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Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 3/4)
Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 3/4)

Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 3/4)

Wiebke Schmidt
Am 9. November 1989 fiel in Deutschland die Berliner Mauer – und in der UNTAG-Mission der Vereinten Nationen leisteten Polizeibeobachter aus zwei deutschen Staaten in diesem deutschen Herbst zusammen ihren Dienst. Die erste und einzige Teilnahme der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an einer Mission der Vereinten Nationen erfolgte noch 1989/90 in der UN-Friedensmission zur Unterstützung eines politischen Übergangsprozesses (UNTAG) in Namibia. Mit 30 Polizeibeobachtern beteiligte sich die DDR an der zivilen Komponente des Einsatz, während die Bundesrepublik Deutschland (BRD) die UNTAG mit 50 Beamten des Bundesgrenzschutzes ebenfalls unterstützte. An einem Stützpunkt im Norden Namibias leisteten beide deutschen Kontingente noch vor dem Fall der Berliner Mauer in einer Einheit zusammen ihren Dienst. Der vorliegende Skript schildert Beweggründe und Ziele beider deutscher Staaten für ihren Einsatz in Namibia kurz vor der deutschen Wiedervereinigung 1989/90.



Bereits in der intensivsten Zeit der Afrikapolitik der DDR Ende der 1970er Jahre erörterten die Afrika-Stäbe im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) die Beteiligung an der Umsetzung der Resolution 435. Dabei stand die DDR dieser anfangs kritisch gegenüber, weil sie für einen Prozess des Übergangs die südafrikanische Präsenz in Namibia beibehielt und keine sofortige Machtübergabe an die SWAPO beinhaltete. Erst ab 1982 sah man die SR435 als durchzusetzenden Kompromiss an. Da man den Start der UNTAG für 1979 und damit noch vor der Unabhängigkeit Simbabwes 1980 erwartete, trug Namibia im MfAA für das südliche Afrika den Charakter eines Pilotprojektes, auch wenn andere Länderbeziehungen (zur Sowjetunion oder der BRD etwa) einen viel höheren Stellenwert für die DDR besaßen.


Die Vorstellung eines Pilotprojektes trat 1989/90 wieder hervor, denn die Beteiligung an der UNTAG war die erste Teilnahme der DDR an einer UN-Mission überhaupt. Andere Länder des Warschauer Paktes (Polen, Ungarn, Rumänien) hatten sich schon länger, etwa durch logistische Unterstützung, an solchen Einsätzen beteiligt. Für die DDR ging es darum, ihre personelle Präsenz im UN-Sekretariat zu erhöhen und zukünftig auf UN-Anfragen flexibel reagieren zu können. Das UNTAG-Engagement 1989/90 löste deshalb Planungen des Ministeriums für Nationale Verteidigung zum Aufbau zweier UN-Kompanien aus, die bis 1991 nur für UN-Einsätze einsatzbereit sein sollten. Integriert worden wären diese in ein Luftsturmregiment der Nationalen Volksarmee bei Potsdam.


Dahinter verbarg sich die Überlegung, die Pflichtbeiträge der DDR für solche Missionen als Mitglied der UN teilweise zu refinanzieren. Parallel dazu wollte die DDR von einem unabhängigen Namibia unter Führung der SWAPO wirtschaftlich profitieren. Entsprechende Wirtschaftsanalysen zu Namibia waren der DDR ebenfalls seit Ende der 1970er Jahre bekannt. 1979 hatte das Zentralkomitee der SED nach dem Erlass der SR435 ein Konzept zur politischen und ökonomischen Kooperation mit einem unabhängigen Namibia verabschiedet (für Simbabwe existierte eine solches Konzept nicht). Im Dezember 1988 aktualisierte ein Entscheid des SED-Politbüros diese Pläne. Bereits im September 1988 beschloss das Sekretariat des SED-Zentralkomitees die generelle Beteiligung der DDR an der Umsetzung der SR435, obwohl erst die internationalen Gespräche in Brazzaville und New York im Dezember 1988 den Beginn der UNTAG für den 1. April 1989 festlegten. So verwundert es nicht, dass die DDR als erster aller Staaten des Warschauer Paktes im Oktober 1989 eine Wirtschaftsdelegation nach Namibia entsandte.


Am weitesten gediehen die Planungen auf dem Gebiet der Fischereiwirtschaft, schließlich war die DDR seit 1976 am Fischfang vor Namibia beteiligt. Ein bilateraler Vertragsentwurf lag ab August 1989 unterschriftsreif vor. Das Ministerium für Außenhandel hatte bereits im Februar 1989 verkündet, dass gegen den Handel mit namibischen Firmen keine Einwände bestünden, sofern daraus „keine Beziehungen zur Republik Südafrika abgeleitet werden können“. Und damit war des Pudels Kern benannt, der das UNTAG-Engagement der DDR beinahe scheitern ließ.


Stoppzeichen aus Pretoria
Lukrative Wirtschaftskontakte nach Pretoria hatte die DDR 1963 abgebrochen, weil die Apartheid-Politik Südafrikas nicht mit dem sozialistischen Selbstverständnis der SED in Einklang zu bringen war. Verbindungen an das Kap der Guten Hoffnung knüpfte die SED über den ANC und die Kommunistische Partei Südafrikas. Die DDR betrachtete aber ihren Einsatz in Namibia 1989 nicht nur parteilich, UN-strategisch und wirtschaftlich, sondern ebenso regionalpolitisch, schließlich musste perspektivisch auch für Südafrika mit gesellschaftlichen Veränderungen gerechnet werden. So entsandte sie unter Leitung von Hans-Georg Schleicher eine diplomatische Beobachtermission für die UNTAG-Phase nach Windhoek, die spätere bilaterale Beziehungen zu einem unabhängigen Namibia und die Installierung einer Botschaft in Windhoek vorbereitete.


Noch im März 1990 kamen diese diplomatische Beziehungen und die Eröffnung der weltweit letzten Botschaft der DDR zustande. Die ablehnende Haltung Südafrikas zur DDR trat jedoch immer wieder zu Tage, auch wenn Hans-Georg Schleicher erste Kontakte zu südafrikanischen Regierungskreisen ab Sommer 1989 anbahnen konnte. Die Einreise der diplomatischen Beobachtergruppe der DDR (und auch von DDR-Journalisten) nach Namibia im April 1989 verzögerte die südafrikanische Administration in Windhoek, gegen die Beteiligung der DDR an der UNTAG mit Polizei- und Wahlbeobachtern intervenierten südafrikanische Vertreter bei den UN in New York massiv bis Ende August 1989.


Das widersprach dem Ansinnen von UN-Sonderbotschafter Martti Ahtisaari, der stets um politische Balance in der UNTAG zwischen in Ablehnung zueinander stehenden Staaten bemüht war. Somit wollte er beide deutsche Staaten, nicht zuletzt aufgrund der in Namibia wichtigen deutschen Sprache, in der UNTAG berücksichtigt wissen. Erst die persönliche Einflussnahme von UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar in hartnäckigen Gesprächen mit Südafrikas UN-Gesandten Jeremy Shearar und dem südafrikanischen Außenminister Roelof Frederik Botha beendete deren Blockadehaltung. Per Blitztelegramm aus New York erreichte die Nachricht das MfAA in Ost-Berlin. Außenminister Oskar Fischer unterrichtete unverzüglich Staatschef Erich Honecker, der sich im Sommer 1989 offiziell im Krankenstand befand. Die Entsendung von Polizeibeobachtern hatte er im Mai 1989 prinzipiell befürwortet, nun erteilte der Generalsekretär der SED Anfang September 1989 vom Krankenbett aus erneut seine Zustimmung.


Auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld verabschiedete Bernhard Neugebauer, stellvertretender Außenminister der DDR, schließlich am 11 Oktober 1989 30 Polizeibeobachter der DDR nach Namibia, die aus den Ministerien für Nationale Verteidigung, für Staatssicherheit, dem MfAA und dem Ministerium des Innern zusammengezogen und eilends in die Deutsche Volkspolizei aufgenommen worden waren. Sie ahnten nicht, dass ihre Heimat bei ihrer Rückkehr eine andere sein würde. Sieben Tage nach ihrer Abreise wurde Erich Honecker in der DDR entmachtet.
Daniel Lange, M.A. (Berlin)
Der Autor des Beitrages ist Historiker und hat in Deutschland und Namibia recherchiert. Mit einem Stipendiat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur arbeitet er in Berlin an seiner Dissertation über den facettenreichen Einsatz des Sports in der Afrikapolitik der früheren DDR. Er hat folgende Publikation herausgegeben: „Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille: Die polizeiliche Beobachtereinheit der DDR in Namibia (1989/90)“, Schkeuditzer Buchverlag, ISBN 978-3-935530-86-6

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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