Aufstieg und Fall des Politikers Mugabe in Simbabwe
Als Zehntausende von Simbabwern am vergangenen Wochenende in die Straßen von Harare strömten, um dort den Rücktritt des Mannes zu fordern und zu feiern, der fast 40 Jahre lang brutal über sie geherrscht hatte, saß Robert Mugabe mit einem alten Freund daheim in seinem Büro, aß Maisbrei und schwelgte in alten Zeiten. „Er erzählte von seinen Schultagen und davon, wie die Anthropologie damals die Sicht der Kolonialisten auf Schwarze und deren Intelligenz bestimmt habe“ verriet George Charamba, seit 17 Jahren ein enger Vertrauter des Diktators, einem Reporter der britischen „Financial Times“.
Charamba, der an jenem Tag bereits mehr als fünf Stunden mit Mugabe geplaudert hatte, sprach auch davon, wie entspannt der 93-Jährige trotz des Orkans wirke, der draußen gerade durch die Straße der Hauptstadt tobte. „Meine Güte war er gut gelaunt und gesprächig“, enthüllte Charamba gegenüber dem Reporter.
Widerspruch nicht geduldet
Mugabe hat sich bis zuletzt fast nur mit Ja-Sagern und engen Freunden wie Charamba umgeben. Viele, die ihn gut kennen, wie etwa die inzwischen verstorbene simbabwische Journalistin und Buchautorin Heidi Holland, haben bei Mugabe Charakterzüge des römischen Kaisers Caligula diagnostiziert, der Widerspruch nicht duldete, überall nur Verschwörungen witterte und deshalb nach der Maxime „Oderint, dum metuant“ herrschte („Mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten.“)
Wenn er es noch gekonnt hätte, hätte Mugabe am vergangenen Samstag sicherlich wie zuvor die Polizei und das Militär mobilisiert, um die Proteste des Volkes im Keim zu ersticken. Doch das Militär stand diesmal auf der anderen Seite - auf der seines langjährigen Kampfgefährten Emmerson Mnangagwa, den Mugabe kurz zuvor völlig willkürlich als Vizepräsident geschasst hatte, um an seiner Stelle die eigene, im Volk weithin verhasste Ehefrau Grace zu installieren.
Mugabe ist schon immer vor allem rachsüchtig und machthungrig gewesen. Dass er sich anders als seine Frau eher weniger aus Geld machte, konnte man an seinem Büro ablesen, in dem er wohl auch seine Rücktrittserklärung verfasste, die am Dienstag im Parlament verlesen wurde - und sein politisches Ende markierte. Ein uraltes tragbares Radio stand jahrelang dort, ein alter Computer, die ganze Einrichtung spießig und antiquiert. „Nein“ war sich Holland nach einem ihrer Besuche dort sicher, „ein Materialist ist Mugabe nicht. Sein Aphrodisiakum ist die Macht“.
Macht und Gewalt
Ein Blick auf das Leben des Gründervater seines Landes zeigt, dass der jahrelang im Westen als Lichtgestalt gefeierte Mugabe in der Tat schon immer im Herzen ein Caligula war. Zwar hat Mugabe sechs Universitätsabschlüsse und gilt als hochintelligent, doch zieht sich die zum Machterhalt ausgeübte Gewalt wie ein roter Faden durch sein Leben. „Wie Stalin verbreitet er unter den Menschen Angst und Schrecken, um daraus politisch Kapital zu schlagen“, sagt etwa der britische Afrikakenner und Diplomat Robin Renwick. Und glaubt man der lesenswerten Autobiografie von Heidi Holland, hat Mugabes Anspruch auf absoluten Gehorsam seine Wurzeln in der Zeit, als er auf die streng geführte Missionsschule der Jesuiten nahe Harare ging.
„Zurückweisung und Erniedrigung sind Dinge, die Mugabe seit diesen Tagen partout nicht ertragen kann“, schreibt Holland in ihrem Buch. Er sei im Inneren ein eigentlich „schwacher Mann“, dessen harte Kindheit tiefe Spuren hinterlassen habe: Sein Vater verschwand als er zehn war, seine zwei älteren Brüder starben, seine Mutter war depressiv. Nicht nur als Kind, auch in den zehn Jahren seiner Haft während der Widerstandsjahre habe er deshalb nichts anderes getan als zu lesen.
Schon deshalb kam auch die zur Unabhängigkeit seines Landes zunächst eingeschlagene Politik der Aussöhnung gegenüber den Weißen nicht etwa von Herzen, sondern entsprang reinem Machtkalkül. Denn bereits als Guerillaführer im 14-jährigen Widerstandskampf gegen die Weißen hatte Mugabe niemanden geduldet, der seine Führung in Frage stellte. Viele politische Gegner in den eigenen Reihen starben damals auf mysteriöse Weise, andere wurden von ihm ins Exil gedrängt - ein Muster, das sich später fortsetzte.
Westen schwieg zum Massaker
Dass Mugabe seine (schwarzen) Konkurrenten brutal drangsalierte, wurde im Westen jedoch lange Zeit ignoriert. Schon im Oktober 1980, nur sechs Monate nach der Unabhängigkeit Simbabwes, schloss der selbst erklärte Marxist ein Abkommen mit Nordkorea und ließ eine Sondereinheit ausbilden, die gegen interne Gegner vorgehen sollte. Wenig später schickte Mugabe, der zur Volksgruppe der Shona gehört, eben diese Sondereinheit ins Matabeleland. Zwischen 1982 und 1987 massakrierten die Soldaten dort rund 20000 Angehörige der Ndebele. Weil die Weißen damals noch verschont wurden, schwieg der Westen. Schlimmer noch: Er hofierte Mugabe in den nächsten 15 Jahren und überhäufte ihn mit Auszeichnungen - auch das hat entscheidend zu seinem Größenwahn beigetragen.
Doch während sich das positive Bild von Mugabe jenseits von Afrika langsam ins Gegenteil wendete, wird der einstige Freiheitskämpfer bis heute im eigenen Kontinent weithin verehrt, weil er dem Westen so gegenübertritt, wie es sich viele Schwarze insgeheim offenbar wünschen. Charles Onyango-Obbo, ein ugandischer Journalist und Autor, erklärt dieses Phänomen mit den tiefen Ressentiments vieler Schwarzer gegen die Weißen. Ursache für den emotionalen Drang, es diesen heimzuzahlen, sei ein tief sitzender Minderwertigkeitskomplex des schwarzen Kontinents und eines Großteils seiner Führer.
Grace und das Ende
Der andere Grund seiner Metamorphose heißt Grace Mugabe. Die First Lady war seine Sekretärin im Präsidentenamt, als Mugabe mit seiner ersten Frau Sally verheiratet war. Als die aus Ghana stammende und im Volk beliebte First Lady 1992 an einem Nierenleiden frühzeitig verstarb, kam die bis dato geheime Liaison mit Grace an die Öffentlichkeit. Seiner 40 Jahre jüngeren und extrem verschwendungssüchtigen Gattin wollte er nun die Welt zeigen - und vor allem wie bedeutsam er ist. Es verging kaum ein Monat, in dem beide nicht ins Ausland reisten, wo er sich feiern ließ - und sie unverfroren auf Staatskosten einkaufte.
Am Ende stachelte sie ihren Mann sogar an, im Land eine Familiendynastie zu errichten - mit ihr als seiner Nachfolgerin. Eine fatale Fehlentscheidung, mit der Mugabe am Ende den Bogen doch noch überspannte - und sein politisches Ende besiegelte.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Charamba, der an jenem Tag bereits mehr als fünf Stunden mit Mugabe geplaudert hatte, sprach auch davon, wie entspannt der 93-Jährige trotz des Orkans wirke, der draußen gerade durch die Straße der Hauptstadt tobte. „Meine Güte war er gut gelaunt und gesprächig“, enthüllte Charamba gegenüber dem Reporter.
Widerspruch nicht geduldet
Mugabe hat sich bis zuletzt fast nur mit Ja-Sagern und engen Freunden wie Charamba umgeben. Viele, die ihn gut kennen, wie etwa die inzwischen verstorbene simbabwische Journalistin und Buchautorin Heidi Holland, haben bei Mugabe Charakterzüge des römischen Kaisers Caligula diagnostiziert, der Widerspruch nicht duldete, überall nur Verschwörungen witterte und deshalb nach der Maxime „Oderint, dum metuant“ herrschte („Mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten.“)
Wenn er es noch gekonnt hätte, hätte Mugabe am vergangenen Samstag sicherlich wie zuvor die Polizei und das Militär mobilisiert, um die Proteste des Volkes im Keim zu ersticken. Doch das Militär stand diesmal auf der anderen Seite - auf der seines langjährigen Kampfgefährten Emmerson Mnangagwa, den Mugabe kurz zuvor völlig willkürlich als Vizepräsident geschasst hatte, um an seiner Stelle die eigene, im Volk weithin verhasste Ehefrau Grace zu installieren.
Mugabe ist schon immer vor allem rachsüchtig und machthungrig gewesen. Dass er sich anders als seine Frau eher weniger aus Geld machte, konnte man an seinem Büro ablesen, in dem er wohl auch seine Rücktrittserklärung verfasste, die am Dienstag im Parlament verlesen wurde - und sein politisches Ende markierte. Ein uraltes tragbares Radio stand jahrelang dort, ein alter Computer, die ganze Einrichtung spießig und antiquiert. „Nein“ war sich Holland nach einem ihrer Besuche dort sicher, „ein Materialist ist Mugabe nicht. Sein Aphrodisiakum ist die Macht“.
Macht und Gewalt
Ein Blick auf das Leben des Gründervater seines Landes zeigt, dass der jahrelang im Westen als Lichtgestalt gefeierte Mugabe in der Tat schon immer im Herzen ein Caligula war. Zwar hat Mugabe sechs Universitätsabschlüsse und gilt als hochintelligent, doch zieht sich die zum Machterhalt ausgeübte Gewalt wie ein roter Faden durch sein Leben. „Wie Stalin verbreitet er unter den Menschen Angst und Schrecken, um daraus politisch Kapital zu schlagen“, sagt etwa der britische Afrikakenner und Diplomat Robin Renwick. Und glaubt man der lesenswerten Autobiografie von Heidi Holland, hat Mugabes Anspruch auf absoluten Gehorsam seine Wurzeln in der Zeit, als er auf die streng geführte Missionsschule der Jesuiten nahe Harare ging.
„Zurückweisung und Erniedrigung sind Dinge, die Mugabe seit diesen Tagen partout nicht ertragen kann“, schreibt Holland in ihrem Buch. Er sei im Inneren ein eigentlich „schwacher Mann“, dessen harte Kindheit tiefe Spuren hinterlassen habe: Sein Vater verschwand als er zehn war, seine zwei älteren Brüder starben, seine Mutter war depressiv. Nicht nur als Kind, auch in den zehn Jahren seiner Haft während der Widerstandsjahre habe er deshalb nichts anderes getan als zu lesen.
Schon deshalb kam auch die zur Unabhängigkeit seines Landes zunächst eingeschlagene Politik der Aussöhnung gegenüber den Weißen nicht etwa von Herzen, sondern entsprang reinem Machtkalkül. Denn bereits als Guerillaführer im 14-jährigen Widerstandskampf gegen die Weißen hatte Mugabe niemanden geduldet, der seine Führung in Frage stellte. Viele politische Gegner in den eigenen Reihen starben damals auf mysteriöse Weise, andere wurden von ihm ins Exil gedrängt - ein Muster, das sich später fortsetzte.
Westen schwieg zum Massaker
Dass Mugabe seine (schwarzen) Konkurrenten brutal drangsalierte, wurde im Westen jedoch lange Zeit ignoriert. Schon im Oktober 1980, nur sechs Monate nach der Unabhängigkeit Simbabwes, schloss der selbst erklärte Marxist ein Abkommen mit Nordkorea und ließ eine Sondereinheit ausbilden, die gegen interne Gegner vorgehen sollte. Wenig später schickte Mugabe, der zur Volksgruppe der Shona gehört, eben diese Sondereinheit ins Matabeleland. Zwischen 1982 und 1987 massakrierten die Soldaten dort rund 20000 Angehörige der Ndebele. Weil die Weißen damals noch verschont wurden, schwieg der Westen. Schlimmer noch: Er hofierte Mugabe in den nächsten 15 Jahren und überhäufte ihn mit Auszeichnungen - auch das hat entscheidend zu seinem Größenwahn beigetragen.
Doch während sich das positive Bild von Mugabe jenseits von Afrika langsam ins Gegenteil wendete, wird der einstige Freiheitskämpfer bis heute im eigenen Kontinent weithin verehrt, weil er dem Westen so gegenübertritt, wie es sich viele Schwarze insgeheim offenbar wünschen. Charles Onyango-Obbo, ein ugandischer Journalist und Autor, erklärt dieses Phänomen mit den tiefen Ressentiments vieler Schwarzer gegen die Weißen. Ursache für den emotionalen Drang, es diesen heimzuzahlen, sei ein tief sitzender Minderwertigkeitskomplex des schwarzen Kontinents und eines Großteils seiner Führer.
Grace und das Ende
Der andere Grund seiner Metamorphose heißt Grace Mugabe. Die First Lady war seine Sekretärin im Präsidentenamt, als Mugabe mit seiner ersten Frau Sally verheiratet war. Als die aus Ghana stammende und im Volk beliebte First Lady 1992 an einem Nierenleiden frühzeitig verstarb, kam die bis dato geheime Liaison mit Grace an die Öffentlichkeit. Seiner 40 Jahre jüngeren und extrem verschwendungssüchtigen Gattin wollte er nun die Welt zeigen - und vor allem wie bedeutsam er ist. Es verging kaum ein Monat, in dem beide nicht ins Ausland reisten, wo er sich feiern ließ - und sie unverfroren auf Staatskosten einkaufte.
Am Ende stachelte sie ihren Mann sogar an, im Land eine Familiendynastie zu errichten - mit ihr als seiner Nachfolgerin. Eine fatale Fehlentscheidung, mit der Mugabe am Ende den Bogen doch noch überspannte - und sein politisches Ende besiegelte.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
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Allgemeine Zeitung
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