Bahnfahren ist eine Reise wert
1897: Am Strand von Swakopmund in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika stapeln sich die Güter. Der Frachtverkehr ins Inland gerät ins Stocken. Vor einem Jahr treckten noch bis zu 20 Ochsenwagen täglich, jetzt ist der Baiweg abgeweidet, die Ochsen haben kein Kraftfutter mehr, zudem fordert die Rinderpest ihren Tribut. Eine Eisenbahn soll Abhilfe schaffen.
Theodor Leutwein versucht, die Heimat vom notwendigen Bau eines Schienenstrangs zu überzeugen, doch Kanzler Otto von Bismarck bleibt anfangs skeptisch. Der Dampfochse „Martin Luther“ habe doch schon versagt. „Und wer soll das alles bezahlen, reduzieren wir doch lieber die Schutztruppe“, kontert in Deutschland die Opposition. Zudem protestieren in der Kolonie die Ochsenwagen-Frachtfahrer. Sie sehen ihre Existenz bedroht. Leutwein hat es wirklich nicht leicht, Gehör zu finden. Nach zähen Verhandlungen und mit gewinnender Beredsamkeit des Schutztruppenoffiziers und Swakopmunds Stationschef Kurt Schwabe und Oberstleutnant Edmund Troost stimmt Deutschland endlich einer Eisenbahn zu.
Es existiert in Swakopmund zwar schon seit 1896 ein Schienenstrang, doch der ist lediglich drei Kilometer lang und erleichtert nur gering den Transport durch den dicken Sand vom Strand zu festerem Grund. Maulesel ziehen die Fracht auf sogenannten „Trolleys“. Um 1900 besitzt die Küstenstadt dann schon ein weit verzweigtes Gleisnetz und eine Straßenbahn für den Waren- und Personentransport. Edmund Troost führt diese Dienstleitung ein, im Volksmund „Troostsche Maultierbahn“ genannt. Bei starkem Südwestwind und richtiger Richtung nutzen die „Kutscher“ ein Segel, um die Maultiere zu entlasten. Eine Mark kostet die Fahrt von der Mole zum eleganten Bahnhofsgebäude. Dort steht der Zug ins Inland abfahrtbereit.
Die Bahn hat eine Spurweite von 69 Zentimetern. Der Betrieb findet mit Dampf statt. „Die zur Verwendung kommenden Maschinen sind die bei der Eisenbahntruppe für Kriegszwecke eingeführten Zwillingsmaschinen“, informiert die Zeitung ihre Leser. „Es sind zwei kleinere Maschinen derart zusammengekoppelt, dass die Führerstände zusammenstoßen. Die Bedienung beider Maschinen wird nur durch einen Maschinisten und einen Heizer ausgeführt. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt vorläufig 12 km in der Stunde, kann aber bis 15 km gesteigert werden.“
Auch wenn es um die Jahrhundertwende längst noch nicht komfortabel ist, jetzt spricht die Bahn auch den Menschen als Klientel an. „Reisen Sie mit der Bahn und erleben Sie eine unvergessliche Sensation.“ In der Tat. Anfangs gibt es nämlich nur Platz auf den Frachtgütern, doch schon bald lockt die Bahn mit Erste-Klasse-Abteilen: gemütliche Korbstühle auf einer eingeschobenen, offenen Holzplattform, überspannt mit einem Segeldach zum Schutz gegen die Sonne.
Einsteigen und ganz entspannt die Fahrt genießen ist aber nicht immer drin. Die Strecke zwischen Swakopmund und Walvis Bay fordert vom Passagier wetterbedingt sogar körperlichen Einsatz. Die Schienen führen erst über die Eisenbahnbrücke, schlängeln sich dann durch die Dünen und laufen später am Meer entlang. Eine beeindruckende Strecke, nur nicht bei Ostwind. Der Ostwind lässt die Dünen wandern und sorgt dafür, dass die Schienen mit Sand bedeckt werden. Erzählungen zufolge soll der Schaffner an besagten Tagen und schon am Bahnhof beim Entgegennehmen der Fahrkarte dem Passagier eine Schaufel in die Hand gedrückt haben. Mitten auf der Strecke, plötzlich hält der Zug und das Kommando ertönt: „Alles aussteigen, Sand schippen!“ Den Passagieren sei die Aufgabe erteilt worden, die mit Sand zugewehten Schienen zu säubern.
Ob diese Schwitz-Aktion den Mitreisenden wohl Spaß gemacht hat? Bei Ankunft am Zielbahnhof habe der Schaffner die Schaufeln wieder eingesammelt, erzählt man sich.
Da es keine Zugrestaurants gibt, wird in jeder kleinen Stadt und an jeder Station länger Halt gemacht. Mit großem Hallo werden an jedem Bahnsteig die Reisenden willkommen geheißen und nach ausgiebiger Verpflegung mit winkendem Taschentuch wieder verabschiedet. Den ersten Frühstückskaffee gibt es in Nonidas und „während an der Steigung vom Kahn nach ‚Welwitch‘ sich die ‚Zwillingsloks‘ abmühen, haben die Reisenden sogar soviel Zeit, nebenbei auf Jagd zu gehen“, schreibt Hulda Rautenberg in ihrem Buch „Das alte Swakopmund“.
Die Bahnfahrt ist eine Reise wert. Zumindest wird sie das für Rudolf von Bennigsen. Der Direktor der Deutschen Kolonialgesellschaft bereist 1910 im Auftrag seiner Gesellschaft das Land. In der Nähe vom Rössingberg spaziert er während des Aufenthalts direkt an der Bahnlinie Swakopmund–Windhuk entlang und findet im Wüstensand einen großen Kristall. Der graugrüne Stein ist durch den Windschliff recht unansehnlich, dennoch nimmt Bennigsen ihn mit und überreicht ihn später seinem Freund, dem Juwelier und Mineralogen Professor Wilhelm Lukas von Cranach, in der Hoffnung, der Stein habe einen Wert. Cranach wiederum lässt den Stein in Idar bei Kreuznach/Deutschland schleifen. Das Resultat: Ein klarer, hellblauer Aquamarin von prächtigem Glanz.
Daraufhin belegt die Deutsche Kolonialgesellschaft die Felder um den Rössing und beauftragt den Geologen Dr. Ernst Reuning mit den Aufschlussarbeiten. Reuning findet Berylle verschiedener Färbung. Von den hellblauen Kristallen, den bekannten Aquamarinen, gibt es einige, doch vereinzelt stößt er auf „Nester“ von goldgelben und grüngelben Kristallen. Auch diese lässt Cranach in Idar schleifen und erfährt, dass diese goldgelbe Varietät unbekannt und nicht mit dem bekannten Goldberyll zu verwechseln ist. Eine wissenschaftliche Untersuchung wird durchgeführt und siehe da, „der neue Stein ist ein bisher unbekannter Edelstein, ein naher Verwandter des Smaragds, der ebenfalls ein Beryll ist, aber seine Farbe dem Gehalt an Chromoxyd verdankt“, berichtet am 11. Dezember 1913 die Zeitung. „Die prächtige goldgelbe Farbe des neuen Edelsteins ist wohl auf Eisenoxyd zurückzuführen und lässt sich – wie der Kaiser sagt – am besten mit der Farbe schönen alten Moselweins vergleichen.“ Cranach tauft den neuen Edelstein „Heliodor“ (Sonnengeschenk).
Theodor Leutwein versucht, die Heimat vom notwendigen Bau eines Schienenstrangs zu überzeugen, doch Kanzler Otto von Bismarck bleibt anfangs skeptisch. Der Dampfochse „Martin Luther“ habe doch schon versagt. „Und wer soll das alles bezahlen, reduzieren wir doch lieber die Schutztruppe“, kontert in Deutschland die Opposition. Zudem protestieren in der Kolonie die Ochsenwagen-Frachtfahrer. Sie sehen ihre Existenz bedroht. Leutwein hat es wirklich nicht leicht, Gehör zu finden. Nach zähen Verhandlungen und mit gewinnender Beredsamkeit des Schutztruppenoffiziers und Swakopmunds Stationschef Kurt Schwabe und Oberstleutnant Edmund Troost stimmt Deutschland endlich einer Eisenbahn zu.
Es existiert in Swakopmund zwar schon seit 1896 ein Schienenstrang, doch der ist lediglich drei Kilometer lang und erleichtert nur gering den Transport durch den dicken Sand vom Strand zu festerem Grund. Maulesel ziehen die Fracht auf sogenannten „Trolleys“. Um 1900 besitzt die Küstenstadt dann schon ein weit verzweigtes Gleisnetz und eine Straßenbahn für den Waren- und Personentransport. Edmund Troost führt diese Dienstleitung ein, im Volksmund „Troostsche Maultierbahn“ genannt. Bei starkem Südwestwind und richtiger Richtung nutzen die „Kutscher“ ein Segel, um die Maultiere zu entlasten. Eine Mark kostet die Fahrt von der Mole zum eleganten Bahnhofsgebäude. Dort steht der Zug ins Inland abfahrtbereit.
Die Bahn hat eine Spurweite von 69 Zentimetern. Der Betrieb findet mit Dampf statt. „Die zur Verwendung kommenden Maschinen sind die bei der Eisenbahntruppe für Kriegszwecke eingeführten Zwillingsmaschinen“, informiert die Zeitung ihre Leser. „Es sind zwei kleinere Maschinen derart zusammengekoppelt, dass die Führerstände zusammenstoßen. Die Bedienung beider Maschinen wird nur durch einen Maschinisten und einen Heizer ausgeführt. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt vorläufig 12 km in der Stunde, kann aber bis 15 km gesteigert werden.“
Auch wenn es um die Jahrhundertwende längst noch nicht komfortabel ist, jetzt spricht die Bahn auch den Menschen als Klientel an. „Reisen Sie mit der Bahn und erleben Sie eine unvergessliche Sensation.“ In der Tat. Anfangs gibt es nämlich nur Platz auf den Frachtgütern, doch schon bald lockt die Bahn mit Erste-Klasse-Abteilen: gemütliche Korbstühle auf einer eingeschobenen, offenen Holzplattform, überspannt mit einem Segeldach zum Schutz gegen die Sonne.
Einsteigen und ganz entspannt die Fahrt genießen ist aber nicht immer drin. Die Strecke zwischen Swakopmund und Walvis Bay fordert vom Passagier wetterbedingt sogar körperlichen Einsatz. Die Schienen führen erst über die Eisenbahnbrücke, schlängeln sich dann durch die Dünen und laufen später am Meer entlang. Eine beeindruckende Strecke, nur nicht bei Ostwind. Der Ostwind lässt die Dünen wandern und sorgt dafür, dass die Schienen mit Sand bedeckt werden. Erzählungen zufolge soll der Schaffner an besagten Tagen und schon am Bahnhof beim Entgegennehmen der Fahrkarte dem Passagier eine Schaufel in die Hand gedrückt haben. Mitten auf der Strecke, plötzlich hält der Zug und das Kommando ertönt: „Alles aussteigen, Sand schippen!“ Den Passagieren sei die Aufgabe erteilt worden, die mit Sand zugewehten Schienen zu säubern.
Ob diese Schwitz-Aktion den Mitreisenden wohl Spaß gemacht hat? Bei Ankunft am Zielbahnhof habe der Schaffner die Schaufeln wieder eingesammelt, erzählt man sich.
Da es keine Zugrestaurants gibt, wird in jeder kleinen Stadt und an jeder Station länger Halt gemacht. Mit großem Hallo werden an jedem Bahnsteig die Reisenden willkommen geheißen und nach ausgiebiger Verpflegung mit winkendem Taschentuch wieder verabschiedet. Den ersten Frühstückskaffee gibt es in Nonidas und „während an der Steigung vom Kahn nach ‚Welwitch‘ sich die ‚Zwillingsloks‘ abmühen, haben die Reisenden sogar soviel Zeit, nebenbei auf Jagd zu gehen“, schreibt Hulda Rautenberg in ihrem Buch „Das alte Swakopmund“.
Die Bahnfahrt ist eine Reise wert. Zumindest wird sie das für Rudolf von Bennigsen. Der Direktor der Deutschen Kolonialgesellschaft bereist 1910 im Auftrag seiner Gesellschaft das Land. In der Nähe vom Rössingberg spaziert er während des Aufenthalts direkt an der Bahnlinie Swakopmund–Windhuk entlang und findet im Wüstensand einen großen Kristall. Der graugrüne Stein ist durch den Windschliff recht unansehnlich, dennoch nimmt Bennigsen ihn mit und überreicht ihn später seinem Freund, dem Juwelier und Mineralogen Professor Wilhelm Lukas von Cranach, in der Hoffnung, der Stein habe einen Wert. Cranach wiederum lässt den Stein in Idar bei Kreuznach/Deutschland schleifen. Das Resultat: Ein klarer, hellblauer Aquamarin von prächtigem Glanz.
Daraufhin belegt die Deutsche Kolonialgesellschaft die Felder um den Rössing und beauftragt den Geologen Dr. Ernst Reuning mit den Aufschlussarbeiten. Reuning findet Berylle verschiedener Färbung. Von den hellblauen Kristallen, den bekannten Aquamarinen, gibt es einige, doch vereinzelt stößt er auf „Nester“ von goldgelben und grüngelben Kristallen. Auch diese lässt Cranach in Idar schleifen und erfährt, dass diese goldgelbe Varietät unbekannt und nicht mit dem bekannten Goldberyll zu verwechseln ist. Eine wissenschaftliche Untersuchung wird durchgeführt und siehe da, „der neue Stein ist ein bisher unbekannter Edelstein, ein naher Verwandter des Smaragds, der ebenfalls ein Beryll ist, aber seine Farbe dem Gehalt an Chromoxyd verdankt“, berichtet am 11. Dezember 1913 die Zeitung. „Die prächtige goldgelbe Farbe des neuen Edelsteins ist wohl auf Eisenoxyd zurückzuführen und lässt sich – wie der Kaiser sagt – am besten mit der Farbe schönen alten Moselweins vergleichen.“ Cranach tauft den neuen Edelstein „Heliodor“ (Sonnengeschenk).
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Allgemeine Zeitung
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