Briefe 1893 - 1904 (X Brief, Teil 1/2)
Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Lieber Paul!
Da komme ich endlich wieder dazu, dir auch einmal wieder zu schreiben, da ich jetzt von der Bai zurückgekommen bin. Ja, deinen Osterbrief habe ich nun endlich erhalten, in dem kleinen Paket, was vor kurzem in meine Hände gekommen ist. Wie habe ich mich gefreut zu deinen 3 Hirschstangen, du glaubst es gar nicht.
Ich habe mich jetzt richtig eingerichtet und mir ein kleines Haus aus Klippen gebaut, mit 8 Tafeln Wellblech gedeckt, wo ich vor dem Regen sicher bin. An den Wänden hängen deine Jagdbilder, zu denen ich mich überhaupt sehr gefreut habe und mich dabei an die früheren Zeiten in Deutschland erinnert habe. So das Bild vom „ersten Bruch”. Es knüpft sich daran eine wehmütige Erinnerung. Als ich in die Lehre kam, erhielt ich den Weidmann [Titel einer Zeitung]. Es war nach der Brunftzeit und ich weiß noch wie heute, wie ich abends bei der Lampe im Bett lag und die Zeitung las und voll Wehmut nach Grünow dachte. Ich brauche nur das Bild anzuschauen, dann ersteht vor mir die kleine Stube in Fischers Haus und alles andere, was sich daran knüpft, auch der fantastische Löhner, der komische, alte, geizige Fischer, die alte, gute, aber verdrehte Frau Fischer, auch „Fräulein Minna”.
Ja, und einen Abend wirst du auch noch wissen, wo wir beide frohen Herzens dort saßen und uns ein Glas Grog brauten und uns freuten, die Herzen voll Sonnenschein, denn morgen konnten wir zusammen auf ein paar Tage in die Frühlingspracht in •den Grünower Wald und nach der lieben Heimat, wo Pfingstfest war und konnten der staubigen Stadt den Rücken kehren. O, eine Flut von Glück, aber auch von unsäglichen Leides durchflutet mich bei den Gedanken daran, wenn ich so an die Zeit zurückdenke. O, sollte ich jetzt, nachdem ich das freie Leben gekostet habe, wieder die 2½ Jahre durchstehen, lieber alles andere! Ich begreife nicht, wie ich es habe aushalten können! Aber schön ist die Erinnerung an die Ferientage, wo ich nach Hause konnte!
Ja, nun ist es anders und ich denke, wenn wir den Wagen und das Werkzeug kriegen, werden Prengel und ich bald hoch kommen. Vater wollte, ich solle gleich die 200 Mark zurückschicken, aber da Mertens & Sichel sie mir ausgezahlt haben, mag ich sie noch nicht zurückgeben und ich muß so viel wie möglich Geld zum Ochsen kaufen sparen. Und Vater wollte ja eigentlich 500 Mark für die Farm zahlen. Ich will nichts geschenkt, ich will nur etwa 500 Mark geliehen haben und in ½ Jahr hat Vater das Geld wieder. Mir hilft aber hier niemand und wenn man so lange mit der Hand arbeiten wollte, um Wagen und sonstiges Werkzeug zahlen zu können, dann geht es langsam, denn auf die Art mit Frachtfahren verdient man 3x so viel Geld. Wir werden uns freuen, wenn wir beide (Prengel und ich) uns im Mai so viel gespart haben, um 1½ bis 2 Spann Ochsen kaufen zu können. Prengel läßt an Vater 700 Mark anweisen, die er bei einem Freund gelassen hat, damit wird der Wagen bezahlt und die Fracht müssen wir nachzahlen. Kannst du nicht zusehen, ob nicht jemand etwa 5-600 Mark borgt auf ½ bis ¾ Jahr? Aber es wird schon alles gehen. Ich habe nämlich an Vater geschrieben, er müsste uns noch 1 Amboß, Schneidegluppe, Bohrer und etwas Eisen mit dem Wagen mitschicken, damit wir hier eine kleine Schmiede machen, und uns unsere eigene Wagenreparaturen selber machen können. Dann beschlagen wir womöglich auch Pferde, reparieren Gewehre, machen alles, auch alle Schlosserarbeiten. Prengel ist ein fleißiger, solider, ehrlicher Mensch, der beste, den ich hier kenne. Wir können nicht solange damit warten, bis wir (ich denke bis Mai, Juni) anfangen, denn wenn erst welche von der Truppe loskommen, machen die allerhand Handwerke auf. Dann ist es zu spät.
Aber jetzt etwas von meinem Leben hier. Meine Reise nach dem Mund, um meine Sachen zu holen, habe ich in Vater und Mutters Brief beschrieben. Als ich zurückreiste, schoß ich einmal dicht an einem Bock vorbei, an den ich mich glücklich auf 200 Schritt herangeschlichen hatte. Aber es war zu schwer, denn er ging im hohen Gras. Es ist hier schwer, an das Wild heranzukommen, da es ungeheuer scheu ist, auch Hühner, Hasen, alles ist sehr scheu. Die Springböcke kommen hauptsächlich auf der Namib (die Wüste vorm Meer) vor und in den großen Ebenen im Inneren des Landes, im Gebirge sind es hauptsächlich die Klippböcke und Steinböcke. Auch Kudus kommen hier im Inneren überall vor und Spießböcke und Gazellen. Auf Salem hatten die Soldaten 4 kleine Strauße, die ein Kaffer auf der Ebene gefangen hatte.
Als wir zurück fuhren, fuhren wir den oberen Weg über das Gebirge von Salem nach Zaobis, das ist aber ein Klippenweg. Es geht einmal ganz steil hinauf und dann ganz steil wieder hinunter. Der Wagen macht Sprünge, auch wenn noch so stark geremmt [gebremst] wird, die Ochsen können oft gar nicht auf den glatten und spitzen hervorstehenden Steinen Fuß fassen. Aber die Landschaft ist oft großartig schön, man kann so weit sehen, da die Luft so rein ist. Und besonders schön ist es abends, wenn die Sonne untergeht und dann der ganze Horizont wie mit Feuer begossen ist, es ist bezaubernd schön dann. Und wenn man abends so einem Grasbrand zusieht, wenn alle Höhen in Flammen stehen und die einzelnen trockenen Bäume wie Fackeln dazwischen aufglühen. Und wenn man so auf einer Klippe im dichten Buschwald steht und soweit das Auge reicht nur ein grünes, wogendes Baummeer sieht und in der Ferne nur einige blaue Berge. Auch sogar auf der Namib ist es in seiner Art schön, wo nichts ist, nur endlose sandige oder steinige Flächen. Und eben insofern sagt es mir auch so zu, weil die Natur noch wenig entweiht ist und wenig Menschen hier wohnen.
Aber natürlich, gegen einen deutschen Hochwald im ersten Frühlingskleide kommt hier doch nichts gegen. Der ist nach meiner Meinung unübertroffen.
Und wenn nach einem großen Regen plötzlich die Flüsse kommen, das ist interessant und man nicht hinüberkann, wie es mir schon passiert ist. Wenn man so auf gutem Wege reist, das ist recht gemütlich. Langsam rollt der Wagen dahin, man lehnt sich behaglich in eine Ecke und raucht eine Zigarre und denkt an nichts. Aber schlecht ist es, wenn mal irgendwo die Ochsen fortlaufen und man womöglich 2 bis 3 Tage verliert! Und hat man dann wenigstens noch Wasser, dann geht es noch. Sonst muß der Kaffer von der nächsten Wasserstelle was holen, was auch sehr lange dauert. Oder man fährt sich in einem schweren Rivier, wo die Räder einsinken, fest und schlägt 2-3 Stunden an den Ochsen herum und schließlich muß man doch ausspannen, die halbe Fracht abladen und die Hälften nacheinander herausfahren.
Da komme ich endlich wieder dazu, dir auch einmal wieder zu schreiben, da ich jetzt von der Bai zurückgekommen bin. Ja, deinen Osterbrief habe ich nun endlich erhalten, in dem kleinen Paket, was vor kurzem in meine Hände gekommen ist. Wie habe ich mich gefreut zu deinen 3 Hirschstangen, du glaubst es gar nicht.
Ich habe mich jetzt richtig eingerichtet und mir ein kleines Haus aus Klippen gebaut, mit 8 Tafeln Wellblech gedeckt, wo ich vor dem Regen sicher bin. An den Wänden hängen deine Jagdbilder, zu denen ich mich überhaupt sehr gefreut habe und mich dabei an die früheren Zeiten in Deutschland erinnert habe. So das Bild vom „ersten Bruch”. Es knüpft sich daran eine wehmütige Erinnerung. Als ich in die Lehre kam, erhielt ich den Weidmann [Titel einer Zeitung]. Es war nach der Brunftzeit und ich weiß noch wie heute, wie ich abends bei der Lampe im Bett lag und die Zeitung las und voll Wehmut nach Grünow dachte. Ich brauche nur das Bild anzuschauen, dann ersteht vor mir die kleine Stube in Fischers Haus und alles andere, was sich daran knüpft, auch der fantastische Löhner, der komische, alte, geizige Fischer, die alte, gute, aber verdrehte Frau Fischer, auch „Fräulein Minna”.
Ja, und einen Abend wirst du auch noch wissen, wo wir beide frohen Herzens dort saßen und uns ein Glas Grog brauten und uns freuten, die Herzen voll Sonnenschein, denn morgen konnten wir zusammen auf ein paar Tage in die Frühlingspracht in •den Grünower Wald und nach der lieben Heimat, wo Pfingstfest war und konnten der staubigen Stadt den Rücken kehren. O, eine Flut von Glück, aber auch von unsäglichen Leides durchflutet mich bei den Gedanken daran, wenn ich so an die Zeit zurückdenke. O, sollte ich jetzt, nachdem ich das freie Leben gekostet habe, wieder die 2½ Jahre durchstehen, lieber alles andere! Ich begreife nicht, wie ich es habe aushalten können! Aber schön ist die Erinnerung an die Ferientage, wo ich nach Hause konnte!
Ja, nun ist es anders und ich denke, wenn wir den Wagen und das Werkzeug kriegen, werden Prengel und ich bald hoch kommen. Vater wollte, ich solle gleich die 200 Mark zurückschicken, aber da Mertens & Sichel sie mir ausgezahlt haben, mag ich sie noch nicht zurückgeben und ich muß so viel wie möglich Geld zum Ochsen kaufen sparen. Und Vater wollte ja eigentlich 500 Mark für die Farm zahlen. Ich will nichts geschenkt, ich will nur etwa 500 Mark geliehen haben und in ½ Jahr hat Vater das Geld wieder. Mir hilft aber hier niemand und wenn man so lange mit der Hand arbeiten wollte, um Wagen und sonstiges Werkzeug zahlen zu können, dann geht es langsam, denn auf die Art mit Frachtfahren verdient man 3x so viel Geld. Wir werden uns freuen, wenn wir beide (Prengel und ich) uns im Mai so viel gespart haben, um 1½ bis 2 Spann Ochsen kaufen zu können. Prengel läßt an Vater 700 Mark anweisen, die er bei einem Freund gelassen hat, damit wird der Wagen bezahlt und die Fracht müssen wir nachzahlen. Kannst du nicht zusehen, ob nicht jemand etwa 5-600 Mark borgt auf ½ bis ¾ Jahr? Aber es wird schon alles gehen. Ich habe nämlich an Vater geschrieben, er müsste uns noch 1 Amboß, Schneidegluppe, Bohrer und etwas Eisen mit dem Wagen mitschicken, damit wir hier eine kleine Schmiede machen, und uns unsere eigene Wagenreparaturen selber machen können. Dann beschlagen wir womöglich auch Pferde, reparieren Gewehre, machen alles, auch alle Schlosserarbeiten. Prengel ist ein fleißiger, solider, ehrlicher Mensch, der beste, den ich hier kenne. Wir können nicht solange damit warten, bis wir (ich denke bis Mai, Juni) anfangen, denn wenn erst welche von der Truppe loskommen, machen die allerhand Handwerke auf. Dann ist es zu spät.
Aber jetzt etwas von meinem Leben hier. Meine Reise nach dem Mund, um meine Sachen zu holen, habe ich in Vater und Mutters Brief beschrieben. Als ich zurückreiste, schoß ich einmal dicht an einem Bock vorbei, an den ich mich glücklich auf 200 Schritt herangeschlichen hatte. Aber es war zu schwer, denn er ging im hohen Gras. Es ist hier schwer, an das Wild heranzukommen, da es ungeheuer scheu ist, auch Hühner, Hasen, alles ist sehr scheu. Die Springböcke kommen hauptsächlich auf der Namib (die Wüste vorm Meer) vor und in den großen Ebenen im Inneren des Landes, im Gebirge sind es hauptsächlich die Klippböcke und Steinböcke. Auch Kudus kommen hier im Inneren überall vor und Spießböcke und Gazellen. Auf Salem hatten die Soldaten 4 kleine Strauße, die ein Kaffer auf der Ebene gefangen hatte.
Als wir zurück fuhren, fuhren wir den oberen Weg über das Gebirge von Salem nach Zaobis, das ist aber ein Klippenweg. Es geht einmal ganz steil hinauf und dann ganz steil wieder hinunter. Der Wagen macht Sprünge, auch wenn noch so stark geremmt [gebremst] wird, die Ochsen können oft gar nicht auf den glatten und spitzen hervorstehenden Steinen Fuß fassen. Aber die Landschaft ist oft großartig schön, man kann so weit sehen, da die Luft so rein ist. Und besonders schön ist es abends, wenn die Sonne untergeht und dann der ganze Horizont wie mit Feuer begossen ist, es ist bezaubernd schön dann. Und wenn man abends so einem Grasbrand zusieht, wenn alle Höhen in Flammen stehen und die einzelnen trockenen Bäume wie Fackeln dazwischen aufglühen. Und wenn man so auf einer Klippe im dichten Buschwald steht und soweit das Auge reicht nur ein grünes, wogendes Baummeer sieht und in der Ferne nur einige blaue Berge. Auch sogar auf der Namib ist es in seiner Art schön, wo nichts ist, nur endlose sandige oder steinige Flächen. Und eben insofern sagt es mir auch so zu, weil die Natur noch wenig entweiht ist und wenig Menschen hier wohnen.
Aber natürlich, gegen einen deutschen Hochwald im ersten Frühlingskleide kommt hier doch nichts gegen. Der ist nach meiner Meinung unübertroffen.
Und wenn nach einem großen Regen plötzlich die Flüsse kommen, das ist interessant und man nicht hinüberkann, wie es mir schon passiert ist. Wenn man so auf gutem Wege reist, das ist recht gemütlich. Langsam rollt der Wagen dahin, man lehnt sich behaglich in eine Ecke und raucht eine Zigarre und denkt an nichts. Aber schlecht ist es, wenn mal irgendwo die Ochsen fortlaufen und man womöglich 2 bis 3 Tage verliert! Und hat man dann wenigstens noch Wasser, dann geht es noch. Sonst muß der Kaffer von der nächsten Wasserstelle was holen, was auch sehr lange dauert. Oder man fährt sich in einem schweren Rivier, wo die Räder einsinken, fest und schlägt 2-3 Stunden an den Ochsen herum und schließlich muß man doch ausspannen, die halbe Fracht abladen und die Hälften nacheinander herausfahren.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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