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"Bei einer Revolution leiden alle Leute"

Der Präsidentschaftskandidat der Swapo und Minister für Ländereien, Neusiedlung und Rehabilitierung, Hifikepunye Pohamba, beantwortet im Gespräch mit Eberhard Hofmann Fragen der Allgemeinen Zeitung über den Staat und die Landreform.

AZ: Die Verfassungsväter haben das Amt des Präsidenten mit beachtlicher Gewalt und Verantwortung ausgestattet - sozusagen als Exekutivpräsidenten. Wie legen Sie den Begriff "Exekutivpräsident" aus?

H. Pohamba: Nach meinem Verständnis ist der Exekutivpräsident in Namibia fester Bestandteil der Regierungsordnung. In der Verfassung sprechen wir von drei Branchen: Regierung/Exekutive, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Ich verstehe den Präsidenten als Teil der Exekutive und er ist für zwei Bereiche zuständig: Die Regierung hat dem Staat zu dienen und der Präsident vertritt den Staat und dient ihm als Oberhaupt der Regierung.

AZ: Bisher war der Präsident der regierenden Partei zugleich das Staatsoberhaupt. Das dürfte sich zu Beginn der nächsten Amtsperiode ändern. Sehen Sie in der Doppelrolle und doppelter Verantwortung irgendwelche Vor- oder Nachteile?

H. Pohamba: Der souveräne Staat Namibia hat nach der Unabhängigkeit mit dem Doppelamt begonnen, dass der Präsident der regierenden Partei gleichzeitig Präsident des Landes und der Regierung wurde. Es ist eine Regierung der herrschenden Partei, deshalb sagen wir Swapo-Regierung, die vom Präsident der Swapo angeführt wird. Gleichzeitig ist er Oberhaupt des Staates und Präsident der Regierung. Im März 2005, wenn der jetzige Amtsinhaber in den Ruhestand tritt, gilt der Beschluss der regierenden Partei. Wir sagen, der Präsident der Swapo soll seine Amtsperiode in der Partei zu Ende führen. Dieser Zeitpunkt kommt nicht mit der Beendigung seines Amts als Oberhaupt der Regierung überein. Als Mitglied der Partei sollte er auf der politischen Ebene weitermachen. Ich spreche hier unter der Annahme, dass Swapo die Wahlen gewinnt. Das gibt mir das Vertrauen, dass ich der Nachfolger des Präsidenten werde. Dieser Nachfolger ist dann der Präsident des Landes und der Regierung, aber nicht der herrschenden Partei. Sollte der Swapo-Kandidat die Präsidentschaft übernehmen (also meine Person) sehe ich keine Schwierigkeit, mit dem Präsidenten der regierenden Partei zusammen zu arbeiten, auch deshalb, weil ich in der Partei der Vizepräsident und also der Stellvertreter von Sam Nujoma bin. Unsere Partei wird auf kollektiver Grundlage betrieben. Der Präsident hat den Vorsitz, aber die Versammlung beschließt. Das ist seit der Unabhängigkeit so. Das Parteikollektiv erlässt Direktiven an die Regierung. Es ist keine "One Man Show". Viele Spieler aus vielen Organen der Partei wirken mit.

AZ: Politische Stabilität hat Namibia während der letzten 15 Jahre einen guten Ruf eingebracht - nach den Unruhen des langen Unabhängigkeitskampfes. Meinen Sie, dass das Staatsoberhaupt - der Exekutivpräsident - im Wesentlichen den Ton für eine stabile Staatsführung angeben kann?

H. Pohamba: Nein. Das bringt mich zu dem Punkt, den ich gerade erwähnt habe. Der Exekutivpräsident Namibias betreibt die Landespolitik nicht allein. Das geschieht stets mit den Mitgliedern des Kabinetts, das sich in der Regel dienstags trifft. Fragen werden unter seinem Vorsitz besprochen. Gibt es Zustimmung und Konsens, werden Beschlüsse ausgeführt oder, im Gegenteil, fallengelassen. Die Stabilität wird daher durch kollektive Beschlüsse im Kabinett bestimmt. Der Präsident steht nicht auf und gibt Befehle, ohne sich mit dem Kabinett beraten zu haben. Seine Nachfolger müssen sich ebenso daran halten.

AZ: Der derzeitige Inhaber des Präsidentenamts ruft sporadisch die wirkliche oder vermeintliche Bedrohung auf, der Namibia angeblich durch "Imperialisten" und "Kolonialisten" ausgesetzt ist. Teilen Sie diese Sicht? Können Sie der Nation von Namibia den Begriff "Imperialist" definieren?

H. Pohamba: Das ist eine Frage, zu der ich meinen Kommentar vorbehalte.

AZ: Können wir ein ander Mal darauf zurückkommen?

Pohamba: Ich könnte noch einmal darauf eingehen.

AZ: Die Arbeitslosigkeit ist eine chronische Herausforderung geblieben und der prozentuale Anteil hat sich - abgesehen von geringen Schwankungen - nicht vermindert. Bestehen für Sie Aussichten auf größere Investition und auf Entwicklung, die dem Beispiel der Textilindustrie ähneln?

H. Pohamba: Die namibische Regierung verfolgt eine Politik, Investoren ins Land, zur Regierung und zu den Leuten einzuladen. Diese Politik bleibt. Ich werde weiterhin Investoren auffordern, sich an der Entwicklung zu beteiligen. Die Arbeitslosigkeit lässt sich nur mit Entwicklungsprojekten bekämpfen. Meine Vorstellung für die Zukunft ist, dass wir durch unsere Einladung an Ausländer und an lokale Unternehmer die Investition in vielen Bereichen anregen. Das soll sich für die Investoren auch lohnen. Auf diese Weise können wir mehr Fabriken errichten und Arbeitsplätze schaffen. Die Arbeitsbeschaffung ist eine Voraussetzung zur Bekämpfung der Armut. Für die Investition bieten sich folgende Bereiche an: Straßenbau, Wohnungsbau, Schulen und Kliniken im ganzen Land. Wo es keine Investition gibt, bleibt jegliche Entwicklung aus.

AZ: Die Regierung hat vor kurzem durch den Einsatz eines weiteren Instruments das Tempo der Landreform beschleunigt - Enteignung ausgesuchter Farmen. Die Ankündigung durch den Minister für Ländereien, Neusiedlung und Rehabilitierung, dass "irgendeine produktive Farm" für solche Zwecke bestimmt werden kann, hat die Unberechenbarkeit ins Spiel gebracht und hat auf den meisten kommerziellen Farmen zu einem Stopp weiterer Investitionen, des Aufbaus und der Indienstnahme geführt. Wie würden Sie dieses Problem als Präsident ansprechen?

H. Pohamba: Der Beschluss, den die Regierung zum Landerwerb von Besitzern verfolgt, stammt aus der Landkonferenz von 1991. Der Beschluss führte die Regierung zur Verabschiedung eines Gesetzes, das nach extensiver Untersuchung durch Juristen verabschiedet wurde. Sie haben das Ergebnis der Landkonferenz und die namibische Verfassung herangezogen. Das Gesetz steht also im Rahmen der Ergebnisse von 1991 und stimmt mit der Verfassung überein. Die Landreform hat mit dem Grundsatz williger Käufer, williger Verkäufer begonnen, den wir nach wie vor verwenden, aber der Druck von den Landlosen hat zugenommen, sogar zum Ausmaß angedrohter illegaler Besetzung von Farmen. In den Augen der Regierung sah das wie eine Revolution aus. Die Atmosphäre war durch Revolution geschwängert, durch bestimmte Gruppen im Land angestiftet. Wir wissen was eine Revolution ist, deshalb waren wir überzeugt, dass wir sie verhindern müssen. Wenn sich eine Revolution abspielt, leiden die Leute, sowohl die Habenden als auch die Regierenden und diejenigen, die nichts haben. Manchmal leiden die Revoluzzer selbst durch ihr Handeln. Wir haben uns dann den langsamen Verlauf der Landreform durch das freiwillige Verkaufskonzept angesehen. Nicht jeder kann Land haben, mancher will nur ein Grundstück, eine Kleinsiedlung. Wir haben uns versammelt und die Frage im politischen Forum diskutiert. Dabei haben wir die Verfassung und Gesetze herangezogen und kamen zum Schluss, dass die Regierung auf legalem Weg nach der Verfassung Land enteignen kann. Diesen Vorgang mit der Option der Enteignung haben wir zusammen mit dem bestehenden Konzept des willigen Käufers und willigen Verkäufers in Gang gesetzt. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist noch keine Farm enteignet worden, aber der Prozess ist im Gang. Es ist ein politischer Beschluss, der im politischen Forum gefasst wurde. Es ist kein Beschluss des Präsidenten allein, sondern eine Kollektiventscheidung. Bevor wir damit angefangen haben, haben wir uns nach geeignetem Grund und Boden zur Neusiedlung umgesehen und den Brief zur Ankündigung an den Besitzer ausgesandt, dass die Regierung sich für die Farm interessiert, um Leute anzusiedeln. Wir haben die Bitte gestellt: "Können Sie der Regierung bitte Ihre Farm verkaufen." Solche Briefe sind hinaus gegangen. Einige Empfänger haben zustimmend reagiert, aber natürlich sind das sehr wenige. Bei der Mehrzahl war die Antwort negativ.

AZ: Wie würden Sie als Präsident das Problem der Unsicherheit ansprechen?

H. Pohamba: Als Präsident habe ich den kollektiven Beschluss durchzuführen, der unter dem Gesetz und der Verfassung steht. Kein Stück Land darf illegal genommen werden. Es muss im Rahmen von Artikel 16 der Verfassung geschehen. Ja, die Leute haben das Recht zu sagen, dass die Dinge nicht gut laufen. Die Verfassung räumt das ein. Der Präsident muss aber den kollektiven Beschluss der Regierung, der herrschenden Partei und im Sinne der Landkonferenz von 1991 durchführen. Zur Enteignung - manche verstehen das als eine Neuigkeit. Sie ist nicht neu. Als Bantustans geschaffen wurden, wurden zum Beispiel Farmen um Khorixas im Interesse der damaligen Ordnung enteignet. Das geschah im proklamierten Gebiet.

Zur Unsicherheit und der Gefahr eingestellter Investition - das ist ein guter Punkt. Daher fordere ich die Leute auf, ihre Meinung zu äußern. Ich sehe das als einen sehr gültigen Punkt an, den ich erwägen muss. Es leuchtet ein, dass eine Person, die nicht weiß, was morgen passiert, für das nächste Jahr nicht weiter planen will.

AZ: Können Sie sich einen zeitlich begrenzten Rahmen vorstellen, innerhalb dem die Landreform ihr Ziel erreicht haben wird, so dass der Landwirtschaftssektor eher wieder durch die Marktdynamik, Arbeitsfaktoren und durch Entwicklung als durch zentrale Intervention betrieben wird?

H. Pohamba: Diese Frage ist schwieriger als alle anderen. Wir schätzen, dass wir noch neun Millionen Hektar brauchen, um die Menschen anzusiedeln, die Anträge auf Neusiedlung gestellt haben. Das wird ein langer Prozess. Wenn wir unsere Bilanz des Landerwerbs betrachten, haben wir weniger als eine Million Hektar erworben. Das Tempo ist also zu langsam. Um neun Millionen Hektar zu erwerben, wird etliche Jahre dauern. Als Regierung möchten wir mehr Dynamik in der Landreform und sofortige Resultate sehen. Den neuen Siedlern sagen wir: Du musst wenigstens soviel produzieren wie der vorige Eigentümer. Einige Neusiedler haben sich beschwert, dass ihr zugeteiltes Land zu klein sei. Wenn eine Farm für drei Neusiedler aufgeteilt wird, erwarten wir, dass die Viehzahl nicht die Grenze des vorigen Eigentümers überschreitet, denn die Tragfähigkeit verändert sich ja nicht. Bei der Neusiedlung müssen vor allem ehemalige Landarbeiter berücksichtigt werden. Für Startkapital müssen sich die Neusiedler mit der Sicherheit ihres Bodens an die AgriBank wenden. Einige farmen schon sehr erfolgreich und wollen noch mehr dazu kaufen. Das System der Vorzugsdarlehen funktioniert sehr gut. Dadurch haben schon über drei Millionen Hektar den Besitzer gewechselt. Hier finden sich Leute, die oft schon woanders arbeiten oder ein Geschäft besitzen.

AZ: Bieten sich geeignete Schritte und Maßnahmen, das namibische Sozial- und Arbeitsgefüge zu stärken?

H. Pohamba: Solche Maßnahmen werden bereits durchgeführt, um Fertigkeiten zu entwickeln. Im Farmbereich weiß ich den Einsatz zum Beispiel von Farmern in der Region Hardap und Omaheke zu schätzen, die den Neusiedlern durch Fortbildung Fertigkeiten zur Landwirtschaft vermitteln. Man braucht nicht unbedingt ins College zu gehen. Ich freue mich über den Einsatz dieser (kommerzieller) Farmer.

AZ: Häufig wird die Regierung kritisiert, dass sich unter ihrer Regie die Lebensqualität der am meisten Benachteiligten und der Randgruppen der namibischen Gesellschaft seit der Unabhängigkeit nicht geändert habe, wie es der vergleichende Sozialindex der Vereinten Nationen belegt.

H. Pohamba: Es stimmt. Wir haben sehr benachteiligte Menschen in unserer Gesellschaft, zum Beispiel die San. Ich freue mich aber über einige, die bei Mangetti-Dune erfolgreich Felder bestellen. Aber bei anderen Gruppen und Stämmen ist es schwierig. Zu bestimmten Jahreszeiten verschwindet die Gemeinschaft und kommt erst in ein zwei Monaten zurück. Wir müssen mit der Entwicklung also ständig dran bleiben. In einem Jahr ist es nicht geschafft. Die Kultur der Leute muss sich ändern und das braucht Zeit. Die Mangetti-Gemeinschaft behält ihre Kinder wenigstens ständig in der Schule.

AZ: Sehen Sie in der Kriminalität, inklusive Verbrechen an Frauen und Kindern, eine Herausforderung?

H. Pohamba: Das ist eine große Herausforderung für die Regierung und die Gesellschaft. Menschen, die ihre Freiheit genießen sollten, können das wegen der Kriminalität nicht tun. Sie bedroht den Frieden. Als Regierung, Gesellschaft und Geschäftswelt sind wir gemeinsam verantwortlich, sonst steigt die Zahl der Verbrechen weiter. Eine Lösung sehe ich in der engeren Zusammenarbeit der Bürger mit der Polizei. Diese Fragen beunruhigen mich sehr.

AZ: Teilen Sie den Stolz der Bürger, wenn ihnen so manch Besucher aus dem Ausland bescheinigt, dass die namibische Nation hauptsächlich aus toleranten und freundlichen Menschen besteht?

H. Pohamba: Ich teile den Stolz. Dieses Bild sollten wir unbedingt noch verbessern, indem wir die Kriminellen hinter Gitter bringen. Bürger und Besucher sollen sich im Land frei bewegen.

AZ: Danke für das Gespräch.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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