. Pat Geyzen wird schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von N$ 500 oder ersatzweise 120 Tage Haft verurteilt. Der geringe Betrag und die Begründung der Richterin sind viel sagend. Nichts Genaues weiß man auch nach dem Urteil nicht. Streit hat es gegeben, keine Frage. Joyce Ebenau ist irgendwie mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen und hat sich verletzt. Wie es aber dazu kam, weiß man nicht. Die Richterin statuierte, dass wahrscheinlich sowohl der Angeklagte als auch die Klägerin nicht ehrlich seien, allerdings müssten die Druckspuren am Arm von Ebenau ja irgendwoher stammen. "It's a finger", erklärte die Richterin. Es müsse ein Finger gewesen sein - diese Tatsache genüge für eine Verurteilung Geyzens wegen des Straftatbestandes von "common assault".
Das rechtskräftige Urteil ist nicht in Frage zu stellen. Es vertritt weder die Aussage der einen noch der anderen Seite komplett, spiegelt aber eine einleuchtende Erklärung des Vorfalls wieder. Und irgendwie wird der Betrachter das Gefühl nicht los, dass Joyce Ebenau Geld machen wollte, das sie dringend für die Finanzierung ihrer Freuden benötigte. Mit einem überzeugenden Sieg im strafrechtlichen Prozess wäre ihr der Erfolg im Zivilprozess und vor dem Arbeitsgericht nahezu sicher gewesen. Nach dem eher unspektakulären Urteil gegen Geyzen zog sie jedoch beide Klagen zurück - und holte sich das Geld bei einem späteren Arbeitgeber, den sie mit Betrügereien um über N$ 100000 erleichterte und dafür nicht einmal strafrechtlich verfolgt wurde. Lediglich in einem Zivilprozess wurde sie zur Rückzahlung der unterschlagenen Beträge verurteilt. Auch das war eine Art Novum: Betrügereien dieser Art werden normalerweise in einem Strafprozess verhandelt.
Das in der AZ gezeichnete schwarz-weiße Bild von ordentlichem Mädchen aus guten Hause und fiesem Grobian an der Firmenspitze kann also nicht bestehen bleiben. Die undifferenzierte Berichterstattung hat dem Ansehen des Angeklagten und dessen Geschäfts einen Makel verliehen. Die Arbeit und Erfahrung des Unternehmens aber wurden und werden dadurch nicht beeinträchtigt. Der Autoverleih genießt nach wie vor einen guten Ruf und kann auf hervorragende Geschäftsergebnisse verweisen. Pat Geyzen ist dort immer noch Teilhaber.
Die Schlagzeilen lassen schlimmes vermuten: "Angestellte im Büro blutig geschlagen - Arbeitgeber verprügelt junge Frau und schleift sie vor Kunden und Touristen aus dem Gebäude", prangt es im Oktober 2002 von der Titelseite der AZ. Der Fall scheint sonnenklar: Der Unternehmer Patrik Geyzen, Miteigentümer von Asco Car Hire, hat seine Angestellte Joyce Ebenau angegriffen und niedergeschlagen, danach die blutende Frau brutal aus dem Büro geworfen und nach ihr getreten, ist dort zu lesen. Vorausgegangen war ein Streit um Geld: Ebenau war, heißt es im Artikel, "ein beträchtlicher Betrag von ihrem Gehalt abgezogen worden", dafür wollte sie die Gründe wissen. Mit Schimpfworten habe Geyzen auf die Frau eingeschrien und sie aufgefordert, das Büro zu verlassen und auf Zwangsurlaub zu gehen. Sie weigerte sich und auch eine Sicherheitsfirma konnte sie nicht zum Gehen bewegen, heißt es weiter. Dann soll Geyzen ausfällig geworden sein. Aussagen von - anonym bleibenden - Zeugen und genaue Auskünfte über die Verletzungen an Kopf und Oberkörper untermauern die Geschichte. Dass der Vorfall sich so, aber eben auch völlig anders abgespielt haben könnte, wird nicht berücksichtigt. Das Geschehene wird als erwiesen abgestempelt, ohne die Verwendung der Möglichkeitsform und ohne dass dem Beschuldigten die Unschuldsvermutung bis zu einer Verurteilung zugestanden wird. Als Bestätigung für seine Fehltaten scheint auszureichen, dass Geyzen umgehend verhaftet wird, nachdem die Geschädigte mehrere Klagen eingereicht hatte - eine strafrechtliche, eine Zivilklage in Höhe von N$ 200000 und eine weitere am Arbeitsgericht gegen die Firma in Höhe von N$ 48000.
Wenige Tage später moniert ein Kommentar in der Zeitung die "kranke Gesellschaft". Das Beispiel des Unternehmers wird angeführt: böser Mann schlägt gute Frau. Die mutmaßlich blutig geschlagene Frau hat sich jedoch erstaunlich schnell berappelt und geht in die Offensive, verfasst eine E-Mail an Tourismusbetriebe im Land, in der sie vor dem Unternehmer warnt und sich selber als Frau aus gutem Hause darstellt. Anbei verschickt sie Fotos von ihren Verletzungen, Eindruck schindende Beweise für ihre Geschichte. Dass die Frau auch einige "Leichen" im Keller liegen hat, steht in keiner Zeitung.
Zwei Monate später kommt es zum Prozess vor dem Windhoeker Magistratsgericht. Die Anklage lautet auf schwere Körperverletzung. Hier ändert sich dann plötzlich das vormals so wunderbar zusammenpassende Bild. Fünf Zeugenaussagen liegen vor. Jedoch belastet keine davon den Angeklagten ausreichend, im Gegenteil fallen einige sogar zu seinen Gunsten aus. Der Prozess steht kurz vor der Einstellung, wird letztendlich aber doch fortgesetzt, allerdings wird die Klage in "Körperverletzung" ohne den Zusatz "schwere" umgewandelt. Im weiteren Verlauf der Verhandlung kommen Intimitäten ans Licht und - nach Monaten - wird dann erstmals auch die Version des Angeklagten in der Zeitung veröffentlicht: Ja, es habe Streit gegeben, weil der Angeklagten Geld (ca. N$ 1000) vom Gehalt abgezogen worden sei - zu Recht, wie Geyzen meint, da sie nicht zur Arbeit erschienen sei. Allerdings habe er die Angelegenheit mit ihr nicht klären können, da sich sein für die Finanzen zuständiger Partner zu der Zeit im Ausland aufgehalten habe. Er habe die Frau aufgefordert, zu gehen, sei vom Stuhl auf gesprungen, sie zurückgewichen, dabei sei sie mit ihren hochhackigen Schuhen auf dem glatten Boden ausgerutscht und gestützt.
Das mutmaßliche Opfer konnte nicht signifikant zur Klärung des Vorfalls beitragen. Von dem Moment, in dem der Angeklagte von seinem Schreibtisch aufgestanden sei, bis zu dem Moment, als sie auf dem Boden gelegen habe, könne sie sich an nichts mehr erinnern, sagte sie vor Gericht aus.
Gut neun Monate nach dem Zwischenfall wurde dann vor dem Windhoeker Magistratsgericht von Richterin Elina Nandago das Urteil verkündet. Pat Geyzen wird schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von N$ 500 oder ersatzweise 120 Tage Haft verurteilt. Der geringe Betrag und die Begründung der Richterin sind viel sagend. Nichts Genaues weiß man auch nach dem Urteil nicht. Streit hat es gegeben, keine Frage. Joyce Ebenau ist irgendwie mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen und hat sich verletzt. Wie es aber dazu kam, weiß man nicht. Die Richterin statuierte, dass wahrscheinlich sowohl der Angeklagte als auch die Klägerin nicht ehrlich seien, allerdings müssten die Druckspuren am Arm von Ebenau ja irgendwoher stammen. "It's a finger", erklärte die Richterin. Es müsse ein Finger gewesen sein - diese Tatsache genüge für eine Verurteilung Geyzens wegen des Straftatbestandes von "common assault".
Das rechtskräftige Urteil ist nicht in Frage zu stellen. Es vertritt weder die Aussage der einen noch der anderen Seite komplett, spiegelt aber eine einleuchtende Erklärung des Vorfalls wieder. Und irgendwie wird der Betrachter das Gefühl nicht los, dass Joyce Ebenau Geld machen wollte, das sie dringend für die Finanzierung ihrer Freuden benötigte. Mit einem überzeugenden Sieg im strafrechtlichen Prozess wäre ihr der Erfolg im Zivilprozess und vor dem Arbeitsgericht nahezu sicher gewesen. Nach dem eher unspektakulären Urteil gegen Geyzen zog sie jedoch beide Klagen zurück - und holte sich das Geld bei einem späteren Arbeitgeber, den sie mit Betrügereien um über N$ 100000 erleichterte und dafür nicht einmal strafrechtlich verfolgt wurde. Lediglich in einem Zivilprozess wurde sie zur Rückzahlung der unterschlagenen Beträge verurteilt. Auch das war eine Art Novum: Betrügereien dieser Art werden normalerweise in einem Strafprozess verhandelt.
Das in der AZ gezeichnete schwarz-weiße Bild von ordentlichem Mädchen aus guten Hause und fiesem Grobian an der Firmenspitze kann also nicht bestehen bleiben. Die undifferenzierte Berichterstattung hat dem Ansehen des Angeklagten und dessen Geschäfts einen Makel verliehen. Die Arbeit und Erfahrung des Unternehmens aber wurden und werden dadurch nicht beeinträchtigt. Der Autoverleih genießt nach wie vor einen guten Ruf und kann auf hervorragende Geschäftsergebnisse verweisen. Pat Geyzen ist dort immer noch Teilhaber.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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