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Über andere Perspektiven und das perfekte Bild

Stundenlang auf dem Bordstein liegen und warten
Clemens von Alten
Fotografie ist eine Art des Malens mit natürlichem Licht“ meint Helga Kohl, während sie sich in ihrer derzeitigen Ausstellung umsieht. Sie ist eine Fotografin der alten Schule und Meisterin des analogen Fotografierens. Auf die Frage, ob es das perfekte Foto gebe, antwortet sie selbstbewusst: „Schauen Sie sich doch mal hier um!“ – und dabei hat sie nicht Unrecht. Kohls Fotografien sprechen eine eigene Sprache, sie sind definiert durch die wahnsinnige Geduld der Künstlerin. Oft dauert es Stunden bis die perfekte Perspektive, das interessanteste Licht und die ästhetischste Wolke einen Einklang bilden. So lange harre sie dann aus, sagt Kohl.

Kohl wurde in Polen geboren, zog als Heranwachsende nach Deutschland, wo sie in Münster eine Ausbildung zur Fotografin absolvierte. Nebenbei ging sie zur Abendschule und nahm Kunstunterricht. 1970 wurde sie dann auf ein Jobangebot in Walvis Bay aufmerksam, schrieb einen Brief und packte innerhalb von zwei Wochen ihre sieben Sachen. Heute wohnt Kohl in Windhoek. Sie wollte ursprünglich Architektin werden, entdeckte während ihrer Lehre aber die Liebe zur Fotografie – und kombinierte sie kurzerhand mit Architektur. Schmunzelnd erinnert sie sich an die Anfänge ihrer Karriere. Fotografie galt in den 70er und 80er Jahren in Namibia nicht als Kunst, erklärt sie. Trotzdem reichte sie bei der Biennale ein Bildnis einer alten Buschmann-Frau ein und versuchte ihr Glück. Ein Mitglied des Komitees setzte sich damals in besonderem Maße dafür ein, dass das Bild ausgestellt wurde – noch heute blickt Kohl dankbar darauf zurück. Dadurch sei der Weg für Fotografie in der namibischen Kunstszene geebnet worden. Ihren Durchbruch erlebte sie 2005, als ihre Werke aus der ehemaligen Diamantenstadt Kolmanskop bei der Biennale in Mali ausgestellt wurden. Ein denkwürdiger Moment für Kohl, denn das Museum in Mali gilt als das Fotografie-Museum des afrikanischen Kontinents. 2015 spendete sie dann sechs Fotografien an das Museum, welche in Elisabeth-Bucht aufgenommen wurden. Zwischenzeitlich stellte Kohl ihre Werke ebenso in Europa und den USA aus.


Geduld als Schlüssel

Kohls jetzige Bekanntheit ist nicht selbstverständlich, sie erfuhr viel Unterstützung, arbeitete aber auch hart an sich selbst und ihrer Fotografie. Ein guter Fotograf könne nicht jeder werden, man brauche einen speziellen Blick auf Lichtverhältnisse. Zudem benötige man Geduld, um zu betrachten und zu sehen, was das Motiv hergibt. Und gerade in Namibia habe man es sehr schwer als Fotograf, sagt Kohl. Davon zu leben sei kaum möglich. Ausstellungen musste sie stets selbst finanzieren, die aktuelle sei die erste, die gefördert würde. Beim Gang durch ihre Ausstellung „Perspectives“, die noch bis zum 28. Juli in der National Art Gallery in Windhoek ausgestellt wird, erzählt sie von dem Entstehungsprozess der Fotografien. Wie sie stundenlang auf dem Bordstein liegt, observiert, um dann schlussendlich den Abzug zu drücken. Dabei verlässt sie sich beim Fotografieren auf ihr Gefühl – das zeige ihr, ob es ein Motiv für wert sei oder nicht. Was sie an der Fotografie so begeistert, kann sie nicht in Worte fassen, aber ihr Gesicht spricht Bände – die Frau lebt für das perfekte Bild, Begeisterung füllt ihr Gesicht, während ihr die passenden Worte fehlen. Auf Grund dieser Leidenschaft sei sie wirtschaftlich schlecht, gibt sie grinsend zu. Die Bilder, die sie fotografiert sollen etwas erzählen und etwas sein, worauf sie stolz ist – Drittmeinungen und Wirtschaftlichkeit sind dabei nur zweitrangig für Kohl. Ob es dem Publikum gefällt oder nicht – davon macht sie ihre Arbeit nicht abhängig. Auf die Frage hin, was ein perfektes Bild definiert, kommt Kohl wieder auf unmanipulierte Kompositionen und Lichtverhältnisse zurück, aber auch, dass ein Bild etwas Besonderes kreieren muss, einen neuen Blick auf Dinge eröffnen sollte. Und an dieser Stelle bildet sich auch erneut ihr Interesse für Architektur und Struktur ab. Architektur sei ihr professioneller Gefährte, den sie ihr ganzes Leben lang respektiere und verehre. Kohl versteht es, Gebäude aus ihrem Kontext zu reißen und einen neuen Zusammenhang zu erschaffen. So gelingt es ihr, ungeliebten, oft als hässlich bezeichneten Gebäude etwas Schönes und Interessantes abzugewinnen – sie in das richtige Licht zu rücken. Gerade das Licht spiele dabei eine große Rolle, sagt sie. Als sie die Faszination für Licht entdeckte, entschied sie sich, Fotografin zu werden, sagt Kohl heute. Das Spiel und der Kontrast zwischen Beleuchtung und Dunkelheit seien für ein gutes Foto einfach essentiell. Der Schatten dürfe nicht zu dunkel sein, er muss Strukturen offenbaren, den Betrachter neugierig machen. Licht dürfe gleichzeitig nicht die Überhand gewinnen – die beiden Aspekte müssen miteinander kooperieren. In Namibia fotografiert Helga Kohl am liebsten in der Regenzeit, da das Tageslicht dann weicher ist und mehr Wolken am Himmel hängen.

Digitaler Fotografie kann Kohl allerdings nur wenig abgewinnen. Das seien nur Pixel, wohingegen ein analoges Negativ für lange Zeit bestehe. Auch die massiven Veränderungen durch Bildbearbeitungen ärgern sie – so werden die Menschen manipuliert, ohne zu wissen, ob das Bild wirklich gut ist oder nicht. Damit gehe eine Oberflächlichkeit einher, die die Leute verlernen lasse, was es bedeutet, zu fotografieren. Ein Foto müsse von Anfang an richtig sein, was sie so an dem analogen Fotografieren reize. Die Kompositionen, Einstellungen und der Bildausschnitt – das alles in Einklang zu bringen, das zeige wirkliches Können. Analog komme wieder, da ist sich die Künstlerin sicher.


Neue Experimente wagen

Die letzten Jahre legte Kohl eine fotografische Pause ein, da ihr nach einem traumatischen Überfall sämtliches Equipment gestohlen wurde. Sie ist eine Perfektionistin: jahrelang suchte sie nach der einen Kamera, die ihr gestohlen wurde, bis sie sie vor ein paar Monaten endlich in den USA fand; das benötigte Weitwinkel-Objektiv kam aus Australien. Jetzt, wo Kohl wieder standesgemäß ausgestattet ist, steht auch schon ein neues Projekt in den Startlöchern. Dabei wagt die Fotografin etwas Neues, eine experimentelle Herangehensweise an das Fotografieren. Kohl erzählt, sie habe noch 35 abgelaufene Filme zuhause, die sich nicht mehr für Dokumentationsfotografie eignen. Demnach suche sie sich Kunstobjekte, die sie mit den abgelaufenen Filmen fotografieren kann. Sie möchte beobachten, wie sich die Farben verschieben und sehen, was dabei rauskommt. Auch nach all den Jahren als Fotografin ist Kohls Leidenschaft für die Thematik ungehemmt, sich etwas Neuem zuzuwenden, etwas auszuprobieren und zu wagen ist für die Künstlerin eine Herausforderung, die sie nach wie vor gerne annimmt.

An Namibia liebt Kohl die Weite des Landes, die Ruhe – für sie ist es das Ziel. Die Verbundenheit zur Natur sei einfach unvergleichlich. Länder wie die USA sagen ihr nichts, sprechen nicht ihre Sprache. Auf die Frage hin, was ihre schönste Erinnerung in Namibia ist, antwortet sie: „Wenn Sie oben auf einer Düne stehen und sich umsehen, die anderen Dünen, die ganze Landschaft sehen – das ist ein so toller Augenblick. Es ist unglaublich, so viel Schönheit.“ Kohl hat in Namibia ein Zuhause gefunden, das sie nicht missen möchte. So lange sie kann, werde sie hier bleiben und leben, weiter fotografieren und ausstellen. Wir verabschieden uns und hoffen, dass dies noch lange der Fall sein wird.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-16

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