Besondere Partnerschaft

Der Besuch von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ist mehr als eine symbolische Pflege der bilateralen Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland.

Zunächst handelt es sich bei seinem Aufenthalt um eine Bestätigung der deutsch-namibischen Freundschaft, die in einigen Bereichen weit über das hinausgeht, was sonst ein, meist auf rein wirtschaftlicher Kooperation beschränktes Verhältnis zwischen Staaten ausmacht. Namibia und Deutschland verbindet aber mehr als ein oberflächlicher Austausch diplomatischer Gesten. Das Bündnis zwischen den zwei Ländern lässt sich auch nicht als Zweckgemeinschaft oder Abhängigkeitsbeziehung charakterisieren, bei dem Namibia als mehr oder weniger unmündiger Empfänger von Entwicklungshilfe fungiert.


Im Gegenteil scheint der Thierse-Besuch einmal mehr zu demonstrieren, dass Deutschland Namibia ungeachtet des ungleichen Kräfteverhältnisses zwischen den beiden Ländern als gleichberechtigten Partner respektiert und seine hier geleistete Hilfestellung nicht allein aus einem historisch begründeten Pflichtgefühl gegenüber seiner ehemaligen Kolonie aufrechterhält.


Thierses Besuch ist ferner ein Beleg dafür, dass sich das Verhältnis zwischen der hiesigen und der deutschen Regierung wieder verbessert hat, das zwischenzeitlich auf Grund des militärischen Engagements Namibias in der Demokratischen Republik Kongo und der indirekten Intervention gegen die Unita in Angola angespannt war.


Die deutsche Bundesregierung hat Namibia dennoch bisher als eine vorbildliche Demokratie in Afrika anerkannt und ständiges Interesse an den Entwicklungen hier zu Lande gezeigt. Das haben die Regierungen von Bonn und später Berlin im gegenseitigen Austausch wiederholt dokumentiert. Zu den prominentesten Besuchen gehören die Unabhängigkeitsvisite des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher 1990, der Namibia-Besuch des Bundeskanzlers Kohl 1995, die Staatsbesuche Präsident Nujomas in Bonn und Berlin 1996 und 2002 sowie der namibische Gegenbesuch von Bundespräsident Prof. Roman Herzog 1998.


Mit der Ankunft des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse als Vertreter deutscher Parlamentskultur wird die Aufmerksamkeit gleichzeitig auf den Bundestag und auf die namibische Nationalversammlung gelenkt, die als Stätten der freien Meinungsäußerung, der Rechenschaft und der nationalen Verantwortung zu dienen haben.


Europäische und auch nordamerikanische Besucher in Namibia müssen sich stets die kritische Frage gefallen lassen, ob ihr Interesse der diplomatischen Pflichterfüllung dient, "dass man sich wieder einmal um Afrika kümmern müsse", oder ob es um aufrichtige Partnerschaft geht, bei der Schwächen, Versäumnisse und Chancen für beide Seiten offen und ehrlich zur Sprache kommen. Dass es der Bundesregierung um mehr als um Lippenbekenntnisse geht, dürfte auch der Ende dieser Woche anstehende Besuch der persönlichen Afrika-Beauftragten von Bundeskanzler Schröder, Uschi Eid, dokumentieren.


Die ungemein vielschichtigen und durch mehrere Epochen verwobenen Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland bleiben für die fernere Zukunft vielversprechend, so lange Amtsträger wie Geschäftsleute und Privatreisende beider Seiten die Begegnung und die Pflege der Beziehungen in Pflicht und Zuneigung suchen.