Briefe 1893 - 1904 (XXVII, XXVIII Brief)
Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Zaobis, den 27. Juni 1897
Liebe Eltern!
Soeben habe ich Vaters Karte erhalten und schreibe gleich, da die Post schon heute wieder hinunter geht. Ihr könnt euch denken, wie mich die Nachricht von Mutters Krankheit beunruhigt, doch bin ich nicht recht klug aus der Sache geworden, da du zu kurz und unklar geschrieben.
Jetzt sind es 14 Tage, daß meine Ochsen geimpft sind, 6 Stück sogar schon 20 Tage. Letztere sind bisher gesund, von ersteren ist einer tot, 2 krank. Kohlstock ist vor etwa 3 Wochen gekommen, indes hatten auf Windhoek schon Leute, wie Roßarzt Rickmann (Rieckmann) und andere, geimpft. Die Meisten in Windhoek haben große Verluste gehabt, manche auch Glück. Unter Umständen können meine Ochsen bis auf einige draufgehen, aber vielleicht bleibt es bei 10 oder 12, so daß ich wenigstens noch ein gutes Gespann übrig behalte. Dann bin ich noch sehr zufrieden, denn die Ochsen werden sehr im Preise steigen.
Es ist hier jetzt eine langweilige Sache, Arbeit gibt es nicht. So sitzt man da und wartet auf die Dinge, die noch kommen. Ich wohne einstweilen hier im neuen Haus bei dem Storemann. Meine Leute habe ich vorläufig entlassen bis auf 2, welche auf die Ochsen aufpassen. Die Geschäfte liegen jetzt natürlich sehr nieder, nur getrunken wird viel, wie es ja bekanntlich bei jeder Pest (zum Beispiel Cholera in Hamburg) ist. Jeden Tag kommen Durchreisende zu Pferd oder auf einem Esel- respektive Pferde-Karren hier an. Da jetzt natürlich nichts mehr heraufkommt, so laden die Stores die auf dem Platz stehenden Wagen ab. Jetzt hat ein Herr wieder 2 Kasten Bier ausgegeben. Ich bezahle hier 2,50 Mark pro Tag für Essen. Das ist schon Geld genug, so daß ich mir nichts für Luxusartikel, wie Bier, Zigarre etc. leisten kann. Rauchen tue ich gar nicht, auch vom Schnaps enthalte ich mich ganz, wenn ich auch aufgefordert werde. Dagegen trinken wir häufiger (ich habe 2 Freunde hier: der Storemann und ein anderer Frachtfahrer, der hier auch vorläufig wohnt) eine Flasche Kapwein, der billig und sehr bekömmlich ist. Ich wiege jetzt 156 Pfund englisch (etwa 138 Pfund deutsch), was ich in Deutschland nie gewogen.
Es sind dies Jahr viele an Fieber gestorben, ich weiß 4 Bekannte, die kürzlich gestorben sein sollen (auch der Gärtner Werger ist ja ebenfalls damals in Nonidas gestorben). Weißt du, daß Hegewald (der mit mir damals gekommen ist von Deutschland, fuhr erster Klasse) gestorben ist? Er war durch und durch krank (an der hiesigen sozusagen landesüblichen Krankheit, die durch den Verkehr mit den eingeborenen Weibern herrührt, die fast alle daran leiden).
Ich bin in dieser Hinsicht sehr mäßig, obwohl es schwer ist in diesem Klima. Es gibt hier verschiedene Sorten Menschen. Einige arbeiten und sparen furchtbar, essen und trinken schlecht. Ihr Sinn steht nur aufs Sparen, aber alle, die dies machen, sehen sehr schlecht aus und haben meistens häufig Fieber, werden es auch hier nicht lange aushalten. Dann gibt es Menschen, die arbeiten und sparen, stecken aber alles in die 119
Weiber. Dann gibt es solche, welche alles vertrinken. Den guten Mittelweg halten wenige, und dies ist sehr schwer, da man hier im Land alles entbehrt, was einem zu Hause lieb und teuer war, und was zum Genuß des Lebens beiträgt. Was aber hier fast jeder tut, ist, daß wenn er auch für gewöhnlich im Trinken mäßig ist, daß er sich mal bei besonderer Gelegenheit betrinkt und zwar sehr. So machen es alle vom höchsten bis zum niedrigsten. In dieser Hinsicht kann ich nur sagen, daß ich selbst bei Gelegenheiten, wo man mittrinken mußte, immer meine Würde als Mann bewahrt habe und auch nie mir Ausschreitungen habe zu Schulden kommen lassen, wie sie so häufig hier vorkommen.
Doch genug davon, bis zum nächsten Brief meinerseits hat es sich entschieden, wie ich dastehe. Bis es sich entscheidet, wie das Land nach der Seuche aussieht, dauert es noch ein Weilchen. Die Pest wütet strichweise. Es wird jedenfalls noch traurig mit vielen werden, die Löhne werden noch sinken, die Preise steigen, aber sicher auch die Frachtgelder.
Bitte, lieber Vater, tue mir den einen Gefallen und schreibe nichts von mir und von dem, was ich erzähle, in die Zeitung. Es bringt einem so etwas hier nur Spott und Schaden ein. Glaube es mir.
Nun will ich schließen. Die Post geht. Ich wünsche Mutter und Gretchen von Herzen Besserung, ein wie Großes ist es doch um die Gesundheit!
Grüßt die Geschwister und alle Bekannten. Mit nächster Post einen neuen Brief aufgebend verbleibe ich
Euer Hans
Zaobis, den 16. Juli 1897
Liebe Eltern!
Heute fährt die Post unerwartet durch und daher schnell einige Zeilen. Mit meinen Ochsen geht es bis dahin. Sie sind geimpft mit Galle, 2 sind tot, 3 waren sehr krank, sind jetzt aber wieder besser. Es sind etwa 4 Wochen her seit der Impfe. Mich soll wundern, wie sich dies Impfen bewährt. Es soll auch noch mit Blut nachgeimpft werden, doch weiß ich nicht, wie sich dies bewähren wird. Es sind schon viele Rinder krepiert hier im Lande, hauptsächlich oben, auch bei den Hereros. Vorläufig ist der Transport noch nicht wieder freigegeben, doch denke ich, daß die geimpften Ochsen nächstens laufen können. Dieselben werden jedenfalls einen hohen Preis bekommen.
Die Truppe hat 500 Maulesel erhalten von Argentinien, die noch im Mund sind, doch verspreche ich mir davon nicht viel. Erstens bekommen sie die Sterbe [Pferdeseuche oder Pferdesterbe genannt], sodann sind sie an Futter und Wassermangel nicht gewöhnt, schließlich sind sie wild und faul, beides zugleich, wild gegen den Menschen, faul im Ziehen. Dagegen die kleinen Esel, wie man sie in der Kolonie hat, wären hier gut zu gebrauchen, da sie billig, genügsam und zahm sind.
Dr. Kohlstock hat sich hier bisher nicht sehr beliebt gemacht, da er hochmütig auftritt und einen gewöhnlichen, dummen Charakter zu haben scheint. Dagegen nimmt Stabsarzt Libbart (Lübbert) sich sehr der Impferei an und erfreut sich großer Beliebtheit.
Die Ärzte müssen in der Pestangelegenheit noch viel probieren und erfahren. Bisher haben sie noch nicht einmal eine Medizin, um einen kranken Ochsen zu erleichtern. Ein hiesiger Ochse hält etwas aus, was ein Tier in Deutschland nicht kann. Aber trotzdem verrecken, wenn nicht geimpft wird, von 100 Ochsen 97 und 3 kommen durch. Aber das Impfen hilft, das ist sicher, obwohl es anders kommt, als wie die Ärzte behaupten. Es fragt sich nur, wie lange der Schutz vorhält, das ist noch nicht erforscht.
Jetzt muß ich schließen, hoffentlich seid ihr alle gesund wie ich.
Mit innigen Grüßen
Euer Sohn Hans
Liebe Eltern!
Soeben habe ich Vaters Karte erhalten und schreibe gleich, da die Post schon heute wieder hinunter geht. Ihr könnt euch denken, wie mich die Nachricht von Mutters Krankheit beunruhigt, doch bin ich nicht recht klug aus der Sache geworden, da du zu kurz und unklar geschrieben.
Jetzt sind es 14 Tage, daß meine Ochsen geimpft sind, 6 Stück sogar schon 20 Tage. Letztere sind bisher gesund, von ersteren ist einer tot, 2 krank. Kohlstock ist vor etwa 3 Wochen gekommen, indes hatten auf Windhoek schon Leute, wie Roßarzt Rickmann (Rieckmann) und andere, geimpft. Die Meisten in Windhoek haben große Verluste gehabt, manche auch Glück. Unter Umständen können meine Ochsen bis auf einige draufgehen, aber vielleicht bleibt es bei 10 oder 12, so daß ich wenigstens noch ein gutes Gespann übrig behalte. Dann bin ich noch sehr zufrieden, denn die Ochsen werden sehr im Preise steigen.
Es ist hier jetzt eine langweilige Sache, Arbeit gibt es nicht. So sitzt man da und wartet auf die Dinge, die noch kommen. Ich wohne einstweilen hier im neuen Haus bei dem Storemann. Meine Leute habe ich vorläufig entlassen bis auf 2, welche auf die Ochsen aufpassen. Die Geschäfte liegen jetzt natürlich sehr nieder, nur getrunken wird viel, wie es ja bekanntlich bei jeder Pest (zum Beispiel Cholera in Hamburg) ist. Jeden Tag kommen Durchreisende zu Pferd oder auf einem Esel- respektive Pferde-Karren hier an. Da jetzt natürlich nichts mehr heraufkommt, so laden die Stores die auf dem Platz stehenden Wagen ab. Jetzt hat ein Herr wieder 2 Kasten Bier ausgegeben. Ich bezahle hier 2,50 Mark pro Tag für Essen. Das ist schon Geld genug, so daß ich mir nichts für Luxusartikel, wie Bier, Zigarre etc. leisten kann. Rauchen tue ich gar nicht, auch vom Schnaps enthalte ich mich ganz, wenn ich auch aufgefordert werde. Dagegen trinken wir häufiger (ich habe 2 Freunde hier: der Storemann und ein anderer Frachtfahrer, der hier auch vorläufig wohnt) eine Flasche Kapwein, der billig und sehr bekömmlich ist. Ich wiege jetzt 156 Pfund englisch (etwa 138 Pfund deutsch), was ich in Deutschland nie gewogen.
Es sind dies Jahr viele an Fieber gestorben, ich weiß 4 Bekannte, die kürzlich gestorben sein sollen (auch der Gärtner Werger ist ja ebenfalls damals in Nonidas gestorben). Weißt du, daß Hegewald (der mit mir damals gekommen ist von Deutschland, fuhr erster Klasse) gestorben ist? Er war durch und durch krank (an der hiesigen sozusagen landesüblichen Krankheit, die durch den Verkehr mit den eingeborenen Weibern herrührt, die fast alle daran leiden).
Ich bin in dieser Hinsicht sehr mäßig, obwohl es schwer ist in diesem Klima. Es gibt hier verschiedene Sorten Menschen. Einige arbeiten und sparen furchtbar, essen und trinken schlecht. Ihr Sinn steht nur aufs Sparen, aber alle, die dies machen, sehen sehr schlecht aus und haben meistens häufig Fieber, werden es auch hier nicht lange aushalten. Dann gibt es Menschen, die arbeiten und sparen, stecken aber alles in die 119
Weiber. Dann gibt es solche, welche alles vertrinken. Den guten Mittelweg halten wenige, und dies ist sehr schwer, da man hier im Land alles entbehrt, was einem zu Hause lieb und teuer war, und was zum Genuß des Lebens beiträgt. Was aber hier fast jeder tut, ist, daß wenn er auch für gewöhnlich im Trinken mäßig ist, daß er sich mal bei besonderer Gelegenheit betrinkt und zwar sehr. So machen es alle vom höchsten bis zum niedrigsten. In dieser Hinsicht kann ich nur sagen, daß ich selbst bei Gelegenheiten, wo man mittrinken mußte, immer meine Würde als Mann bewahrt habe und auch nie mir Ausschreitungen habe zu Schulden kommen lassen, wie sie so häufig hier vorkommen.
Doch genug davon, bis zum nächsten Brief meinerseits hat es sich entschieden, wie ich dastehe. Bis es sich entscheidet, wie das Land nach der Seuche aussieht, dauert es noch ein Weilchen. Die Pest wütet strichweise. Es wird jedenfalls noch traurig mit vielen werden, die Löhne werden noch sinken, die Preise steigen, aber sicher auch die Frachtgelder.
Bitte, lieber Vater, tue mir den einen Gefallen und schreibe nichts von mir und von dem, was ich erzähle, in die Zeitung. Es bringt einem so etwas hier nur Spott und Schaden ein. Glaube es mir.
Nun will ich schließen. Die Post geht. Ich wünsche Mutter und Gretchen von Herzen Besserung, ein wie Großes ist es doch um die Gesundheit!
Grüßt die Geschwister und alle Bekannten. Mit nächster Post einen neuen Brief aufgebend verbleibe ich
Euer Hans
Zaobis, den 16. Juli 1897
Liebe Eltern!
Heute fährt die Post unerwartet durch und daher schnell einige Zeilen. Mit meinen Ochsen geht es bis dahin. Sie sind geimpft mit Galle, 2 sind tot, 3 waren sehr krank, sind jetzt aber wieder besser. Es sind etwa 4 Wochen her seit der Impfe. Mich soll wundern, wie sich dies Impfen bewährt. Es soll auch noch mit Blut nachgeimpft werden, doch weiß ich nicht, wie sich dies bewähren wird. Es sind schon viele Rinder krepiert hier im Lande, hauptsächlich oben, auch bei den Hereros. Vorläufig ist der Transport noch nicht wieder freigegeben, doch denke ich, daß die geimpften Ochsen nächstens laufen können. Dieselben werden jedenfalls einen hohen Preis bekommen.
Die Truppe hat 500 Maulesel erhalten von Argentinien, die noch im Mund sind, doch verspreche ich mir davon nicht viel. Erstens bekommen sie die Sterbe [Pferdeseuche oder Pferdesterbe genannt], sodann sind sie an Futter und Wassermangel nicht gewöhnt, schließlich sind sie wild und faul, beides zugleich, wild gegen den Menschen, faul im Ziehen. Dagegen die kleinen Esel, wie man sie in der Kolonie hat, wären hier gut zu gebrauchen, da sie billig, genügsam und zahm sind.
Dr. Kohlstock hat sich hier bisher nicht sehr beliebt gemacht, da er hochmütig auftritt und einen gewöhnlichen, dummen Charakter zu haben scheint. Dagegen nimmt Stabsarzt Libbart (Lübbert) sich sehr der Impferei an und erfreut sich großer Beliebtheit.
Die Ärzte müssen in der Pestangelegenheit noch viel probieren und erfahren. Bisher haben sie noch nicht einmal eine Medizin, um einen kranken Ochsen zu erleichtern. Ein hiesiger Ochse hält etwas aus, was ein Tier in Deutschland nicht kann. Aber trotzdem verrecken, wenn nicht geimpft wird, von 100 Ochsen 97 und 3 kommen durch. Aber das Impfen hilft, das ist sicher, obwohl es anders kommt, als wie die Ärzte behaupten. Es fragt sich nur, wie lange der Schutz vorhält, das ist noch nicht erforscht.
Jetzt muß ich schließen, hoffentlich seid ihr alle gesund wie ich.
Mit innigen Grüßen
Euer Sohn Hans
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