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BIG in Namibia - ein ernüchterndes Kapitel deutscher Entwicklungshilfe

Die mit deutschen Kirchensteuer- und Entwicklungshilfe-Geldern finanzierte Initiative, in Namibia ein bedingungsloses Grundeinkommen (Basic Income Grant, BIG) landesweit einzuführen, ist von der namibischen Regierung erneut und nun vermutlich endgültig abgelehnt worden. Die vor allem deutschen Promotoren der Idee konnten keine überzeugende Evidenz für die armutsüberwindende Wirkung des Grundeinkommens und für seine Finanzierbarkeit beibringen. Das Projekt dürfte 15 Millionen Namibia-Dollar (ca. 1,5 Millionen Euro) gekostet haben.

Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle Bürger wird in manchen Ländern erhoben, nicht zuletzt auch in Deutschland. Allerdings haben diese Initiativen noch nirgends auf der Welt zum Erfolg geführt - mit der einzigen Ausnahme von Alaska. Nun aber sollte, nach dem Willen deutscher Förderer, ein zweites Land hinzukommen: Namibia.

Im Ort Omitara/Otjivero, einer Siedlung von 1000 Einwohnern rund 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Windhoek, wurde Anfang 2008 ein auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt gestartet, das beweisen sollte, welch günstige Wirkungen von einem bedingungslosen Grundeinkommen ausgehen. Die monatliche Barzahlung an jeden Einwohner betrug 100 Namibia-Dollar. Nach Ende der offiziellen Projektlaufzeit wurden seit Januar 2010 nur noch 80 N$ ausgezahlt. Ein definitives Ende der Zahlungen wird für Mitte 2011 erwartet. Während die Kosten des Pilotprojekts weitgehend von deutscher Seite getragen wurden und werden (Evangelische Kirche des Rheinlands, Entwicklungshilfeministerium, Friedrich-Ebert-Stiftung; auch Götz Werner, der bekannte Befürworter eines Grundeinkommens in Deutschland, soll zu den Sponsoren gehören), wäre ein landesweites BIG aus namibischen Steuermitteln zu finanzieren.

Die von der Evangelischen Kirche des Rheinlands/Vereinte Evangelische Mission entsandten Projektbeauftragten, ein deutsches Pfarrer-Ehepaar, haben 2008 und 2009 Erfahrungsberichte über BIG in Otjivero vorgelegt, die die namibische Regierung überzeugen sollten, das Grundeinkommen landesweit einzuführen. Obwohl in den Erfahrungsberichten nur von günstigen und günstigsten Wirkungen des BIG die Rede ist - verbesserte Ernährung der Kinder, erhöhter Schulbesuch, vermehrte Inanspruchnahme des örtlichen Gesundheitszentrums, Gründung von kleinen Geschäften, Rückgang der Viehdiebstähle auf umliegenden Farmen -, hat die Regierung zunächst reserviert und schließlich mehrfach offen ablehnend reagiert, zuletzt im März diesen Jahres, als sich Premierminister Nahas Angula zum Entwurf des Staatshaushalts 2011/12 im Parlament äußerte.

Dieser Ablehnung, die nun wohl endgültig ist, liegt eine Reihe von Argumenten zugrunde. Erstens: Ein landesweites BIG, selbst wenn es nur 100 N$ pro Monat beträgt, würde die Nachhaltigkeit des Haushalts langfristig in Frage stellen, denn die laufenden Einnahmen müssten um zehn bis zwölf Prozent gesteigert werden, allein wegen BIG. Diese Steigerung käme zu derjenigen hinzu, die erforderlich ist, um die mittelfristig dramatisch einbrechenden Zolleinnahmen auszugleichen.

Zweitens betrachtet die Regierung eine Ausreichung von Geld an alle Namibier, wie es BIG darstellt, nicht als effektiven Weg, die Armutsprobleme des Landes zu überwinden. Vielmehr müsse die Fähigkeit der Menschen, ein Einkommen zu erzielen, gesteigert werden. Dazu trägt die Regierung durch in der Tat erhebliche Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in die Infrastruktur bei. Sie befindet sich damit weitgehend im Einklang mit den Erkenntnissen der Entwicklungsökonomik. Darüber hinaus werden an bestimmte Bevölkerungsgruppen, z.B. an Rentner und Waisen, regelmäßige Zahlungen geleistet.
Die Regierung kann auch von den überaus positiven Wirkungen, die der Grundeinkommen-Test in Otjivero erzielt haben soll, nicht überzeugt sein, denn die Durchführung des Pilotprojekts und die Erstellung der Berichte darüber lagen ausschließlich in den Händen von BIG-Befürwortern. Weder Regierungsbeamte noch externe Sachverständige haben daran mitgewirkt. Die Evaluierungsmethode der Projektwirkung entspricht auch nicht den Standards empirischer Sozialforschung. Etliche Behauptungen in den Berichten sind weder nachvollziehbar noch plausibel.

Schließlich besteht auch Grund zu zweifeln, ob eine Mehrheit der Bevölkerung ein Grundeinkommen überhaupt will. Die BIG-Promotoren in Namibia haben sich um eine Evidenz in dieser Hinsicht jedenfalls nicht bemüht. Zahlreiche Leserbriefe zu BIG in Zeitungen geben aber Hinweise. In einer Mehrheit von Leserbriefen wird BIG zwar befürwortet, aber meist mit dem Zusatz: nur für die Armen, nur für Kinderreiche, nur als Gutscheine, nur mit Verhaltensauflagen usw. Das heißt, dass die meisten Bürger, die sich positiv äußern, gerade kein bedingungsloses Grundeinkommen für Alle wollen, sondern sich für gerichtete und an Bedingungen geknüpfte Zahlungen einsetzen. Derartige zielgerichtete und an Bedingungen geknüpfte Bargeldauszahlungen gibt es in vielen Entwicklungsländern - aber sie widersprechen natürlich der reinen Lehre vom bedingungslosen Grundeinkommen.

Die BIG-Promotoren in Namibia haben weder ihre Projektkosten noch ihr lokales Spendenaufkommen enthüllt. Nach Schätzung des Autors dürften die Projektkosten - einschließlich der wiederholten Promotion-Seminare bei der Fan-Gemeinde in Deutschland und der Einladungen an deutsche Journalisten und ausländische Projektunterstützer nach Namibia - über die Jahre ca. 15 Millionen Namibia-Dollar (ca. 1,5 Millionen Euro) betragen haben.

Einige Schlussfolgerungen drängen sich auf. Erstens: Ein Grundeinkommen, das ausschließlich an Arme gezahlt wird und an Bedingungen geknüpft ist, wäre vielleicht, nach dem Vorbild vieler anderer Entwicklungsländer, politisch erreichbar gewesen. Die BIG-Promotoren haben es aber vorgezogen, auf der reinen Lehre eines bedingungslosen Grundeinkommens zu beharren, auch wenn das Projekt - und die Armen im Land - schließlich mit leeren Händen dastehen.

Zweitens: Die schlichte Kombination aus guten Absichten, einer Idee aus einem reichen Land und viel Geld hat sich entwicklungspolitisch wieder einmal als wirkungslos erwiesen.

Drittens musste eine weitere, seit langem bekannte Erfahrung erneut gemacht werden: Entwicklungshilfe, die vom Empfängerland nicht wirklich gewollt wird, ist letztlich verschwendet. Der Mangel an Akzeptanz wird noch verstärkt, wenn der Verdacht besteht, dass ausländische Sozialreformer ihre Lieblingsidee, die sie zu Hause nicht umsetzen können, in einem Entwicklungsland ausprobieren wollen.

Somit ist der Versuch, in Namibia ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, zu einem ernüchternden Kapitel deutscher Entwicklungshilfe geworden.

Dr. Rigmar Osterkamp

Der Autor ist Senior Lecturer für Volkswirtschaftslehre an der Universität von Namibia (UNAM) und gehört zum Centrum für Internationale Migration (CIM) / Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, vormals GTZ). Dieser Beitrag stellt seine persönliche Meinung dar. Kommentare sind willkommen (E-Mail: [email protected]).

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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