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Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 4/4)
Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 4/4)

Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille 1989/90 (Teil 4/4)

Praktikant WAZon
Am 9. November 1989 fiel in Deutschland die Berliner Mauer – und in der UNTAG-Mission der Vereinten Nationen leisteten Polizeibeobachter aus zwei deutschen Staaten in diesem deutschen Herbst zusammen ihren Dienst. Die erste und einzige Teilnahme der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an einer Mission der Vereinten Nationen erfolgte noch 1989/90 in der UN-Friedensmission zur Unterstützung eines politischen Übergangsprozesses (UNTAG) in Namibia. Mit 30 Polizeibeobachtern beteiligte sich die DDR an der zivilen Komponente des Einsatz, während die Bundesrepublik Deutschland (BRD) die UNTAG mit 50 Beamten des Bundesgrenzschutzes ebenfalls unterstützte. An einem Stützpunkt im Norden Namibias leisteten beide deutschen Kontingente noch vor dem Fall der Berliner Mauer in einer Einheit zusammen ihren Dienst. Der vorliegende Skript schildert Beweggründe und Ziele beider deutscher Staaten für ihren Einsatz in Namibia kurz vor der deutschen Wiedervereinigung 1989/90.



Dienst unter extremen Bedingungen
In Namibia, wo Linksverkehr herrscht, hatten beide deutschen Kontingente zunächst eine Fahrprüfung zu absolvieren. Ende September 1989 waren bereits 13 Verkehrstote der UNTAG zu beklagen. Unebene Schotterpisten, umherlaufende Tiere in der Wildnis und vermintes Gelände an der Grenze zu Angola geboten höchste Vorsicht bei der Patrouille im namibischen Busch. Hinzu kamen extreme klimatische Bedingungen mit bis zu 40 Grad Celsius. Bis auf aus leichtem Stoff bestehende Hosen erhielten die DDR-Polizisten keine gesonderte Tropenkleidung, ein für das Kontingent vorgesehener Bekleidungszuschuss wurde von SED-Wirtschaftsboss Günter Mittag ersatzlos gestrichen. Für den BGS befürwortete der Bundestag am 8. November 1989 auf Anfrage von Herta Däubler-Gmelin (SPD) einen Tag vor dem Mauerfall immerhin den Kauf von zwei Waschmaschinen und fünf Kühlschränken. Namibia-Kenner wissen: Ohne Eis lebt es sich schwer im Land der vier Wüsten.


Instabile Strom- und Wasserversorgung, Wohnen auf engstem Raum, teilweise fehlende sanitäre Anlagen und eine eingeschränkte Versorgungslage beeinträchtigten das Leben und Arbeiten der Polizeibeobachter. Quartier fanden sie in Bungalows und Wohnwagen, in Schulen oder bei Farmern. Stationiert war die Polizeigruppe der DDR an sechs Stützpunkten, darunter in drei Orten, die im angolanischen Grenzgebiet lagen, wo bewaffnete Kämpfe zwischen SWAPO-Änhängern und südafrikanischen Milizen befürchtet werden mussten. Die BGS-Einheit verteilte sich ebenfalls im Norden Namibias auf acht Stützpunkte.


In ihrer täglichen Arbeit hatten die deutschen UN-Vertreter die südafrikanischen Polizei zu überwachen, Munition unschädlich zu machen, Wahlveranstaltungen zu beobachten, Einschüchterungen gegen die Bevölkerung zu melden und Patrouillenfahrten durchzuführen. Wichtig war der Umgang mit der örtlichen Bevölkerung, um der UNTAG Akzeptanz zu verschaffen, etwa in Gesprächen mit Häuptlingen verschiedener Stammesgruppen oder durch Besuche bei Parteien, Schulen, Kirchen, Farmern oder Geschäftsleuten. Diese Arbeit konnte schnell gefährlich werden, weil die politischen Spannungen im Land immer wieder hervortraten. Extremisten griffen im August 1989 ein UNTAG-Büro mit Handgranaten an. Anhänger verfeindeter Parteien lieferten sich im September 1989 in Windhoek eine teils bewaffnete Straßenschlacht. Zwischen Mai und November 1989 wurden rund 200 Fälle der politischen Auseinandersetzung registriert, bei denen es vereinzelt Todesopfer gab. Negativer Höhepunkt war der Mord am deutschstämmigen SWAPO-Politiker Anton Lubowski am 12. September 1989.


Deutsche Einheit unter Kameldornbäumen
Unerwartet entschied die CIVPOL-Leitung, DDR-Vertreter nach Ombalantu zu verlegen, wo Teile des BGS bereits stationiert waren. Unter UN-Kommando griff die in der DDR für Angehörige der Deutschen Volkspolizei geltende Geheimhaltungsordnung, die den Kontakt zu Bürgern nichtsozialistischer Länder verbot, nicht mehr – es entwickelte sich ein gutes, kameradschaftliches Verhältnis zwischen den Vertretern aus DDR und BRD, das auch die gemeinsame Freizeit einschloss und aus dem Freundschaften entstanden. Ombalantu war die einzige CIVPOL-Station, an der ost- und westdeutsche Polizeikräfte ihren Dienst in einer Einheit leisteten, zusammen mit Kollegen aus Kanada, Irland, Indien, Pakistan und Schweden. Begegnungen zwischen Ost und West gab es aber auch an anderen Einsatzorten, so in Ondangwa und Oshakati im Zuge der vorzubereitenden Wahlen. Hans Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt der BRD, stattete dem Stützpunkt Ombalantu einen Besuch ab und begrüßte wie selbstverständlich die Polizeibeobachter aus DDR und BRD gleichermaßen. Aufmerksam auf die vorgezogene kleine deutsche Einheit in Namibia war die „Allgemeine Zeitung“ geworden. Für sie war die deutsch-deutsche Kooperation „eine Einmaligkeit, die es weltweit nur in Owamboland gibt. ... In Südwestafrika/Namibia geschieht, was in Deutschland keiner zu denken wagt, die UNO aber möglich macht…“


Im November 1989 organisierten die Kontingente aus BRD und DDR gemeinsam mit ihren internationalen Kollegen in Ombalantu einen „deutschen Abend“ mit Grillfleisch, Bier, Apfelmus und Eierkuchen. Tausende Kilometer fern der Heimat taten gewohnte Dinge gut, weil sich daheim Ereignisse abspielten, die in der Weite der Wildnis schwer einzuordnen waren. Während der Wahlen in Namibia war in Berlin am 9. November 1989 die Mauer gefallen. Nachrichten darüber erreichten die Kontingente nicht immer ausreichend und aktuell. Nicht überall bestand die Möglichkeit, per Weltempfänger den südafrikanischen Rundfunk oder die Deutsche Welle zu verfolgen oder per Telefon oder Fernschreiber Informationen aus der Heimat zu erhalten. Die weiten Entfernungen zwischen den einzelnen Einsatzorten erschwerten für die diplomatischen Beobachtermissionen beider deutscher Staaten die informatorische Betreuung ihrer Kontingente in Namibia, das mehr als doppelt so groß wie Deutschland ist. Aus der DDR erreichten das „Neue Deutschland“ als Zentralorgan der SED sowie die Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ auf Video Windhoek nur per Diplomatenpost und mit mehrwöchiger Verspätung. Zu zwei entlegenen BGS-Standorten gab es von Windhoek aus gar keine direkte Verbindung, so dass schriftliche Nachrichten aufwändig durch den Transport mit dem Auto ausgetauscht wurden. Die BGS-Gruppen der verschiedenen Standorte lieferten wöchentlich Situationsberichte nach Windhoek und verständigten sich täglich soweit wie möglich über eine Informationskette untereinander.


Als sich Namibia im März 1990 seiner Unabhängigkeit näherte und das zwölfmonatige Mandat der UNTAG auslief, war auch das erste und einzige Zusammenspiel von BRD und DDR in einer UN-Mission beendet. Während der BGS am 6. April 1990 seine Heimreise antrat, beendeten die Polizeibeobachter der DDR ihre CIVPOL-Unterstützung bereits am 4. März 1990. Die Verhältnisse in ihrer Heimat hatten sich derart rasch geändert, dass die von ihnen in Namibia überwachten freien Wahlen nun am 18. März 1990 erstmals auch in der DDR durchgeführt wurden. Drei Tage später, am 21. März 1990, fand die UNTAG-Mission der Vereinten Nationen mit der Unabhängigkeit Namibias ihren erfolgreichen Abschluss.


Daniel Lange, M.A. (Berlin)
Der Autor des Beitrages ist Historiker und hat in Deutschland und Namibia recherchiert. Mit einem Stipendiat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur arbeitet er in Berlin an seiner Dissertation über den facettenreichen Einsatz des Sports in der Afrikapolitik der früheren DDR. Er hat folgende Publikation herausgegeben: „Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille: Die polizeiliche Beobachtereinheit der DDR in Namibia (1989/90)“, Schkeuditzer Buchverlag, ISBN 978-3-935530-86-6

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-15

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