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Bildungsspritze und Zeitreise

"Wir haben diese Melodie früher immer in der Blaskapelle gespielt", freut sich ein Zuschauer. Er spricht von "Veronika, der Lenz ist da" - aber dass der Song von den Comedian Harmonists stammt, dass es dazu einen witzigen deutschen Text gibt, und wer diese 30er-Jahre-Gesangstruppe überhaupt war, das ist ihm erst durch die Inszenierung vom vergangenen Freitag bewusst geworden. Für manchen Zuschauer hat das Schweriner Gastspiel wohl eine kleine Bildungslücke gefüllt; für andere bedeutete der Abend mit den "Comedian Harmonists" eine Reise zurück in die Vergangenheit - in eine Zeit, als die Lieder dieser ersten Boygroup der Musikgeschichte noch aktuell waren.

Dass sie heute fast noch genauso gut ankommen wie damals, im Deutschland der 30er-Jahre, das zeigte sich jedes Mal, wenn das Schweriner Ensemble den Gesang anstimmte. Mit Lachen und Spontan-Applaus quittierte das Publikum beliebte Klassiker wie "Mein kleiner grüner Kaktus", "Ein Freund, ein guter Freund" und "In der Bar zum Krokodil". Das lag aber nicht zuletzt auch daran, dass die Gesangspartien im Stück "Die Comedian Harmonists" einfach weitaus interessanter sind als das dramaturgische Gerüst drum herum. Dieses Musiktheater wurde 1997 von Dramaturg Gottfried Greifenhagen sowie Komponist und Arrangeur Franz Wittenbrink veröffentlicht. Seitdem wird es erfolgreich an vielen bundesdeutschen Schauspielbühnen aufgeführt - seit Neujahr 2006 auch am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin.

Die Tournee des Schweriner Ensembles durch Südafrika und Namibia kam durch eine Bekannte zustande, die gebürtige Namibierin Antje Meining. Für die Mecklenburger Sänger, Schauspieler und deren Theatercrew war die Afrikareise wohl mehr Urlaub denn Arbeit. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hatte die Mittel für die Gastspiele bewilligt. Einnahmen aus den Vorführungen gingen an wohltätige Zwecke, in Windhoek etwa an die Katutura-Kindergärten von Jutta Rohwer.

Wer mit dem musikalischen Repertoire der Comedian Harmonists vertraut ist, mag große Erwartungen an die Inszenierung geknüpft haben - und vielleicht auch ein wenig enttäuscht gewesen sein, von dem, was dann wirklich auf der Bühne gezeigt wurde. So wirken die Dialoge zwischen den Sängern und Schauspielern in der ersten Hälfte des Stückes recht banal - und nicht annähernd so komisch, wie sie wohl gemeint sind. Dafür wird es nach der Pause spannender: Hier entfaltet sich der Konflikt zwischen den jüdischen und den arischen Mitgliedern der Truppe. Das Stück zeigt auf ergreifende Weise, wie das wohl erfolgreichste Akapella-Ensembles Deutschlands im dritten Reich zerbricht, weil drei der Mitglieder jüdischen Ursprungs sind und nicht mehr öffentlich auftreten dürfen.

Der Rest ist traurige Geschichte. Da hilft nur eines, damit das Publikum nicht völlig deprimiert nach Hause gehen muss: eine Zugabe mit "Wochenend und Sonnenschein".

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-15

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