Beihilfe zu 250000 Straftaten
Erster Prozess um ein deutsches Darknet-Rechenzentrum beginnt
Von Birgit Reichert, dpa
Trier
Die Schaltstelle für millionenschwere kriminelle Geschäfte im Darknet war in einem ehemaligen Bunker versteckt. Über fünf Etagen unter der Erde verteilt standen mehr als 400 Server, über die Kriminelle aus aller Welt Drogen verkauften, Kinderpornos verschickten, Cyberangriffe starteten oder Falschgeld vertickten. Ende September 2019 war der Cyberbunker in Traben-Trarbach (Rheinland-Pfalz) in einer großen Polizeiaktion ausgehoben worden. Nun beginnt der Prozess gegen die Betreiber: Ab nächsten Montag (19. Oktober) müssen sich acht Angeklagte wegen Beihilfe zu rund 250 000 Straftaten vor dem Landgericht Trier verantworten.
Was ist das Besondere an dem Verfahren? Erstmals stehen nicht die Täter im Fokus, die im Darknet etwa Drogen oder Waffen verkaufen, sondern die, die die Geschäfte erst möglich machen. „Es ist das erste Verfahren überhaupt dieser Art“, sagt Oberstaatsanwalt Jörg Angerer von der Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz. Die Anklage richtet sich gegen Betreiber von einem „Bulletproof-Host“, der gegen Entgelt kriminellen Kunden ein vor dem Zugriff der Polizei sicheres Datenzentrum zur Verfügung stellt.
Wer steckt dahinter? Beschuldigt sind vier Niederländer, drei Deutsche und ein Bulgare. „Kopf der Gruppe“ soll ein 60-jähriger Niederländer sein, der den zuvor von der Bundeswehr genutzten Bunker Ende 2013 erworben hatte. Laut Anklage war er derjenige, der alle geschäftlichen Entscheidungen traf. Ein weiterer Niederländer soll als eine Art Manager fungiert haben, eine Deutsche war die „Buchhalterin“. Die übrigen im Team zwischen 21 und 60 Jahren seien als Administratoren für Technik und IT zuständig gewesen. Sie sollen in wechselnder Beteiligung bei den Taten dabei gewesen sein.
Was ist über die Server gelaufen? Dicke Fische waren der weltweit zweitgrößte Darknet-Marktplatz für verbotene Güter namens „Wall Street Market“ den Ermittler im Frühjahr 2019 zerschlagen hatten - unter anderem mit rund 240000 Betäubungsmittel-Deals im Wert von gut 36 Millionen Euro. Gehostete Seiten waren demnach auch der Marktplatz „Cannabis Road“ mit knapp 4000 Einzelverkäufen von Cannabisprodukten - und das Untergrundforum „Fraudsters“, über das Daten, Falschgeld, Ausweise und Drogen gehandelt wurden.
Zum Kundenstamm gehörte auch die Darknet-Plattform „Flugsvamp“, die illegale Betäubungsmittel und verschreibungspflichtige Medikamente im Wert von 30 bis 40 Millionen Euro umsetzte. Und auch der Botnetz-Angriff auf 1,25 Millionen Telekom-Router Ende November 2016 wurde laut Generalstaatsanwaltschaft über Server im Cyberbunker gesteuert. Geschätzter Schaden: zwei Millionen Euro.
Warum haben die Ermittler fast fünf Jahre gebraucht, bis sie zuschlugen? „Weil es sehr aufwendig war, nachzuweisen, dass die Betreiber Kenntnis von den Machenschaften ihrer Kunden hatten“, sagt Angerer. Das sei aber zentral gewesen, um sie wegen Beihilfe anklagen zu können. Gelungen sei es über die Überwachung des Netzknotens im Rechenzentrum. Unter anderem anhand von Chats könne man belegen, dass die kriminelle Vereinigung von den Machenschaften wusste und diese durch die Bereitstellung der Server „maßgeblich unterstützt und gefördert“ habe.
Wieviel IT war im Ex-Bunker der Bundeswehr? Die bei dem Zugriff sichergestellte Datenmenge unter anderem auf 886 physischen und virtuellen Servern umfasst zwei Millionen Gigabyte: Auf CD gebrannt wären das 2,6 Millionen CDs, die aufeinander gestapelt eine Höhe von 8000 Meter ergäben, hatte Kriminalhauptkommissar Patrick Fata vom Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz erklärt. Einige physische und virtuelle Server seien noch „voll verschlüsselt“.
Läuft die Auswertung der Server noch? „Ja, wir sind noch dran und es wird auch noch dauern“, sagt Angerer. Nach einer Grobauswertung ist das jetzige Verfahren auf sieben Tatkomplexe beschränkt. Es könne aber sein, dass nach der „Feinauswertung“ der Computer weitere Anklagen wegen neuer Beihilfe-Taten auf die Bande zukämen.
Und was ist mit den kriminellen Kunden des Cyberbunkers? Die Daten würden auch daraufhin geprüft, ob sie zum Nachweis von Straftaten reichten, sagt der Oberstaatsanwalt. Es gebe auch schon weitere Verfahren, die sich aus dem Cyberbunker-Komplex ergeben hätten. „Sie sind gerade angelaufen. Da sind wir noch in der verdeckten Phase.“ Es seien „durchaus potente Kunden darunter“.
Wie läuft der Prozess jetzt ab? Das „Bunkerverfahren“ ist nach Angaben des Landgerichts Trier bis Ende 2021 jeweils auf montags und donnerstags terminiert - Feiertage ausgenommen. Wegen der Corona-Pandemie sind im Gerichtssaal nur 23 Sitzplätze für Besucher zugelassen, darunter elf für Medienvertreter. Am ersten Prozesstag könnte zunächst die 40-seitige Anklage verlesen werden.
Trier
Die Schaltstelle für millionenschwere kriminelle Geschäfte im Darknet war in einem ehemaligen Bunker versteckt. Über fünf Etagen unter der Erde verteilt standen mehr als 400 Server, über die Kriminelle aus aller Welt Drogen verkauften, Kinderpornos verschickten, Cyberangriffe starteten oder Falschgeld vertickten. Ende September 2019 war der Cyberbunker in Traben-Trarbach (Rheinland-Pfalz) in einer großen Polizeiaktion ausgehoben worden. Nun beginnt der Prozess gegen die Betreiber: Ab nächsten Montag (19. Oktober) müssen sich acht Angeklagte wegen Beihilfe zu rund 250 000 Straftaten vor dem Landgericht Trier verantworten.
Was ist das Besondere an dem Verfahren? Erstmals stehen nicht die Täter im Fokus, die im Darknet etwa Drogen oder Waffen verkaufen, sondern die, die die Geschäfte erst möglich machen. „Es ist das erste Verfahren überhaupt dieser Art“, sagt Oberstaatsanwalt Jörg Angerer von der Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz. Die Anklage richtet sich gegen Betreiber von einem „Bulletproof-Host“, der gegen Entgelt kriminellen Kunden ein vor dem Zugriff der Polizei sicheres Datenzentrum zur Verfügung stellt.
Wer steckt dahinter? Beschuldigt sind vier Niederländer, drei Deutsche und ein Bulgare. „Kopf der Gruppe“ soll ein 60-jähriger Niederländer sein, der den zuvor von der Bundeswehr genutzten Bunker Ende 2013 erworben hatte. Laut Anklage war er derjenige, der alle geschäftlichen Entscheidungen traf. Ein weiterer Niederländer soll als eine Art Manager fungiert haben, eine Deutsche war die „Buchhalterin“. Die übrigen im Team zwischen 21 und 60 Jahren seien als Administratoren für Technik und IT zuständig gewesen. Sie sollen in wechselnder Beteiligung bei den Taten dabei gewesen sein.
Was ist über die Server gelaufen? Dicke Fische waren der weltweit zweitgrößte Darknet-Marktplatz für verbotene Güter namens „Wall Street Market“ den Ermittler im Frühjahr 2019 zerschlagen hatten - unter anderem mit rund 240000 Betäubungsmittel-Deals im Wert von gut 36 Millionen Euro. Gehostete Seiten waren demnach auch der Marktplatz „Cannabis Road“ mit knapp 4000 Einzelverkäufen von Cannabisprodukten - und das Untergrundforum „Fraudsters“, über das Daten, Falschgeld, Ausweise und Drogen gehandelt wurden.
Zum Kundenstamm gehörte auch die Darknet-Plattform „Flugsvamp“, die illegale Betäubungsmittel und verschreibungspflichtige Medikamente im Wert von 30 bis 40 Millionen Euro umsetzte. Und auch der Botnetz-Angriff auf 1,25 Millionen Telekom-Router Ende November 2016 wurde laut Generalstaatsanwaltschaft über Server im Cyberbunker gesteuert. Geschätzter Schaden: zwei Millionen Euro.
Warum haben die Ermittler fast fünf Jahre gebraucht, bis sie zuschlugen? „Weil es sehr aufwendig war, nachzuweisen, dass die Betreiber Kenntnis von den Machenschaften ihrer Kunden hatten“, sagt Angerer. Das sei aber zentral gewesen, um sie wegen Beihilfe anklagen zu können. Gelungen sei es über die Überwachung des Netzknotens im Rechenzentrum. Unter anderem anhand von Chats könne man belegen, dass die kriminelle Vereinigung von den Machenschaften wusste und diese durch die Bereitstellung der Server „maßgeblich unterstützt und gefördert“ habe.
Wieviel IT war im Ex-Bunker der Bundeswehr? Die bei dem Zugriff sichergestellte Datenmenge unter anderem auf 886 physischen und virtuellen Servern umfasst zwei Millionen Gigabyte: Auf CD gebrannt wären das 2,6 Millionen CDs, die aufeinander gestapelt eine Höhe von 8000 Meter ergäben, hatte Kriminalhauptkommissar Patrick Fata vom Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz erklärt. Einige physische und virtuelle Server seien noch „voll verschlüsselt“.
Läuft die Auswertung der Server noch? „Ja, wir sind noch dran und es wird auch noch dauern“, sagt Angerer. Nach einer Grobauswertung ist das jetzige Verfahren auf sieben Tatkomplexe beschränkt. Es könne aber sein, dass nach der „Feinauswertung“ der Computer weitere Anklagen wegen neuer Beihilfe-Taten auf die Bande zukämen.
Und was ist mit den kriminellen Kunden des Cyberbunkers? Die Daten würden auch daraufhin geprüft, ob sie zum Nachweis von Straftaten reichten, sagt der Oberstaatsanwalt. Es gebe auch schon weitere Verfahren, die sich aus dem Cyberbunker-Komplex ergeben hätten. „Sie sind gerade angelaufen. Da sind wir noch in der verdeckten Phase.“ Es seien „durchaus potente Kunden darunter“.
Wie läuft der Prozess jetzt ab? Das „Bunkerverfahren“ ist nach Angaben des Landgerichts Trier bis Ende 2021 jeweils auf montags und donnerstags terminiert - Feiertage ausgenommen. Wegen der Corona-Pandemie sind im Gerichtssaal nur 23 Sitzplätze für Besucher zugelassen, darunter elf für Medienvertreter. Am ersten Prozesstag könnte zunächst die 40-seitige Anklage verlesen werden.
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Allgemeine Zeitung
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