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Über HIV, AIDS und die Gesellschaft

WAZon-Redakteur
„Tödliche Seuche“, „Die Bombe ist gelegt“, „Wege aus der Angst“ und „Wenn es dich trifft, stirbst du“: Schlagzeilen wie diese kursierten in den Medien der 1980er Jahre. Alle samt thematisierten das HI-Virus – welches lange als sicheres Todesurteil galt. HIV bedeutet „Humane Immundefizienz-Virus“; es handelt sich dabei um eine Erkrankung, bei der die natürlichen Abwehrkräfte des Menschen beschädigt werden und die ohne Behandlung tödlich verläuft. Denn der Körper eines HIV-Positiven kann sich nicht mehr gegen Infektionen wehren, sodass bestimmte Erkrankungen wie schwere Lungenentzündungen auftreten und zum Tode führen. In diesen Fällen spricht man dann von AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome), was so viel wie „erworbenes Abwehrschwäche-Syndrom“ bedeutet. Betroffene wurden gemieden, gar aus der Gesellschaft verstoßen. Menschen hatten Angst vor ihnen. Angst, sich selbst anzustecken – zu neu und unberechenbar war die Erkrankung damals.
Heute kann man gut mit dem Virus leben. Vielerlei Medikamente können potenziell gefährdete Menschen vor einer Infektion schützen, bereits Infizierten ein weitestgehend normales Leben gewährleisten und den Ausbruch von AIDS verhindern. Nichtsdestotrotz leben HIV-Positive meist nach wie vor am Rande der Gesellschaft. Ungern outen sich Infizierte, da sie um ihre Reputation bangen. Viele Benachteiligungen, ob in der Berufswelt oder im Privatleben, gehören zum Alltag der Kranken. Besonders Gesellschaftsgruppen, die ohnehin marginalisiert werden, bekommen diese Benachteiligungen intensiv zu spüren.
Die Nichtregierungsorganisation Positive Vibes (PV),die auch mit einem Sitz in Windhoek vertreten ist, unterstützt HIV-positive Menschen dabei, Stigma und Verurteilungen zu bewältigen und ihre Erkrankung als Teil ihrer selbst anzuerkennen. Dabei agieren sie in einem engen Netzwerk aus verschiedenen Interessensgruppen in 17 verschiedenen Ländern. Sie unterstützen Menschen, die bereits von ihrer Infektion wissen und bereit sind, dagegen anzugehen. So zeigt Positive Vibes ihnen Perspektiven auf; erklärt, welche Möglichkeiten und unterstützende Angebote es gibt. Am wichtigsten sei es Positive Vibes jedoch, den Menschen ein anderes – ein positives Selbstbild zu verschaffen, meint PV-Direktorin Salen Kambinda. „Viele HIV-Positive schämen sich und verbergen ihre Identität“, sagt sie weiter. In Workshops helfen sie, die eigene (sexuelle) Identität zu entdecken und diese zu akzeptieren. Gerade die LGBT-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender), Prostituierte und Adoleszente haben mit Identitätsfragen zu kämpfen, erklärt Kambinda. Positive Vibes habe sich in ihrer Arbeit auf diese Gesellschaftsgruppen spezialisiert, da sie oftmals keinen Rückhalt durch ihr Umfeld erfahren. LGBTs und Prostituierte kämpfen häufig damit, von der Gesellschaft anerkannt zu werden; den Heranwachsenden fehlt es an Aufklärung: Jugendliche wissen in vielen Fällen nichts von ihrer Infektion mit dem HI-Virus. Viele von ihnen werden bereits damit geboren, da ihre Eltern positiv sind. In allen dreien dieser Fälle fehle es den Betroffenen an Unterstützung, betont Kambinda.
Positive Vibes wurde vor 20 Jahren gegründet – damals ging es noch darum, marginalisierten Gruppen im Norden Namibias zu helfen. Erst später konzentrierte sich die Nichtregierungsorganisation dann auf HIV. In enger Zusammenarbeit mit der Regierung, die die betreuten Gruppen oftmals an die Organisation heranführt, möchte Positive Vibes Diskriminierung mindern und normative Werte stützen, um so langfristig die Menschenrechtslage zu verbessern. Diese Veränderungen könne man nur in Kooperation erreichen. Denn die Mitarbeiter von Positive Vibes seien keine Berater, keine Ärzte und auch keine Psychologen. Sie decken eine Grauzone zwischen den existierenden Institutionen ab, ordnet Kambinda ein. Die Arbeit mit marginalisierten Gesellschaftsgruppen erfordere sehr viel Fingerspitzengefühl. Es liege „in der DNA“ von Positive Vibes, die Klienten mit Respekt und Würde zu behandeln. Die Person, die sich an Positive Vibes wendet, stehe im Zentrum des Geschehens – nach deren Bedürfnissen werde die Betreuung gestaltet. Menschen, die von Positive Vibes betreut werden, sollen – sofern sie dies möchten – idealerweise ihre Stimme zu Gunsten sozialer Eingliederung und Gerechtigkeit einsetzen, sodass folgende HIV-positive Generationen nicht mehr ausgegrenzt werden, sondern Inklusion die moderne Gesellschaft prägen kann. Bisher sei dies jedoch nur eine Vision von Positive Vibes, denn HIV-Positive verstecken sich und bis zum Ideal ist es noch ein langer Weg – auch in Namibia.
Zwar befinde sich Namibia im Umgang mit HIV auf dem richtigen Weg, dennoch ist das subsaharische Afrika nach wie vor sozusagen der „Brandherd“ des Virus. Gegenüber anderen Kontinenten liegen afrikanische Länder im internationalen Vergleich mit vielen Infizierten weit vorne im Ranking – laut der „Central Intelligence Agency“ (CIA) sind die weltweit 16 Länder mit den höchsten HIV-Raten alle samt afrikanisch. Besonders Südafrika kämpft mit dem dort weitverbreiteten Virus. Auch Namibia befindet sich unter den Top Fünf dieses Rankings, erzielte zuletzt jedoch große Erfolge, wie die neue NAMPHIA-Studie, die im Rahmen der Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam veröffentlicht wurde, zeigt.
Demnach erreichte das Land in den vergangenen Jahren viele Ziele: Infektionsraten sanken und die Medikation des Virus zeigte weitgehend Wirkung. 2013 waren laut NAMPHIA 14% der namibischen Bevölkerung HIV-positiv, heute seien es noch 12,6%. NAMPHIA (Populationsbasierte HIV-Folgenabschätzung in Namibia) befragte zwischen Juni und Dezember 2017 insgesamt 24 000 Menschen in allen Regionen des Landes. Die Initiative geht zurück auf das Gesundheitsministerium, die Namibische Statistikagentur, das Institut für Pathologie und den Notfallplan des US-Präsidenten zur AIDS-Linderung. Die PHIA-Befragungen wurden in 13 verschiedenen Ländern durchgeführt. In Namibia wurden besonders regionale Unterschiede deutlich, wonach der Norden des Landes laut der Studie mit höheren HIV-Raten zu kämpfen habe als der Süden. Die Sambesi-Region, wo jeder fünfte Mensch HIV hat, weist dabei die größte Dichte in der Bevölkerung auf. Dazu verglichen haben die Regionen Khomas (jeder 12.) und Kunene (jeder 13.) die niedrigsten HIV-Fallzahlen Namibias. Die nördlichen Regionen haben jedoch auch die größte Bevölkerungsdichte und die besten Ergebnisse bezüglich der Unterdrückung der Viruslast. 77% der HIV-Positiven in Namibia nehmen ART-Medikamente (antiretrovirale Therapie) und unterdrücken das Virus damit erfolgreich. Mit dieser Art der Behandlung ist die Wahrscheinlichkeit gering, das Virus durch Schwangerschaft, Geburt oder Stillen an Kinder weiterzugeben. Denn die Studie fand auch heraus, dass es geschlechterspezifische Unterschiede zwischen den Erkrankten gibt. Zwar sind mehr Frauen mit dem HI-Virus infiziert, jedoch testen sie sich eher, behandeln das Virus und unterdrücken dieses demnach auch erfolgreicher. So haben die Frauen Namibias das sogenannte 90-90-90-Ziel, das für 2020 vorgesehen war, bereits heute erreicht: 90% sind getestet, 97% in ART-Behandlung und 92% gelingt die Unterdrückung des Virus. Den Männern Namibias gelang es dahingegen nur zwei dieser Ziele zu erreichen, da sich nur 80% der männlichen Population testen ließ. Im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung Namibias ließen sich demnach 86% der Einwohner testen, wodurch es Namibia als erstes Land der subsaharischen Region gelingen könnte, das 90-90-90-Ziel bis 2020 zu erreichen. Namibias US-Botschafterin, Lisa Johnson, geht noch einen Schritt weiter: sie strebt eine Verwirklichung von 95-95-95 bis 2020 an. Dafür müsse man die Männer des Landes inkludieren.
Trotz dieser Erfolge zeigt NAMPHIA auch, gemessen am Alter der Teilnehmer, dass eher ältere Menschen ART-Medikamente einnehmen. Unter den 24- bis 35-jährigen Männern konnte somit lediglich die Hälfte die Viruslast unterdrücken. Nach wie vor liegt die jährliche Inzidenz bei 0,36%, was bedeutet, dass sich jedes Jahr 4500 Menschen in Namibia mit dem HI-Virus infizieren. Unter den 15- bis 24-jährigen Mädchen und Frauen gibt es, gemäß des Berichts, täglich sechs neue Infektionen.
Deswegen ist es Positive Vibes ein Anliegen, irgendwann auch diese Zahl herunterschrauben zu können. Ein langfristiges Ziel der Nichtregierungsorganisation ist es, einmal im Bildungssektor tätig zu werden und schon früh aufzuklären, um die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Denn auch wenn man das Virus unter Kontrolle bekommen und damit ein normales Leben führen kann, soll es weitestgehend ausgelöscht werden. Und dies kann – solange es kein Heilmittel gegen HIV gibt – nur geschehen, wenn es keine Neuinfektionen mehr gibt. Bis dahin arbeitet das 25-köpfige Team weiter mit ihren Klienten, um die Lebensqualität HIV-Positiver zu steigern und Stigma aus der Welt zu räumen – damit alle Bürger Namibias eines Tages Ebenbürtigkeit erfahren können.

Caroline Niebisch

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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