Briefe 1893 - 1904 (50. Brief, Teil 1/3)

Owihakondua, den 5. Februar 1902 Lieber Paul! Endlich einmal komme ich dazu, an dich zu schreiben. Ich bin unterwegs von Hamakari nach Karibib. Von meinen sonstigen Angelegenheiten wirst du ja durch Vater hören. Ich bin mit einem anderen Deutschen zusammen und wir handeln auf dem Platz sowohl, als auch im Feld (mit Wagen). Die Sendung Schnittwaren von Vater habe ich erhalten und ich hoffe, gute Geschäfte damit zu machen. Wenn ich nur von verschiedenen anderen Sachen ebenfalls genügend erhalte, dann habe ich für eine Zeitlang genug und habe das Geld zum Bezahlen der ganzen Geschäfte schnell zusammen. Allerdings muß ich dann schon eine Gelegenheit wahrnehmen, um an die Truppe Vieh zu verkaufen, denn die Kaufleute geben kein Geld, sondern nur Waren für Vieh. Sonst bin ich gesund und munter. Ich fahre immer von unserem Platz nach Karibib, während mein Kompagnon von Hamakari nur ins Feld zieht, um zu handeln. Doch handle ich unterwegs auch. Ich habe dir doch voriges Jahr von dem Kudu geschrieben, den ich geschossen habe. Jetzt habe ich auch einige Jagdgeschichten für dich. Jetzt, wo ich mich ans Werk setze, um dir einige Schilderungen aus meinem kürzlichen Jagdleben zu liefern, erinnere ich mich plötzlich an meine Tage in Lübeck und an meine „Hirschstangenbriefe” an dich. Ja, wie liegt so weit, so weit... Mit Wehmut denke ich zugleich an unsere früheren Waldstreifereien. Jetzt schreibe ich dir aus dem fernen Afrika und es sind jetzt zwar keine Briefe vom Hirschstangen-Finden, sondern vom Schießen wirklicher Hirsche oder vielmehr Antilopen. Ich bin, seitdem ich dir damals den Brief vom Kudu schrieb, nicht wieder oben im Handelsfeld gewesen, habe dort also keine Gelegenheit gehabt, wieder etwas zu erlegen. Doch war ich 2 x nach Karibib, um Handelssachen zu holen. Die übrige Zeit verbrachte ich auf Hamakari, was unser Wohnplatz ist. Dort sind nur Hühner, Hasen, Steinböcke und Deuker zu schießen, also sozusagen Niederjagd-Verhältnisse. Der Steinbock ist eine kleine Antilope mit kleinen geraden Hörnern (etwa 12-16 Pfund Schlachtgewicht). Der Deuker [Duiker, Kronenducker] ist größer (circa 25-40-50 Pfund), auch gerade Hörner, aber stärker als beim Steinbock und geringelt. Doch ist dieser Deuker sehr schlau, steht nie still, wenn er aus dichtem Busch, wo er steckt, aufgescheut wird, sondern läuft so lange bis in ein anderes dickes Gebüsch. Der Steinbock dagegen ist dümmer. Man kann ihn morgens und abends, wenn er äst, bei günstigem Winde leicht beschleichen. Auch wenn er im Busch schläft und man jagt ihn unversehens auf, läuft er oft nur ein Ende und steht dann still, um sich umzugucken, sodaß man dann einen Schuß anbringen kann. Ich fahre so auf der Reise sehr bequem. Mein Wagen hat hinten ein Halbzelt, groß genug, um drin zu schlafen und um einige nötige Kasten und Bedürfnisse drin zu bergen. Wenn es regnet, ist es sehr bequem, zu liegen und bei Licht zu lesen, während auf der Erde das Wasser dahin läuft. So ein afrikanischer Regen ist nämlich nicht ohne. Ich erzähle nachher noch davon. Also was ich geschossen habe, habe ich hauptsächlich auf meinen Reisen nach Karibib geschossen. Die erste Fahrt hatte ich noch oft Fieber, wovon dir Vater vielleicht erzählt hat. Auf der Reise schoß ich nur ein paar Steinböcke und Hühner. Auf der zweiten Reise war ich gesund (Monat Oktober und November voriges Jahr). Beim Herunterfahren hatte ich ein komisches Erlebnis mit einem Steinbock. Ich war morgens auf Jagd gegangen und schoß einen Steinbock. Als ich mit diesem auf der Schulter wieder zum Wagen ging, sah ich plötzlich einen anderen und schoß schnell, aber vorbei (mit Kugel). Der Bock dreht sich nach mir um und steht kerzengerade. Mein kleiner Hund läuft, sowie der Schuß gefallen, gerade auf ihn zu. Gerade als ich wieder geladen habe und die Büchse flach habe, sehe ich, wie der Hund dem Bock an die Kehle springt und niederreißt. Wie ich näher kam und dem Bock die Kehle abschnitt, sah ich, daß er nicht die kleinste Spur einer Kugel hatte. Also er war nur vor Schreck so behext gewesen, daß er sich nicht rühren konnte. Dies ist aber auch der einzige Fall, von so einem ähnlichen Ereignis habe ich auch bisher noch von keinem anderen Menschen einen solchen Fall gehört. Vielmehr lächelt jeder, dem ich es erzähle, glaubt es gar nicht.

Briefe 1893 - 1904 (50. Brief, Teil 1/3)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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