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Auf der Suche nach Nemo: Ein Besuch des Two-Oceans-Aquariums von Kapstadt

An der Straße entlang der Kapstädter Waterfront blickt einem derzeit ein lustiger grüner Frosch von riesigen Werbetafeln entgegen. Mit dem wortspielerischen Slogan "unfrogettable" wirbt hier das Two Oceans Aquarium für seine neuste Ausstellung. Ein Besuch des Aquariums ist tatsächlich ein unvergessliches Erlebnis: Die Unterwasserwelt an der Waterfront zählt nicht ohne Grund zu den größten Touristenattraktionen Kapstadts und wird wohl auch während der Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr zahllose Besucher in ihren Bann ziehen.
Der erste Bekannte, der einen beim Eintritt des Two-Oceans-Aquariums begrüßt, ist Walt-Disney-Zeichentrickheld Nemo. Hunderte der hübschen kleinen goldgelb-, weiß-, und schwarz-gemusterten Clownfische flitzen in einem runden Seewasserbecken umher. Wer komplett in Nemos Welt eintauchen möchte - freilich ohne dabei nass zu werden -, braucht sich nur zu bücken um in eine konische Ausbuchtung unterhalb des Beckens zu treten - und hat dann eine Rundumsicht auf Nemo und seine putzigen Kameraden.

Es ist eine magische Welt voller stiller Wunder, die das Aquarium mitten in der betriebsamsten Einkaufszone Kapstadts geschaffen hat. Am südlichen Ende der Waterfront, nur einige hundert Meter vom neuen WM-Stadion entfernt, kann man für Stunden den Lärm und die Hast des Konsumzentrums draußen vergessen und in die Unterwasserwelten zweier Meere eintauchen. Bekanntlich treffen sich am Kap der Atlantische und der Indische Ozean, und das Two Oceans Aquarium - daher der Name - gestattet einen Einblick in die recht verschiedenen Welten der beiden Ozeane. Da sind die Korallenriffe und -fische, die im warmen Wasser gedeihen, das der Agulhasstrom aus tropischen Regionen die Ostküste Afrikas hinunter gen Süden treibt. Und dann sind da die bestaunenswerten Kreaturen aus dem kalten Atlantik: vollkommen durchsichtige Quallentiere, der langarmige Tintenfisch, die außerirdisch wirkende Riesenkrabbe oder eben der - zu unrecht, wie das Aquarium vermittelt - so sehr gefürchtete Hai.
Das Aquarium ist in sechs Regionen aufgeteilt. Die Indian Ocean Gallery und die Atlantic Ocean Gallery lassen sich spielend durch einen großen Rundgang entdecken, von dem dann Gänge zu weiteren vier Exponaten abzweigen. Eines davon erzählt "die Geschichte eines Flusses". Das Aquarium hat hier den typischen Weg eines natürlichen Wasserlaufes an der Westküste des Kaps nachgebildet: Von einer Auffangregion in den Bergen führt ein Wasserfall zu einem kleinen Fluss mit seinem Süßwasser-Ökosystem über ein Ästuar bis zur Mündung des Stromes im Meer. Hier ist eine Brutstation mit fünf brütenden Brillenpinguin-Paaren sowie einigen Exemplaren der antarktischen Felsenpinguine entstanden. Letztere sind versehentlich in ein Fischernetz geraten, waren dann einige Zeit auf einem großen Fischdampfer zu Hause, bis der in Kapstadt Station machte - und seine blinden Passagiere dem Two-Oceans-Aquarium übergab.

Zweimal täglich kann man der Pinguinfütterung zuschauen und erfährt dabei allerhand Wissenswertes über die kleinen Männchen im Frack. Die possierlichen Tierchen sind allesamt getauft. "Angela" etwa ist eine sehr wählerische Pinguindame, die bei weitem nicht jeden beliebigen Fisch schluckt. Und "Peter" liebt es, seine frische Sardine ordentlich durchzuschütteln, bis das Blut spritzt - eine Angewohnheit, die ihn bei seinen Fütterern besonders beliebt macht, denn die müssen danach erst mal unter die Dusche.

Was das Two Oceans Aquarium von Kapstadt berühmt macht ist unter anderem sein "Kelp Forest": ein gigantischer Unterwasserwald mit lebendem Seetang, das von einer immensen Anzahl großer silberner Atlantikfische bewohnt wird. Es gibt nur ein anderes Aquarium weltweit, das lebenden Seetang beherbergt: das Monterey Bay Aquarium in Kalifornien.
Drei verschiedene Spezies Seetang sind in dem 800 Tausend Liter Wasser umfassenden Becken angesiedelt. Die Taucher des Aquariums muss alle paar Wochen raus aufs Meer um etwa vor der Küste von Robben Island neue Seetang-Pflanzen zu bergen, die dann an den Felsen am Boden des sechs Meter tiefen Aquarium befestigt werden. Die Felsen übrigens sind nicht echt: Sie wurden täuschend echt aus Fiberglas nachempfunden.

Der Seetangwald ist einer der beliebtesten Orte im Two-Oceans-Aquarium; auf den Stufen vor der raumhohen Glaswand lässt sich prima meditieren. Künstliche Wellen halten das Wasser ständig in Bewegung, sodass die langen Seetangstrunke wie Bäume im Wind wehen, während die "Waldbewohner" dazwischen gemächlich ihre Runden ziehen. Man kann sich vorstellen, wie faszinierend es sein muss, vor dieser dämmrig beleuchteten Kulisse einzuschlafen. Für zahlende Mitglieder von Two Oceans ist das übrigens nicht nur Wunschdenken - hin und wieder werden sie nämlich zu einem "Sleep-Over" im Aquarium eingeladen.
Eine weitere Attraktion und praktisch das Grand Finale eines Aquariumsbesuches ist natürlich das Raubfischbecken - mit seiner elf Meter breiten und vier Meter hohen Glaswand das größte Becken im Two Oceans Aquarium. Sandtigerhaie ziehen hier ihre Runden, dazwischen segeln grazile Rochen umher und hin und wieder erhascht man einen Blick auf Yoshi, eine riesige Meeresschildkröte (Unechte Karettschildkröte). Täglich um 15 Uhr kann man der Fischfütterung zuschauen. Dienstags, donnerstags und samstags ist allgemeine Fütterung - das ist ein großes Spektakel, wenn die Raubfische mit enormer Geschwindigkeit durchs Becken flitzen um die besten Brocken zu erwischen. Montags, mittwochs und freitags kredenzen Taucher der Schildkröte Yoshi und den Rochen eine spezielle, handgefütterte Mahlzeit, und Sonntags sind die Haie dran: Ihnen werden frischer Seehecht, gestopfte Sardinen oder Langusten auf einer langen Gabel serviert.

Das Two-Oceans-Aquarium ist dabei sehr drauf bedacht, das schlechte Image des Hais als Menschenkiller aufzubessern. Am Eingang des Raubtierbeckens wird in Endlosschlaufe ein Kurzfilm gezeigt, der ein typisches Weißer-Hai-Horrorszenario abzubilden scheint: Familien vergnügen sich am Strand bis plötzlich ein markerschütterndes Schreien eine Panik auslöst. Dann starren alle, die sich ans Ufer retten konnten, entsetzt aufs Wasser. Doch statt einem gefährlichen Hai schwimmt dort ein bunter Plastikdrachen im Wasser. "Jährlich werden 376 Menschen von Drachen getötet. 6 von Haien", heißt es in der humoristischen Schlagzeile.
Dass der Mensch ein viel größerer Feind des Haies ist statt umgekehrt, vermittelt außerdem ein Warnhinweis an der Glaswand des Raubtierbeckens. In Spiegelschrift - denn der Hinweis gilt schließlich den Meeresbewohnern innerhalb des Beckens - dort steht: "Achtung: Raubtiere hinter dieser Wand. Menschen töten mehr als 100000 Haie jährlich".

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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