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Briefe 1893 - 1904 (XLVIII Brief, Teil 1/2)
Briefe 1893 - 1904 (XLVIII Brief, Teil 1/2)

Briefe 1893 - 1904 (XLVIII Brief, Teil 1/2)

Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Wiebke Schmidt
Hamakari, den 29. Dezember 1901

Lieber Vater!

Weihnachten ist vorbei. Das neue Jahr steht vor der Tür. Ich habe das Fest ziemlich einsam verlebt, hatte auch kein Bedürfnis nach Menschen. Man gewöhnt sich so an die Einsamkeit. Nur nach Hause, an die früheren schönen Weihnachtsabende in Grünow dachte ich natürlich.

In etwa 14 Tagen werde ich wieder nach Karibib fahren und Sachen holen. Die Sachen von Deutschland gehen sehr gut im Verkauf. Wenn du nur noch die Schuhe, Anzüge, Hemden schickst, bin ich zufrieden. Ich werde bald die 1 000 Mark schicken. Wenn ich nur bares Geld bekommen könnte!

Auf Waterberg sind 2 Stores, die großen Kredit an die Hereros geben. Und schon der Konkurrenz halber müssen wir auch Kredit geben. Der Anfang an einem Platz ist immer schwer. Aber dann in Jahresfrist kann ich sagen, daß die Ernte (nämlich das Schuldeneinziehen) kommt.

Wenn du die anderen Sachen bald schicktest, so wäre es mir sehr willkommen. Ich denke aber bestimmt in 6 Monaten das Geld schicken zu können. Ich suche immer nach einer Gelegenheit, Vieh an die Truppe verkaufen zu können. Dann bekomme ich bares Geld. Wir bezahlen immer, wenn ich von Karibib Sachen hole, gleich alles mit dem Vieh, was wir gekauft haben. Ich habe noch bei Wecke & Voigts (der Store in Waterberg] etwa 3 000 Mark Schulden von dem Schaden der damaligen Rinderpest her. Das ist alles. Und 6 000 Mark stehen etwa bei den Hereros aus.

Bezugnehmend auf deinen Brief vom 22.10., dem letzten, teile ich dir mit, daß unser Platz 150 Meter breit und 150 Meter lang ist. Was den Ankauf der umliegenden Farm betrifft, so geht das nicht so schnell, die Hereros wohnen rundherum. Auch würden wir uns dadurch zu große Verbindlichkeiten auf den Hals laden. Das Geld fehlt eben. Zugochsen und Wagen habe ich so nötig. Ich habe jetzt noch wieder von den Hereros Zugochsen zugekauft, um bald 2 Gespanne voll machen zu können.

Steine sind hier glatt nicht. („glatt” ist plattholländisch und heißt soviel wie „ganz und gar”), nur am Waterberg, Bäume sind genug hier.

Du schreibst, daß ich meine Ochsen tot geimpft habe. Das ist nicht so: Es ist der dritte Teil durchgekommen damals. Die Pest war eben schon drin, als ich impfte. Und dies ganze Jahr habe ich ununterbrochen Tiere geimpft und gute Resultate erzielt, sowohl mit Galle, als auch mit Blut. Ich habe mich selbstverständlich an die Vorschriften der Tierärzte und Offiziere nicht gehalten, eben deshalb habe ich auch so gute Erfolge gehabt. Von den letzten 45 Kälbern, die ich hier impfte, sind 30 durchgekommen, das heißt, sie sind gegen die Pest geschützt auf Lebenszeit, da sie die Krankheit durch die Impfe alle in mehr oder weniger hohem Grade durchgemacht haben. Sie sind nicht etwa, wie der selige Kohlkopf (pardon: Kohlstock) behauptete, immun, das heißt unempfänglich für Ansteckung und kriegen die Krankheit in 6-8 Monaten etwa wieder, sondern sie sind, wie man mit dem hiesigen Ausdruck sagt, gesalzen. Den Quasseleien der Tierärzte und der Regierung vom Texas-Fieber und ihren verschiedenen Impfmethoden (besonders „Serum”-Zubereitung) habe ich nie Glauben beigemessen. Woher kommt es dann, daß an einem Ort, wo Texas-Fieber von ½ Dutzend „kompetenter” Leute festgestellt wird, die alten von 1897 her geimpften Ochsen gesund geblieben sind, obwohl sie immer mit den anderen kranken Tieren in Berührung gewesen sind? Ich schließe daraus, daß die Tierärzte entweder keine Ahnung hatten, oder daß das sogenannte Texas-Fieber der Rinderpest sehr verwandt ist, also mit denselben Mitteln zu bekämpfen ist. Ich habe alle diese Dinge selber miterlebt und kann mir ein Urteil bilden. Du glaubst gar nicht, was dies Jahr hier von Seiten der Regierung gemurkst ist mit der Impfe. Es berührte mich ordentlich lächerlich, als ich neulich einen Aufsatz in irgendeiner deutschen Zeitung las, der das Verdienst und die vorzügliche Organisation der südwestafrikanischen Impftruppe schilderte. Aber das ist es eben, daß die unwahren Berichte der maßgebenden, sowohl als die der schmuseranten Leute, immer Aufnahme in Deutschland finden. Dagegen wird immer der, der die Wahrheit schreibt, rausgeschmissen und verlacht. Ich weiß auch, daß du mir nicht glaubst. Aber ich sage dir, mit dieser Kolonie wird es noch ein klägliches Fiasko geben. Wenn Deutschland nicht die Militärwirtschaft sowie die unnützen Kosten, welche die vielen Offiziere, Beamten und die ganze Schutztruppe dem deutschen Reich verursachen, ein Ende macht, wenn es nicht sein Augenmerk mehr auf das Gedeihen und das Wohl der Ansiedler und auf die wirtschaftliche und geschäftliche Entwicklung der Kolonie richtet, dann wird es hier (und auch in den anderen Kolonien) sowohl sein Geld wie auch sein Ansehen (in Hinsicht auf Bewirtschaftung von Kolonien) verlieren. Da wird immer von einer Vermehrung der Schutztruppe gesprochen. Man sollte lieber die Truppe immer mehr vermindern, und es den Ansiedlern selber überlassen, sich gegen die eventuellen Übergriffe der Eingeborenen zu schützen.

Es könnte eine sogenannte Miliz gebildet werden usw., eine Polizeitruppe könnte da sein, aber nur zur Sicherung an den Grenzpunkten gegen die Eingeborenen. Aber die große Polizei, die jetzt im Land ist, wozu ist sie da? Nicht etwa um einen deutschen Ansiedler bei seinen geschäftlichen Differenzen mit den Eingeborenen zu unterstützen und um die vielen von Eingeborenen verübten Räubereien und anderen Schweinereien (auf gut Deutsch gesagt) zu steuern; nein, die wohllöbliche Polizei hier ist nur dazu da, um den Ansiedler, der ja zu viel verdient, der in Schranken gehalten werden muß, fortwährend auf die Hühneraugen zu treten. Es gibt ja bekanntlich ein riesengroßes Buch mit Verordnungen, alle dazu bestimmt, um den bösen „Ansiedler” zu überwachen und einzuschränken. Die Geldstrafen belaufen sich nicht etwa auf so und so viel Mark, sondern 100te von Mark gleich bei dem kleinsten Vergehen. Und das allerschönste ist, daß wir weißen Leute für dasselbe Ding eine Strafe erleiden, wo der Eingeborene nichts erhält. Denn die letzteren sind ja nur unter dem „Schutz des Deutschen Reiches”, sind noch nicht reif fürs Gesetz usw. Daß solche Dinge das Ansehen eines weißen Ansiedlers den Eingeborenen gegenüber nicht hebt, liegt auf der Hand.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-17

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