Botschafter zieht Jahresbilanz
Rückblick 2016 (Teil 1): Firmenbesuche, NEEEF und Genozid-Dialog
- AZ: Wie würden Sie 2016 rückblickend beschreiben?
C. Schlaga: Es war ein erfolgreiches Jahr unter vielen Aspekten. Beruflich betrachte ich die vier Bereiche Wirtschaft, Politik, Entwicklungszusammenarbeit und Kultur; in allen Belangen war es ein zufriedenstellendes Jahr. Ich bin auch viel gereist, insgesamt über 20000 Kilometer, um das Land so schnell wie möglich kennenzulernen.
AZ: Apropos kennenlernen; kurz vor Ende des alten Jahres hatte die AZ gemeldet, dass 2016 fünf Wirtschaftsdelegationen aus Deutschland zu Besuch in Namibia waren - ein Novum...
C. Schlaga: Richtig, so viel Besuch in so kurzer Zeit gab es noch nicht. Das zeigt, dass das Interesse an Namibia sehr gewachsen ist. Es konzentriert sich vor allem auf Infrastruktur, erneuerbare Energien und Bergbau inklusive Zuliefererindustrie für den Bergbau.
AZ: Welche Stärken sehen Sie für Namibia und welche Eindrücke hatten die Delegationen?
C. Schlaga: Es gibt viel Positives zu nennen: Namibia hat eine stabile Politik, Rechtssicherheit, eine solide Verwaltung und Pressefreiheit, um nur einige Aspekte zu nennen. Und: Das deutsch-namibische Handelsvolumen beträgt übrigens 280 Millionen Euro (2015); das ist gut, aber es gibt immer Luft nach oben.
AZ: Dagegen wird die geplante Quotenregelung NEEEF sehr kritisch gesehen - auch bei den ausländischen Unternehmern?
C. Schlaga: Bei jeder Delegation kam das zur Sprache und wurde mit sorgenvollem Interesse besprochen. Wir sind zwar noch nicht am Ende der Debatte, aber die Punkte im ursprünglichen Entwurf geben zu denken. Immerhin gibt es eine offene Diskussionskultur; man redet darüber und das ist ein positives Zeichen. Wir als Botschaft haben alles getan, um der Regierung unsere Sorgen mitzuteilen. Nun vertrauen wir darauf, dass die Regierung das Richtige tut, um den geeigneten Rahmen für Auslandsinvestitionen zu schaffen.
AZ: Eine der größten deutschen Auslandsinvestitionen ist das Ohorongo-Zementwerk bei Otavi, das Sie sicher schon besucht haben?
C. Schlaga: Natürlich. Das ist eine vorbildliche Investition eines klassischen deutschen Mittelstandsunternehmens. Die Ausbildung im Unternehmen und damit der Technologie- und Wissenstransfer funktionieren gut, die Firma nimmt ihre gesellschaftliche Rolle ernst. Wir sind froh, dass Ohorongo jetzt noch weiter investiert und den Betrieb ausgebaut hat. Allerdings wirft der Neubau eines Zementwerkes eines chinesischen Unternehmens mit 1,5 Millionen Tonnen Jahreskapazität ganz in der Nähe bei Otjiwarongo schon Fragen auf.
AZ: Im November machte die deutsche Botschaft ganz andere Schlagzeilen. Es gab einen Eklat zum Thema Genozid-Dialog. Wo stehen wir bei dem Thema?
C. Schlaga: Die letzten zwölf Monate der Beratungen zwischen den Sondervermittlern beider Regierungen, Ruprecht Polenz und Zed Ngavirue, waren rundum positiv. Noch nie zuvor haben beide Länder darüber gesprochen, wie man mit der Kolonialzeit umgeht, wie man sie benennt und wie welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Angesichts der Komplexität und Sensibilität des Themas kann man jedoch noch keinen Abschluss der Verhandlungen erwarten.
AZ: Aber es gab sicher Etappenziele...
C. Schlaga: Ja, es gab fünf Begegnungen, die sehr vertrauensvoll abliefen und den Willen auf beiden Seiten zeigten, dieses Thema zu einem positiven Abschluss zu bringen. Die Gespräche haben uns schon weitergebracht. So wird der Begriff Völkermord in Deutschland in politisch-moralischer Dimension Anwendung finden. Außerdem ist die deutsche Regierung bereit zu einer Entschuldigung. Damit stehen schonmal zwei Streitpunkte als erfüllbar im Raum. Fazit: Wir beschreiben, was passiert ist. Wir erkennen Unrecht an. Und wir sind bereit, freiwillig Leistungen zu erbringen.
AZ: Beim letzten Punkt geht es um Reparationen?
C. Schlaga: Nein, dieser Begriff ist nicht richtig, ebenso wenig wie der Begriff Wiedergutmachung. Vielmehr sind es Maßnahmen zur Heilung und Entwicklung. Darauf gibt es keinen rechtlichen Anspruch; eine direkte Zuordnung an Menschen ist auch nicht mehr möglich, denkbar wäre aber beispielsweise die Förderung von Regionen mit traditionellen Siedlungsgebieten besonders betroffener Gemeinschaften.
AZ: Wie geht es jetzt weiter?
C. Schlaga: Die Positionen sind definiert, momentan erläutern wir Ideen. Für die nächste Zusammenkunft im Jahr 2017 gibt es noch keinen konkreten Termin. Wir müssen dem Prozess nun die Zeit geben, die es braucht. Dabei akzeptieren wir die Strukturen und die Komplexität, die in Namibia vorherrschen.
AZ: Welche Rolle spielen dabei die deutschsprachigen Namibier?
C. Schlaga: Bislang gab es drei Treffen zwischen Polenz und Deutschsprachigen in Namibia. Es liegt uns am Herzen, daran mitzuwirken, dass die deutschsprachige Gemeinschaft als integraler Teil der namibischen Gesellschaft eine sichere Zukunft hat.
(Der 2. Teil des Interviews erscheint am 12. Januar; darin äußert sich Botschafter Schlaga zu Kulturarbeit und deutscher Sprache sowie zur Entwicklungszusammenarbeit.)
C. Schlaga: Es war ein erfolgreiches Jahr unter vielen Aspekten. Beruflich betrachte ich die vier Bereiche Wirtschaft, Politik, Entwicklungszusammenarbeit und Kultur; in allen Belangen war es ein zufriedenstellendes Jahr. Ich bin auch viel gereist, insgesamt über 20000 Kilometer, um das Land so schnell wie möglich kennenzulernen.
AZ: Apropos kennenlernen; kurz vor Ende des alten Jahres hatte die AZ gemeldet, dass 2016 fünf Wirtschaftsdelegationen aus Deutschland zu Besuch in Namibia waren - ein Novum...
C. Schlaga: Richtig, so viel Besuch in so kurzer Zeit gab es noch nicht. Das zeigt, dass das Interesse an Namibia sehr gewachsen ist. Es konzentriert sich vor allem auf Infrastruktur, erneuerbare Energien und Bergbau inklusive Zuliefererindustrie für den Bergbau.
AZ: Welche Stärken sehen Sie für Namibia und welche Eindrücke hatten die Delegationen?
C. Schlaga: Es gibt viel Positives zu nennen: Namibia hat eine stabile Politik, Rechtssicherheit, eine solide Verwaltung und Pressefreiheit, um nur einige Aspekte zu nennen. Und: Das deutsch-namibische Handelsvolumen beträgt übrigens 280 Millionen Euro (2015); das ist gut, aber es gibt immer Luft nach oben.
AZ: Dagegen wird die geplante Quotenregelung NEEEF sehr kritisch gesehen - auch bei den ausländischen Unternehmern?
C. Schlaga: Bei jeder Delegation kam das zur Sprache und wurde mit sorgenvollem Interesse besprochen. Wir sind zwar noch nicht am Ende der Debatte, aber die Punkte im ursprünglichen Entwurf geben zu denken. Immerhin gibt es eine offene Diskussionskultur; man redet darüber und das ist ein positives Zeichen. Wir als Botschaft haben alles getan, um der Regierung unsere Sorgen mitzuteilen. Nun vertrauen wir darauf, dass die Regierung das Richtige tut, um den geeigneten Rahmen für Auslandsinvestitionen zu schaffen.
AZ: Eine der größten deutschen Auslandsinvestitionen ist das Ohorongo-Zementwerk bei Otavi, das Sie sicher schon besucht haben?
C. Schlaga: Natürlich. Das ist eine vorbildliche Investition eines klassischen deutschen Mittelstandsunternehmens. Die Ausbildung im Unternehmen und damit der Technologie- und Wissenstransfer funktionieren gut, die Firma nimmt ihre gesellschaftliche Rolle ernst. Wir sind froh, dass Ohorongo jetzt noch weiter investiert und den Betrieb ausgebaut hat. Allerdings wirft der Neubau eines Zementwerkes eines chinesischen Unternehmens mit 1,5 Millionen Tonnen Jahreskapazität ganz in der Nähe bei Otjiwarongo schon Fragen auf.
AZ: Im November machte die deutsche Botschaft ganz andere Schlagzeilen. Es gab einen Eklat zum Thema Genozid-Dialog. Wo stehen wir bei dem Thema?
C. Schlaga: Die letzten zwölf Monate der Beratungen zwischen den Sondervermittlern beider Regierungen, Ruprecht Polenz und Zed Ngavirue, waren rundum positiv. Noch nie zuvor haben beide Länder darüber gesprochen, wie man mit der Kolonialzeit umgeht, wie man sie benennt und wie welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Angesichts der Komplexität und Sensibilität des Themas kann man jedoch noch keinen Abschluss der Verhandlungen erwarten.
AZ: Aber es gab sicher Etappenziele...
C. Schlaga: Ja, es gab fünf Begegnungen, die sehr vertrauensvoll abliefen und den Willen auf beiden Seiten zeigten, dieses Thema zu einem positiven Abschluss zu bringen. Die Gespräche haben uns schon weitergebracht. So wird der Begriff Völkermord in Deutschland in politisch-moralischer Dimension Anwendung finden. Außerdem ist die deutsche Regierung bereit zu einer Entschuldigung. Damit stehen schonmal zwei Streitpunkte als erfüllbar im Raum. Fazit: Wir beschreiben, was passiert ist. Wir erkennen Unrecht an. Und wir sind bereit, freiwillig Leistungen zu erbringen.
AZ: Beim letzten Punkt geht es um Reparationen?
C. Schlaga: Nein, dieser Begriff ist nicht richtig, ebenso wenig wie der Begriff Wiedergutmachung. Vielmehr sind es Maßnahmen zur Heilung und Entwicklung. Darauf gibt es keinen rechtlichen Anspruch; eine direkte Zuordnung an Menschen ist auch nicht mehr möglich, denkbar wäre aber beispielsweise die Förderung von Regionen mit traditionellen Siedlungsgebieten besonders betroffener Gemeinschaften.
AZ: Wie geht es jetzt weiter?
C. Schlaga: Die Positionen sind definiert, momentan erläutern wir Ideen. Für die nächste Zusammenkunft im Jahr 2017 gibt es noch keinen konkreten Termin. Wir müssen dem Prozess nun die Zeit geben, die es braucht. Dabei akzeptieren wir die Strukturen und die Komplexität, die in Namibia vorherrschen.
AZ: Welche Rolle spielen dabei die deutschsprachigen Namibier?
C. Schlaga: Bislang gab es drei Treffen zwischen Polenz und Deutschsprachigen in Namibia. Es liegt uns am Herzen, daran mitzuwirken, dass die deutschsprachige Gemeinschaft als integraler Teil der namibischen Gesellschaft eine sichere Zukunft hat.
(Der 2. Teil des Interviews erscheint am 12. Januar; darin äußert sich Botschafter Schlaga zu Kulturarbeit und deutscher Sprache sowie zur Entwicklungszusammenarbeit.)
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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