Auf dem Rüttelsieb bergauf durchs Kiesbett
Fahrradreisen sind trendy. Auch jeder zeitgemäße Namibia-Reiseführer gibt inzwischen Tipps zu Routen und Ausrüstung für Radreisende. Seit Heinz Helfgen Anfang der 50er Jahre zu seiner legendären Weltumradelung aufgebrochen ist, hat es zahllose Abenteurer auf dem muskelbetriebenen Veloziped um den Globus getrieben. Einige sollen inzwischen sogar ganz gut davon leben.
Und trotzdem bleiben zum Glück immer noch genug Fragen offen, die es dem Verfasser reizvoll genug erscheinen ließen; um selbst an den Start zu gehen:
Welche Strecke (und in welchen Etappen) ist möglich ?
Wie kommt man an genügend Wasser in einem extrem trockenen Land ?
Welche Hindernisse und Gefahren gilt es zu berücksichtigen und nach Möglichkeit abzuwehren ?
Da nur wenig Zeit zur Verfügung stand, hatten Sicherheitsaspekte Vorrang und es galt "Unabwägbarkeiten" weitgehend zu vermeiden - ein kalkuliertes Abenteuerchen sozusagen.
Letztlich kristallisierte sich der Plan heraus. Es sollte am "tropic of capricorn", dem Wendekreis des Steinbocks (Sternzeichen des Verfassers) entlang durch die Namib gehen mit Ankunft und Geburtstagparty in Swakopmund. Radtechnisch gesehen also eine Kurzstrecke von 400-500 Kilometern je nach Routenwahl. Ein geeignetes motorisiertes Begleitfahrzeug mit Campingausrüstung und Vorräten - auch zur Auffüllung der persönlichen Wassertanks unterwegs - hätte im "Versagensfall" auch als sogenannten Besenwagen fungieren können. Aufgrund gewisser kalendarischer Fixpunkte musste das Ganze im namibischen Sommer ablaufen, also nicht gerade der angenehmsten Reisezeit für eine Wüstendurchquerung.
Die Vorbereitungen sind voll aufgegangen. Bis auf geringfügige Verbesserungsmöglichkeiten hat sich die Auswahl von Material und technischer Ausrüstung bewährt. Beim Radkonzept ging Stabilität vor Leichtbau, eine Rangfolge, die ich unbedingt beizubehalten empfehle.
Air Namibia hat die kostbare (und sehr gut verpackte) Fracht unversehrt als Begleitgepäck transportiert und wohlbehalten abgeliefert - ein Dankeschön dafür an dieser Stelle.
Ob man tatsächlich eine gefederte Vorderradgabel braucht, bewerte ich im Nachhinein als fraglich. Wahrscheinlich wäre eine gefederte Sattelstütze leichter und hilfreicher gewesen. Dazu später mehr.
Vorweg meine wichtigsten Tipps bzw. positiven Erfahrungen :
? der 3-Liter Wasserrucksack mit Trinkschlauch - eine geniale Erfindung.
? die schweren aber sehr pannensicheren Reifen (Schwalbe Marathon XR)
? morgens, so früh wie möglich fahren
Noch interessanter sind wahrscheinlich die von mir gemachten Fehler:
? Hautpflege ! die namibische Sonne verlangt ein Höchstmaß an Schutzmaßnahmen, sogar unter der Kleidung.
? Taschenlampe ! der Tagesverlauf kann überraschend und unplanmäßig verlaufen und die Nacht bricht sehr schnell an.
? Zu ehrgeizige Planung. 100km mögen in Deutschland ein gemütlicher Tagestrip sein, in Afrika dagegen möglicherweise eine frustrane Überforderung.
Die Fahrt selbst erlebt man nicht annähernd so monoton, wie man sie sich vielleicht beim Begriff "Wüste" vorstellt. Die Landschaft wechselt relativ oft - anfangs Halbwüste, dann zunehmend bergige Fels- bzw. Steinwüste, Schluchten, steppenartige baum- und schattenlose Flächen, gewaltige Sanddünen. Obwohl es tendentiell von zirka 1500 Meter über dem Meeresspielgel auf Meereshöhe abwärts geht, gibt es durch das teilweise stark gefaltete Landschaftsrelief viele kleinere Zwischensteigungen.
Äußerst variabel auch der Straßenzustand. Hier reicht das Spektrum von traumhaft glatten, gleichmäßig fallenden Salz-Sand-Straßen (vor Walfischbucht) bis hin zu kilometerlangem mörderischem Wellblech, je nachdem wann der "Padhobel" zuletzt durchgekommen ist.
Oft verlockt den Radfahrer der gelegentlich vorhandene Streifen zwischen dem linken Straßenrand (Linksverkehr in Namibia) und den ausgefahrenen holperigen PKW-Spur-Rillen - eine Fahrtechnik mit Tücken, denn sie führt im Effekt oft in ein feines nur wenige Zentimeter tiefes Sand- oder Kiesbett, in dem man entweder sofort festfährt oder aber sich die Muskeln schnell auslaugt, wenn man sich mit halber Geschwindigkeit und 3 Gänge kleiner durchkämpft, manchmal auch bergauf. Diese spezielle Oberflächenbeschaffenheit erfordert erstaunlich viel Aufmerksamkeit und Lenkkraft bei der ständigen Suche nach der optimalen Fahrspur. Man kann ohne weiteres auch als Radfahrer dabei einen Muskelkater in den Armen bekommen.
Die Reisegeschwindigkeit pendelte diesen Umständen entsprechend zwischen 8 und 34 km/h jeweils über längere Teilstücke gesehen.
Auf den Tagesetappen betrug die Fahrzeit 6-8 Stunden, so dass ich viel Zeit hatte mit der Voderradfederung durch An- und Abschalten zu experimentieren. Zu einem klaren Urteil bin ich nicht gekommen. So segensreich die Dämpfungseffekte im harten Wellblech spürbar sind, so kräftezehrend kamen sie mir im weichen Untergrund vor.
Die gefürchtete Geisel des Pedalritters sind - ähm - Gesäßprobleme. Diese Grundwahrheit bekommt man auf den langen Wellblechpisten drastisch vergegenwärtigt. Ich halte es inzwischen aus dieser "Erfahrung" heraus für unbedingt überlegenswert, eine gefederte Sattelstütze zu montieren, kann aber hierzu noch keine eigenen Erfahrungen beisteuern.
Allgemein ein wichtiges Thema: Hautpflege. Seiner Haut sollte ein Namibiaradler mindestens die gleiche Aufmerksamkeit widmen, wie der vermeintlich radsportlich bedeutsameren Muskulatur. Sonnenbrand kann an exotischen Stellen auftreten:
unter dem Trikot, auf Unterlippe und Zungenspitze, an der Achillesferse und in der Kniekehle.
Wer sich nicht unnötig quälen will, (eine Charaktereigenschaft, die man bei Radfahrern nicht immer voraussetzen darf) wird in Namibia automatisch zum Frühsportler. Schon vor 6 Uhr herrschen im Januar gute Fahrbedingungen, so dass man idealerweise in den ersten 4-5 Stunden einen Großteil des Tagespensums bewältigen sollte. In der Dunkelheit kommt man - trotz traumhaftem Sternenzelt - wegen der geschilderten schwierigen Straßenverhältnisse meist nut schiebenderweise vorwärts, was für den ambitionierten Radler, die größtmögliche Spaßbremse darstellt.
Der Autoverkehr beträgt etwa 30-40 Begegnungen pro Tag. Das sind vor allem entsprechend viele laaaaaange Staubfahnen.
Der namibische Wind bläst kräftig, oft von Süden und vom Meer her, meist aber erst von Mittag an bis spät nachts.
Es gibt so gut wie keinen Schatten auf der Strecke, was ein gemütliches Päuschen erschwert.
Einzelne Bäume sind im GPS als "shady tree" markiert.
Das Netzwerk der wenigen Rastplätze ist auf motorisiertes Reisen ausgelegt, also eher weit gespannt. Die Rastplätze im Namib-Naukluft-Park dürfen oft nur nach vorheriger Einholung eines "Permit" angefahren werden und liegen für Radfahrer oft zu weit ab von der Strecke.
Äußerst angenehm wirken sich Wolkenbänder aus, die die gefühlte Temperatur spürbar senken. Regen erlebt man dagegen auch in der "Regenzeit" kaum. In Namibia gilt allgemeine Helmpflicht für Radfahrer.
Kommen wir zum Fazit: die Fahrradstrecke durch die Namibwüste nach Swakopmund ist sicher nichts für Genussradler, die ansonsten das entspannte Vorwärtskommen in europäischen Flusslandschaften gewohnt sind. Sie ist hart, aber in Tagesetappen zwischen 60 bis 100 km machbar, abhängig von den variablen Risikofaktoren Wind, Sonne, Straßenzustand, technische Störungen, Gepäck/Gewicht. Also eher etwas für die "Quäl-Dich"-Fraktion. Der logistische Aufwand ist nicht unerheblich (allerherzlichsten Dank an meine treuen und verständnisvollen Begleiter Elli und Dirk). Meine persönliche Einschätzung fällt aus 2 Gründen durchweg positiv aus. Erstens: ich bin angekommen! Zweitens: hat sich meine tief empfundene Zuneigung zu Namibia durch die Fahrt noch weiter gefestigt und einen zauberhaft schönen Resturlaub eingeläutet.
Peter Krause
Und trotzdem bleiben zum Glück immer noch genug Fragen offen, die es dem Verfasser reizvoll genug erscheinen ließen; um selbst an den Start zu gehen:
Welche Strecke (und in welchen Etappen) ist möglich ?
Wie kommt man an genügend Wasser in einem extrem trockenen Land ?
Welche Hindernisse und Gefahren gilt es zu berücksichtigen und nach Möglichkeit abzuwehren ?
Da nur wenig Zeit zur Verfügung stand, hatten Sicherheitsaspekte Vorrang und es galt "Unabwägbarkeiten" weitgehend zu vermeiden - ein kalkuliertes Abenteuerchen sozusagen.
Letztlich kristallisierte sich der Plan heraus. Es sollte am "tropic of capricorn", dem Wendekreis des Steinbocks (Sternzeichen des Verfassers) entlang durch die Namib gehen mit Ankunft und Geburtstagparty in Swakopmund. Radtechnisch gesehen also eine Kurzstrecke von 400-500 Kilometern je nach Routenwahl. Ein geeignetes motorisiertes Begleitfahrzeug mit Campingausrüstung und Vorräten - auch zur Auffüllung der persönlichen Wassertanks unterwegs - hätte im "Versagensfall" auch als sogenannten Besenwagen fungieren können. Aufgrund gewisser kalendarischer Fixpunkte musste das Ganze im namibischen Sommer ablaufen, also nicht gerade der angenehmsten Reisezeit für eine Wüstendurchquerung.
Die Vorbereitungen sind voll aufgegangen. Bis auf geringfügige Verbesserungsmöglichkeiten hat sich die Auswahl von Material und technischer Ausrüstung bewährt. Beim Radkonzept ging Stabilität vor Leichtbau, eine Rangfolge, die ich unbedingt beizubehalten empfehle.
Air Namibia hat die kostbare (und sehr gut verpackte) Fracht unversehrt als Begleitgepäck transportiert und wohlbehalten abgeliefert - ein Dankeschön dafür an dieser Stelle.
Ob man tatsächlich eine gefederte Vorderradgabel braucht, bewerte ich im Nachhinein als fraglich. Wahrscheinlich wäre eine gefederte Sattelstütze leichter und hilfreicher gewesen. Dazu später mehr.
Vorweg meine wichtigsten Tipps bzw. positiven Erfahrungen :
? der 3-Liter Wasserrucksack mit Trinkschlauch - eine geniale Erfindung.
? die schweren aber sehr pannensicheren Reifen (Schwalbe Marathon XR)
? morgens, so früh wie möglich fahren
Noch interessanter sind wahrscheinlich die von mir gemachten Fehler:
? Hautpflege ! die namibische Sonne verlangt ein Höchstmaß an Schutzmaßnahmen, sogar unter der Kleidung.
? Taschenlampe ! der Tagesverlauf kann überraschend und unplanmäßig verlaufen und die Nacht bricht sehr schnell an.
? Zu ehrgeizige Planung. 100km mögen in Deutschland ein gemütlicher Tagestrip sein, in Afrika dagegen möglicherweise eine frustrane Überforderung.
Die Fahrt selbst erlebt man nicht annähernd so monoton, wie man sie sich vielleicht beim Begriff "Wüste" vorstellt. Die Landschaft wechselt relativ oft - anfangs Halbwüste, dann zunehmend bergige Fels- bzw. Steinwüste, Schluchten, steppenartige baum- und schattenlose Flächen, gewaltige Sanddünen. Obwohl es tendentiell von zirka 1500 Meter über dem Meeresspielgel auf Meereshöhe abwärts geht, gibt es durch das teilweise stark gefaltete Landschaftsrelief viele kleinere Zwischensteigungen.
Äußerst variabel auch der Straßenzustand. Hier reicht das Spektrum von traumhaft glatten, gleichmäßig fallenden Salz-Sand-Straßen (vor Walfischbucht) bis hin zu kilometerlangem mörderischem Wellblech, je nachdem wann der "Padhobel" zuletzt durchgekommen ist.
Oft verlockt den Radfahrer der gelegentlich vorhandene Streifen zwischen dem linken Straßenrand (Linksverkehr in Namibia) und den ausgefahrenen holperigen PKW-Spur-Rillen - eine Fahrtechnik mit Tücken, denn sie führt im Effekt oft in ein feines nur wenige Zentimeter tiefes Sand- oder Kiesbett, in dem man entweder sofort festfährt oder aber sich die Muskeln schnell auslaugt, wenn man sich mit halber Geschwindigkeit und 3 Gänge kleiner durchkämpft, manchmal auch bergauf. Diese spezielle Oberflächenbeschaffenheit erfordert erstaunlich viel Aufmerksamkeit und Lenkkraft bei der ständigen Suche nach der optimalen Fahrspur. Man kann ohne weiteres auch als Radfahrer dabei einen Muskelkater in den Armen bekommen.
Die Reisegeschwindigkeit pendelte diesen Umständen entsprechend zwischen 8 und 34 km/h jeweils über längere Teilstücke gesehen.
Auf den Tagesetappen betrug die Fahrzeit 6-8 Stunden, so dass ich viel Zeit hatte mit der Voderradfederung durch An- und Abschalten zu experimentieren. Zu einem klaren Urteil bin ich nicht gekommen. So segensreich die Dämpfungseffekte im harten Wellblech spürbar sind, so kräftezehrend kamen sie mir im weichen Untergrund vor.
Die gefürchtete Geisel des Pedalritters sind - ähm - Gesäßprobleme. Diese Grundwahrheit bekommt man auf den langen Wellblechpisten drastisch vergegenwärtigt. Ich halte es inzwischen aus dieser "Erfahrung" heraus für unbedingt überlegenswert, eine gefederte Sattelstütze zu montieren, kann aber hierzu noch keine eigenen Erfahrungen beisteuern.
Allgemein ein wichtiges Thema: Hautpflege. Seiner Haut sollte ein Namibiaradler mindestens die gleiche Aufmerksamkeit widmen, wie der vermeintlich radsportlich bedeutsameren Muskulatur. Sonnenbrand kann an exotischen Stellen auftreten:
unter dem Trikot, auf Unterlippe und Zungenspitze, an der Achillesferse und in der Kniekehle.
Wer sich nicht unnötig quälen will, (eine Charaktereigenschaft, die man bei Radfahrern nicht immer voraussetzen darf) wird in Namibia automatisch zum Frühsportler. Schon vor 6 Uhr herrschen im Januar gute Fahrbedingungen, so dass man idealerweise in den ersten 4-5 Stunden einen Großteil des Tagespensums bewältigen sollte. In der Dunkelheit kommt man - trotz traumhaftem Sternenzelt - wegen der geschilderten schwierigen Straßenverhältnisse meist nut schiebenderweise vorwärts, was für den ambitionierten Radler, die größtmögliche Spaßbremse darstellt.
Der Autoverkehr beträgt etwa 30-40 Begegnungen pro Tag. Das sind vor allem entsprechend viele laaaaaange Staubfahnen.
Der namibische Wind bläst kräftig, oft von Süden und vom Meer her, meist aber erst von Mittag an bis spät nachts.
Es gibt so gut wie keinen Schatten auf der Strecke, was ein gemütliches Päuschen erschwert.
Einzelne Bäume sind im GPS als "shady tree" markiert.
Das Netzwerk der wenigen Rastplätze ist auf motorisiertes Reisen ausgelegt, also eher weit gespannt. Die Rastplätze im Namib-Naukluft-Park dürfen oft nur nach vorheriger Einholung eines "Permit" angefahren werden und liegen für Radfahrer oft zu weit ab von der Strecke.
Äußerst angenehm wirken sich Wolkenbänder aus, die die gefühlte Temperatur spürbar senken. Regen erlebt man dagegen auch in der "Regenzeit" kaum. In Namibia gilt allgemeine Helmpflicht für Radfahrer.
Kommen wir zum Fazit: die Fahrradstrecke durch die Namibwüste nach Swakopmund ist sicher nichts für Genussradler, die ansonsten das entspannte Vorwärtskommen in europäischen Flusslandschaften gewohnt sind. Sie ist hart, aber in Tagesetappen zwischen 60 bis 100 km machbar, abhängig von den variablen Risikofaktoren Wind, Sonne, Straßenzustand, technische Störungen, Gepäck/Gewicht. Also eher etwas für die "Quäl-Dich"-Fraktion. Der logistische Aufwand ist nicht unerheblich (allerherzlichsten Dank an meine treuen und verständnisvollen Begleiter Elli und Dirk). Meine persönliche Einschätzung fällt aus 2 Gründen durchweg positiv aus. Erstens: ich bin angekommen! Zweitens: hat sich meine tief empfundene Zuneigung zu Namibia durch die Fahrt noch weiter gefestigt und einen zauberhaft schönen Resturlaub eingeläutet.
Peter Krause
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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