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Blühende Träume am Rande des Scheiterns

Ende Oktober musste Südafrikas Regierung den Bankrott von rund 70 Farmen zugeben, die sie von 1997 bis 2002 im Rahmen eines speziellen Programms für 100 Millionen Rand in der Limpopo- Provinz gekauft hatte. Eine Kommission fand vor allem zwei Gründe: Mangel an Kapital und an Kenntnissen.

"Bisher erinnert die Landreform an die amerikanische Irak-Invasion: man gewinnt den Krieg, doch weil man nicht für die Zeit danach geplant hat, riskiert man, den Frieden zu verlieren", kritisiert John Kane-Berman, der Leiter des nationalen Instituts für Rassenbeziehungen. Das Dilemma: Arme Menschen werden ohne jede Unterstützung auf dem Land ausgesetzt, von dem sie einst vertrieben wurden.

Aidah Mathebula ist so ein Fall. Ihr ganzer Stolz gackert in der Ecke eines stickigen Langbaus. 400 Junghühner scharren dort in einer Sägespan-Schicht auf dem Betonboden. Afrikas Sonne hat das Gebäude gnadenlos aufgeheizt - schweißtreibende 34 Grad Celsius zeigt das Thermometer. "Die ersten Hühnchen haben wir am Freitag verkauft", sagt Aidah. Jubel schwingt in der Stimme. Die Südafrikanerin mit dem markanten Zahnlücken-Lächeln gehört in ihrer Heimat zu den hoffnungsfrohen Pionieren der Landreform - ein Thema, das als Afrikas großer Mythos zwischen Simbabwe, Kenia, Namibia und Südafrika immer öfter für Schlagzeilen sorgt.

Die einstige Farmarbeiterin ist Vorsitzende eines 37-köpfigen Familienfonds. Vor allem mit staatlichen Zuschüssen hat er eine 8,8 Hektar große Farm von einem weißen Eigentümer gekauft. 735000 Rands - rund 95000 Euro - hat der Kauf der heruntergewirtschafteten Hühnerfarm am Ortsrand von Nelspruit die Großfamilie gekostet. Es war ein vierjähriger Hürdenlauf voller Frustration und Rückschlägen, ein Kampf gegen Behördenwillkür und Misstrauen der Banken. "Hätten wir gewusst, dass die Regierung vier Jahre für die Übereignung benötigt, hätten wir es uns damals anders überlegt", sagt die 49-jährige Aidah, die mit ihrem Sohn Sidwell (19) von einer goldenen Zukunft als Hühner-Farmerin träumt.

Es ist ein Traum am Rande des Scheiterns - obwohl genug Platz für eine Ausweitung der Kapazität vorhanden wäre: Die Küken drängen sich auf weniger als 5 Prozent der verfügbaren Fläche. Doch mehr Hühner erfordern mehr Kapital und das ist so rar wie das Wasser fürs Gemüse im Hausbeet. Verkümmert kräuseln sich dort ein paar welke Salatköpfe unter der Hitze - die Sonne brennt hier hart und unbarmherzig. Doch Geld für Bewässerungsanlagen ist nicht vorhanden. Und die Banken sind skeptisch. Ein Teufelskreis.

Dabei braucht die Regierung Erfolgsmodelle. Elf Jahre nach der demokratischen Wende am Kap gilt es, Wahlversprechen einzulösen und alte Ungerechtigkeiten aus der Zeit der Apartheid wieder gut zu machen. Die Reform des Landrechts und der Grundbesitzverhältnisse aus der Zeit der Rassentrennung - bei der mehr als 80 Prozent des Farmlands in weißen Besitz gelangte - genießt bei der Regierung Top-Priorität. Um chaotische Zustände wie im Nachbarland Simbabwe zu vermeiden, will sie bis 2014 rund 30 Prozent des Farmlandes in schwarzen Besitz überführen.

Doch der Basis geht der schleppende Prozess zu langsam - sie will möglichst bald Erfolge sehen. Die Regierung verabschiedet sich deshalb allmählich vom marktwirtschaftlichen Prinzip und sieht nun auch Enteignungen gegen Entschädigung vor. Schon sind in Südafrika die ersten Farmen zum Zwangsverkauf ausgeschrieben. In Namibia fand die erste bereits statt. Der Staat setzt dabei den Preis fest. Denn er kann die Mittel für den Farm-Kauf zu Marktpreisen kaum aufbringen. Er verdächtigt weiße Eigentümer, die Preise bewusst aufzublähen, was die wiederum empört von sich weisen.

"Nach elf Jahren hat die Regierung 4,1 Milliarden Rand ausgegeben, um gerade mal 3 Prozent des Ackerlands zu kaufen. Um ihr Ziel zu erreichen, bräuchte sie mindestens noch 36,9 Milliarden in den kommenden neun Jahren", sagt Chris Williams. Sie hilft schwarzen Neufarmern. Mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Welthungerhilfe und anderer Organisationen leitet sie die Hilfsorganisation TRAC. Sie springt ein, wo der Staat bisher durch Abwesenheit glänzt und will Erfolgsmodelle präsentieren. Durch befristete fachliche Betreuung will sie den oft unbedarften neuen Landbesitzern das Rüstzeug für eine erfolgreiche Landwirtschafts-Karriere vermitteln. "Wir wollen wenigstens erst einmal die Produktion auf einem überschaubaren Niveau stabilisieren und durch Mentoren mit Tipps weiterhelfen", sagt sie.

Dabei sind die Erwartungen der neuen Farmer meist mindestens ebenso hoch wie die Herausforderungen. Die Mathebulas können ein Lied davon singen. Nachdem der Eintrag ins Grundbuch im Februar erfolgte, begann für sie der Kampf mit den Geldinstituten. Einen Kredit von 200000 Rand wollten sie als Startkapital haben - etwas mehr als die Hälfte gab es, nachdem der Druck der Medien die Bank zum Überdenken ihrer ablehnenden Haltung zwang. Mitte August konnte Aidah Mathebula sich die ersten 500 Kücken samt Futter, Medizin und Sägespäne leisten - Anfang Oktober begann der Verkauf. Verkauft wird nur Lebendware - für eine Schlachterei oder einen Kühlraum fehlt das Geld. 38 Hühner sind bereits gestorben, gibt Sidwell auf Nachfragen zu.

Angesichts der drohenden Zwangsverkäufe herrscht bei vielen kommerziellen weißen Farmern Unsicherheit über die Zukunft. Die Folge: Sie sind bei Investitionen meist ebenso zurückhaltend wie der Staat bei der tatkräftigen Unterstützung der neuen Farmer. Auch Großfarmen sind nicht vor Rückschlägen gefeit. Auf der 5852 Hektar großen "Coromandel"-Farm nahe dem Ort Lydenburg leben 248 Eigentümer mit 620 Angehörigen. Sechs Jahre hat es gedauert, bis die einstigen Farmarbeiter in einer Art Existenzsicherung das zum Verkauf stehende Anwesen mit Staatshilfe und Krediten kauften. Eine Art "Management buy-out" auf südafrikanisch. Was hoffnungsfroh begann, trifft heute auf handfeste Probleme. Hohe Betriebs- und Finanzierungskosten machen ein profitables Wirtschaften zunichte. Farmmanager Brian Phokane (43) nennt die Gründe: "Nur 85 der 248 Eigentümer arbeiten auf der Farm, aber die anderen beschweren sich, dass sie nichts für ihre Anteile erhalten. Dabei müssen wir erst einmal das Land sichern." 1,2 Millionen Rand zahlt er jährlich an Schuldendienst - da bleibt für Neuanschaffungen kein Geld. Auch die Reparatur der Wasserschläuche im Melkstall ist problematisch - das kostbare Nass rinnt so trotz Wasser-Restriktionen in den Boden.

Statt zu investieren zehren viele schwarze Neufarmer daher von der Substanz und gleiten so in die Subsistenzwirtschaft. Doch Experten mahnen, dass Ernährungssicherheit so kaum hergestellt werden kann.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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