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Auf Schienen und vier Rädern durch Namibia:

Ansprüche an moderne Verkehrsangebote
Claudia Reiter
Nina Victoria Ebner

Windhoek

“Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön” – das gilt nach Meinung vieler Namibier allerdings kaum für den staatlichen Bahnbetrieb, der durch lange Fahrtzeiten und wenige Abfahrtstermine für den Personenverkehr unattraktiv geworden ist. Den Windhoeker Bahnhof haben viele junge Menschen zum ersten Mal für eine der beliebten Zugpartys der Organisatoren von Soul Music Industry (SMI) betreten, wenn auf Kurzstrecken rollende Zugwaggons zum Geheimtipp für Partygänger wurden. Gefragt nach der Relevanz des Zugverkehrs für die eigene Fortbewegung im Land reagieren manche mit ungläubigen Blicken und Fragen wie: „Fahren denn die Züge überhaupt noch?” Es scheint, als habe der Straßenverkehr das Rennen gewonnen.

Dieser Eindruck trügt wohl nicht, denn just in diesem Jahr hat der Eisenbahnbetreiber Transnamib im Januar seinen Passagierservice gänzlich eingestellt. „Die mangelnde Verlässlichkeit unserer Lokomotiven sowie die COVID-19-Beschränkungen verhindern es derzeit, diesen Dienst anzubieten”, erklärt Abigail Raubenheimer, Leiterin der Transnamib-Unternehmenskommunikation, gegenüber der AZ. Doch auch während normaler Betriebszeiten punktete das Angebot an Passagierzügen nicht mit Flexibilität: Die Haltedestinationen für Bahnreisende sind in Namibia überschaubar und neben der Verbindung zwischen den Reisezielen Windhoek und Walvis Bay können nur einzelne Städte im Süden per Zug bereist werden.

Unterschätzte Historie

Schienenverkehr in Namibia hat eine lange Geschichte, die auf wirtschaftlichen Interessen beruht. Bis ins 20. Jahrhundert war der Frachtverkehr zwischen dem Hinterland und der Küste gering – Transportwege wurden großteils mit Ochsenwägen bestritten. Doch 1897 brach die Rinderpest aus, was das sofortige Umdenken der Kolonialmacht Deutschland erzwang, um Versorgungsschwierigkeiten abzuschwächen. Die Stadt Windhoek war gewachsen, eine Verbindung zur Küste war unabdinglich geworden. Eine Hungersnot drohte. Um die Kolonie zu retten, entschied man sich in Berlin, den Bau einer Bahnlinie von Swakopmund nach Jakalswater anzuordnen. Der erste Schritt zur Vernetzung des Landes war getan, getragen von miserabler Ausbeutung der eingesetzten Arbeitskräfte. Aus einer etwa 100 km langen Stichbahn, die nur die Wüste durchqueren sollte, entstand eine 383 km lange „Staatsbahn” bis Windhoek, die 1902 in ihrem Gesamtumfang freigegeben wurde. Und das, obwohl es zu Beginn des Bahnbaus weder eine ausreichende Vermessung des Landes gab noch genügend Wissen zu den Bodenverhältnissen. Bis heute namentlich ein Begriff ist die Otavi-Bahn der Otavi Minen- und Eisenbahn-Gesellschaft (OMEG) zur Förderung des Kupferabbaus. Sie führte nach ihrer Eröffnung im Jahr 1906 von Swakopmund nach Otavi und von dort etwa 70 Kilometer weiter bis nach Tsumeb. In den Folgejahren errichtete die South West Africa Company in einer Bestzeit von nur neun Monaten eine 91,3 km Bahn zwischen Otavi und Grootfontein, die ebenso von der OMEG betrieben wurde. Es entstand ein Netz mit einer Gesamtlänge von 672 km. 1905/1906 begannen zudem unter Anleitung der Deutschen Kolonialen Eisenbahn- und Betriebsgesellschaft die Arbeiten an der Bahnlinie nach Lüderitzbucht: Am 26. Juli 1908 wurde die 226 km lange Strecke zwischen Aus und Keetmanshoop dem Verkehr übergeben. Noch weitere Kurzstrecken wurden angelegt, nicht alle von ihnen sind noch existent. Nach der Unabhängigkeit Namibias und Anpassungen des Netzes unterliegen heute, mehr als 100 Jahre nach den ersten Bemühungen um Zugverbindungen, alle befahrenen Gleise der Verwaltung von Transnamib.

Ausgebautes Straßennetz

Wer in Namibia ohne eigenes Auto auskommt, der verlässt sich für längere Distanzen kaum mehr auf Züge, sondern auf Shuttle-Busse oder -Taxis. Die Vorteile im Vergleich zum Schienenverkehr sind einleuchtend, hier ein Beispiel: Der Zug von Windhoek nach Swakopmund hat im Normalbetrieb drei An- und Abfahrtszeiten pro Woche, fährt über Nacht und braucht an die 12 Stunden. Dieselbe Strecke nach Swakopmund mit einem Bus oder einem Shuttle-Taxi dauert von Windhoek aus maximal vier Stunden. Da Reisende zwischen mehreren Anbietern wählen können, sind auch die Abfahrtszeiten und Abholorte weitgehend anpassungsfähig, Ein- und Ausstiege sind mitunter auf der Fahrtstrecke möglich und gebucht wird über die Homepage des Shuttle-Betreibers. Dieser komfortable Service hat allerdings seinen Preis: Die Kosten für eine Shuttle-Fahrt dieser Art liegen durchschnittlich bei 250 Namibia-Dollar. Eine Zugfahrt hingegen macht etwa 80 Namibia-Dollar pro Person aus.



Fernreiseanbieter in der COVID-Pause

Transnamib-Züge beschränken sich, zumindest was den Personenverkehr betrifft, auf Strecken innerhalb Namibias. Es ergibt sich eine Lücke im Reiseangebot, welche der Fahrplan des Reisebusunternehmens „Intercape” deckt. Mit ihm haben sich die Busverbindungen zu Destinationen in den umliegenden Ländern im südlichen Afrika stabilisiert. Angefahren werden Bushaltestellen in Südafrika, Namibia, Mosambik, Zimbabwe, Malawi, Sambia und Botswana – der Service wird vor allem von jungen Reiselustigen genutzt, die teure Flüge umgehen wollen. Die Tickets werden auch hier über ein modernes Online-Portal vergeben, das je nach gewünschter Reiseroute die richtigen Daten und Kosten herausfiltert. In COVID-Zeiten wurde das Angebot allerdings deutlich geschmälert. Aktuell gibt es ausgehend von Namibia nur eingeschränkten Busverkehr zwischen Windhoek und Kapstadt sowie Windhoek und Oshakati. Was Viele nicht wissen: Der Anbieter mit dem englischen „Cape” im Namen – eine klare Referenz auf „Cape Town” – hat hiesige Wurzeln: 1934 wurde das Reiseunternehmen als „Central Bus Service” in Namibia gegründet, erhielt später den Namen „Windhoek Bus Service” und ging ab 1979 in das neugegründete „Intercape” in Südafrika über.

Alternative zu Klassikern

Innerhalb der Städte ist das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln beschränkt. Zugverbindungen wie Schnellbahnen in Europa fehlen gänzlich, weshalb Linienbusse und Mini-Busse die täglichen Arbeitswege der Menschen übernehmen. Für Kurzstrecken werden Taxis beansprucht – doch haben Berichte über Sicherheitsrisiken und Fälle von Kriminalität Kunden an der Professionalität traditioneller Taxi-Anbieter zweifeln lassen.

Das junge Transportunternehmen LEFA, das in Windhoek ansässig ist und bald auch in Swakopmund verfügbar sein soll, hat diese Unsicherheiten ausgemacht und daraufhin eine Alternative nach Vorbild des US-Fahrtendienstes Uber entwickelt: Wer ein Taxi braucht, registriert sich in einer App, gibt online die geplante Fahrtstrecke ein und erhält dann Auskunft, welcher Fahrer, mit welchem Auto, zu welcher Zeit erwartet wird. Nichts wird damit dem Zufall überlassen, denn das anrollende Taxi kann während der Wartezeit auf einer Online-Karte mitverfolgt werden. Die Transparenz und die einfache Anwendung mit nur wenigen Klicks am Smartphone scheinen dem Zeitgeist der modernen Gesellschaft zu entsprechen.

Melkisedek-Shivute Ausiku, Gründer und Geschäftsführer von LEFA, sieht im namibischen Transportwesen vor allem einen Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln im Stadtverkehr. Es bräuchte mehr Busse, die verlässlich zu regelmäßigen Uhrzeiten fahren sowie eine entsprechende Infrastruktur für Fahrradfahrer. Anregungen zum notwendigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs lägen den Verantwortlichen bereits vor, meint Ausiku und verweist dabei auf Ausarbeitungen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Man müsse jene nützen, um ein zukunftsfähiges und umweltverträgliches Verkehrsmodell in Namibia garantieren zu können. Die Forderung nach einem diversen Verkehrsnetz widerspricht dabei nicht dem unternehmerischen Ziel der Profitmaximierung – im Gegenteil, man müsse den vernichtenden Konkurrenzdruck zwischen den Dienstleistern gegen einen gemeinsamen Ansatz tauschen. Nur so könne für alle ein Mehrwert entstehen: “Mein Wunsch für die Zukunft ist eine Transportindustrie, die sicher, verlässlich und angenehm ist, in welcher die unterschiedlichen Sektoren zusammenarbeiten, friedlich nebeneinander existieren und voneinander lernen.”

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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