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Briefe 1893 - 1904 (XLVI Brief, Teil 2/2)
Briefe 1893 - 1904 (XLVI Brief, Teil 2/2)

Briefe 1893 - 1904 (XLVI Brief, Teil 2/2)

Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Wiebke Schmidt
Deinen Brief, der nach Otjimbingue gerichtet war, habe ich vorigen Monat erhalten. Die Gedichte sind köstlich! Den Brief Schusters an dich habe ich gelesen und ist dies alles, was er schreibt, schon richtig und bestätigt meine Ansicht. Wenn wir die Sache mit der Sendung von Hamburg nicht im großen Maßstab betreiben können, dann lieber gar nicht! Ich bin dies Jahr seit meinem damaligen großen Verlust sehr vorsichtig gewesen, indem ich nur gutgeimpftes Vieh gekauft habe und ich habe weiter keinen Schaden gehabt. Nur die Außenstände bei den Hereros kommen noch nicht rein, da man doch erst abwarten will, bis die Pest ganz vorbei ist.

Ich war sehr krank dies Jahr, schleichendes Malaria-Fieber, jetzt seit 4 Wochen habe ich keinen Anfall mehr gehabt und danke Gott dafür. Es trat bei mir nämlich immer mit Erbrechen und Dysenterie verbunden auf. Chinin half ganz und gar nicht, und ich habe die ganze letzte Zeit keins mehr genommen.

Lieber Vater, wenn du mir einen großen Gefallen tun willst, so schicke mir bitte per Postpaket 50 (fünfzig) starke Messinghülsen Kaliber 12 (zwölf) (Schrothülse). Aber die Hülsen müssen ohne Zündhütchen sein, da sie sonst als Munition betrachtet werden. Das Postpaket mit den Hülsen adressiere aber nicht nach Waterberg, (da dorthin keine Postpakete kommen) sondern nach Omaruru, postlagernd. Packe bitte auch noch 2-3 Brillen Nr. 18 (achtzehn) mit ein. Es hat dies Jahr und auch das voriges Jahr sehr schlecht hier im Land geregnet. Das Gras ist sehr schlecht und das Wasser auch.

Gestern habe ich wieder einen Trupp Kälber geimpft, die damals von der Regierung mit Blut geimpft waren und jetzt Pest haben (Kälber der Hereros). Auch meine 4 Stück, von denen ich nicht ganz gewiß weiß, ob sie gut geimpft sind, habe ich geimpft.

Mein Kompagnon hat den alten Wagen augenblicklich im Handelsfeld. Es ist der erste von Menzel geschickte Wagen (1895, Anfang des Jahres). Die Hinterräder sind noch die alten, aber nächstens muß ich 2 neue machen lassen. Aber das Untergestell ist noch gut. Ich werde in 14 Tagen selber nach Karibib fahren und Handelssachen holen, auch Wellblech kaufen fürs Haus, da die Regenzeit naht und das Lehmdach des Hauses schlecht ist. Hier oben hat es trotzdem gut geregnet, nur nach Windhoek und nach Karibib zu hat es so sehr schlecht geregnet.

Wir hatten einen zahmen Luchs (hier Rooikat genannt) hier, den haben wir jetzt für einen Jagdhund eingetauscht. Er fraß so viel Fleisch. Eine gute Hühnerzucht haben wir auch. Ich denke, es auch noch mit Schweinen zu versuchen, denn hier sind genug Unkis (kleine essbare Knollen).

Ich lebe jetzt hier sehr einfach, solange mein Kompagnon im Handelsfeld ist und bevor ich dann nach Karibib fahre.

Ich habe nur einen alten Herero, der dolmetschen kann, hier zur Bedienung. Ich habe von 2 Milchkühen Milch genug zum Tee und Kaffee. Ab und zu, wenn sich die Eier angesammelt haben, mache ich ein Eiergericht. Dann denke ich wohl an die Abende in Lübeck, wenn ich mir Setzeier, die Muttichen geschickt hatte, in der Pfanne briet und der olle Fischer dann mitessen wollte usw.

Schlachten mag ich nicht, denn bei nur 2 Personen würde das Fleisch schlecht werden. Aber alle 2 Tage schieße ich ein paar Hühner und brate diese mit Butterfett, das ich von den Hereros kaufe. Dazu werden von Grobmehl kleine Kuchen gemacht, eine Tasse Tee dazu getrunken und es schmeckt vorzüglich. Ich bin eben ein genügsamer Mensch, habe keine Bedürfnisse nach was Besserem und bin darin - soll ich sagen „leider” oder „Gott sei Dank” - noch so wie vor 15 Jahren, wo ich in einem solchen einfachen, unabhängigen Leben mein Ideal erblickte.

Ist der alte Fischer noch am Leben? Also die alte, liebe Großmutter ist jetzt auch tot. Wie doch die Zeit vergeht und das Alter kommt. Auch du mußt doch jetzt an die 60 Jahre gleich heran sein. Mit Wehmut denke ich, wie lange ich euch Lieben nicht mehr gesehen habe. Nun, so Gott will, komme ich noch mal rüber. An Sparsamkeit und Ausdauer soll es mir nicht fehlen.

Ich denke, lieber Vater, du schickst mir einige nützliche Bücher, von denen ich geschrieben. Hier hat die elende Kolonialgesellschaft nur Romane und so was. Ich wäre dir sehr, sehr dankbar. Da fällt mir ein, Dr. Rhode ist auch wieder im Lande. Er soll doch so fürchterlich trinken. Richter soll doch mal, bevor er damals nach Deutschland ging, zu ihm gesagt haben, wenn er hier im Lande bliebe und weiter so lebe, dann könne er nicht lange mehr für sein Leben garantieren. Es haben sich hier schon kolossal viele tot getrunken. Ich selber zähle circa 20-25 Bekannte von mir, denen es so ergangen ist, bei denen mindestens der Suff den Ausschlag in der betreffenden Krankheit gegeben hat, weil der Körper und besonders der Magen der Krankheit hat keinen Widerstand mehr entgegensetzen können. Da lobe ich mir doch ein einfaches, gesundes Leben, wie ich es jetzt führe, das keinen Versuchungen ausgesetzt ist. Bei mir ist es auch nur das Bier, das mir so kolossal gut schmeckt. Ein Biertrinker, glaube ich, könnte ich werden, aber Schnaps kann jetzt meinetwegen dastehen, ich rühre ihn nicht an.

Aber jetzt will ich schließen.

Grüße Mutti, Paul, Else, Gretchen, Friedel herzlich, auch alle Bekannten.

In herzlicher Liebe

Dein Sohn Hans

N.B. Ich habe dich wegen der Hülsen gebeten, da ich eine alte Flinte habe, die ich mir zurechtgemacht habe, die Kaliber 12 ist und da die Truppe hier keine Hülsen Kaliber 12 mehr hat.

[Als Dysenterie wird eine durch Bakterien ausgelöste Entzündung des Darms bezeichnet. Typische Symptome sind starke Bauchschmerzen und Diarrhoe.]

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-16

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