Briefe 1893 - 1904 (XXXII Brief, Teil 1/3)
Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Uitdrai, den 7. Oktober 1898
Lieber Vater!
Den letzten Brief hatte ich damals geschrieben, von Zaobis aus, als ich nach Mund hinunter ging. Seitdem hatte ich eine Fracht für die Kolonialgesellschaft nach Salem und eine Fracht nach Uitdrai gefahren. Jetzt wieder 2 Frachten nach Uitdrai.
Augenblicklich habe ich Zeit zum Schreiben, da ich auf letztgenanntem Platze bin. Ich habe meinen Wagen mit meinem Burenjungen nach Otjisazu (3 Trecks anderkant Okahandja) geschickt mit Fracht für Schröders Bruder (der hiesige Storemann), der dort auch einen Store aufgemacht hat. Da ich ein wenig erkältet war, bin ich hier solange geblieben und habe mein anderes Spann Ochsen hier untergebracht bei einem Herero-Kapitain, der in der Nähe wohnt nach dem Binwenberg zu.
Die Erkältung, von der ich sprach, habe nicht ich etwa alleine gehabt, sondern fast alle. Es war eine Folge des diesjährigen Fiebers, eine allgemeine Erkältung des Körpers (Art Influenza), Husten mit Blut und Eiterauswurf, bösartige Halsentzündung und Magenstörung. Ich habe es nur in verhältnismäßig geringen Maße gehabt, andere höchst gefährlich, verschiedene sind daran gestorben. Obwohl es jetzt schon fast Ende der kalten Jahreszeit ist, ist das Fieber, was nach der Rinderpest anfing, noch nicht ganz verschwunden. Manche kränkeln noch fortwährend. Auch kommt die Krankheit in Geschwüren, bösartigem Verlauf in der Heilung, anfänglich ganz unbedeutender kleiner Verletzungen, zum Ausbruch. Die meisten Menschen haben eiternde Wunden an den Fingern. Ich habe jetzt eine solche nach circa 14 Tagen endlich auskuriert.
Jetzt einiges von den jetzigen Zuständen hier, die augenblicklich nicht besonders sind. Die Frachtpreise sind gefallen. Die Bahn ist bis Khanrivier fertig und von da bis Windhoek zahlt die Truppe 15 Mark pro deutschem Zentner, wogegen früher nur nach 100 Pfund englisch gerechnet wurde (100 Pfund Deutsch = 120 Pfund englisches Gewicht). Ich habe jetzt allerdings noch hier für Uitdrai 13 Mark bekommen. Die Stores machen schlechte Geschäfte, die Handwerker haben wenig Arbeit.
Jetzt wird eine Petition bewerkstelligt, die an den Reichstag gehen soll, betreffs der nach Windhoek bewilligten Bahn. Jedermann im Lande wünscht, daß die Bahn nur bis Jakkelsfontein geht, ausgenommen die Beamten und Herrn Militärs und einige von der Regierung beschäftigten Handwerker. Außerdem einige Leute, die nichts haben, die nur gewinnen können, wenn die Bahn kommt. Ich habe schon in Artikeln gelesen und auch von Beamten hier gehört: „Es wäre gut, wenn das Frachtfahren eingeschränkt würde; dann müssten sich die Leute doch dazu bequemen und Garten und Ackerkultur betreiben und müssten vor allen Dingen sich mehr auf das Viehzüchten legen”. Nun hört sich das ganz leicht an, ist aber in Wirklichkeit nicht so leicht auszuführen. Wenn das Buren (Viehzüchten) noch in dem Maßstabe und mit so geringen Mitteln betrieben werden könnte wie früher! Ja. Wenn der Gartenbau sich im Verhältnis zu der Mühe, der Arbeit und den pekuniären Kosten bezahlt machte! Sämtliche Farmer haben durch die Pest viel Vieh verloren, besonders den ganzen jungen Nachwuchs. Nun buren [farmen!] die Leute nach Kräften mit dem Wenigen, was ihnen geblieben ist, aber sie können nicht davon leben. Die Kälber, welche die Impfe (gegen Lungenseuche) nicht ordentlich annahmen, gehen bald vielfach an der Seuche ein. Mit Kleinvieh ist es noch schlechter. Alle Arten Krankheiten wüten zwischen diesen. Außerdem stehlen die Eingeborenen viele; Tiger [Leoparden], Hyänen desgleichen auch. Das Nutzvieh hat sich vermindert, dagegen das Raubzeug vermehrt, infolge der Pest, wo so viel totes Vieh und totes Wild im Felde lag. Als ich voriges Mal nach Uitdrai kam, hatten die wilden Hunde mir einen guten Ochsen überfallen und total zerbissen. Weil es aber nahe der Werft war, war der Ochse noch aus ihren Händen entkommen, aber mußte totgeschossen werden, da ihm der Mastdarm förmlich herausgeholt war. Am anderen Tag wurden von uns zu Pferde und zu Fuß Streifzüge gemacht, um den Räubern beizukommen, aber sie waren wieder auf und davon. Andere Nacht rissen sie einen großen Ochsen der Bastards nieder und verzehrten ihn völlig.
Der Leopard greift so leicht keinen Ochsen an, aber auf dem Onanis-Tinkas Wege, wo ich mich beim Herunterfahren auf verschiedenen Werften aufhielt, war ich Zeuge, wie er nachts sich die Schafe aus dem Kraal holte, am Feuer der Wächter vorbei. Ebenso machen es Banden von Bergkaffern und Hottentotten, die in den Bergen sitzen und auf Raub ausgehen, um dann gleich wieder in geheimen Klüften zu verschwinden. Pferd und Ochsen verschwinden auf diese Art spurlos. Und die Regierung! Es wird weder gegen Tiere noch Menschen etwas gemacht. Selbsthilfe gegen letztere, indem man dieselben aufspürt und tot schießt, ist nicht gestattet. Wir Ansiedler haben zwar die Pflichten und den Zwang, den das Gesetz uns auferlegt, aber nicht die Rechte und den Schutz, den ein anderer Staatsbürger genießt.
Lieber Vater!
Den letzten Brief hatte ich damals geschrieben, von Zaobis aus, als ich nach Mund hinunter ging. Seitdem hatte ich eine Fracht für die Kolonialgesellschaft nach Salem und eine Fracht nach Uitdrai gefahren. Jetzt wieder 2 Frachten nach Uitdrai.
Augenblicklich habe ich Zeit zum Schreiben, da ich auf letztgenanntem Platze bin. Ich habe meinen Wagen mit meinem Burenjungen nach Otjisazu (3 Trecks anderkant Okahandja) geschickt mit Fracht für Schröders Bruder (der hiesige Storemann), der dort auch einen Store aufgemacht hat. Da ich ein wenig erkältet war, bin ich hier solange geblieben und habe mein anderes Spann Ochsen hier untergebracht bei einem Herero-Kapitain, der in der Nähe wohnt nach dem Binwenberg zu.
Die Erkältung, von der ich sprach, habe nicht ich etwa alleine gehabt, sondern fast alle. Es war eine Folge des diesjährigen Fiebers, eine allgemeine Erkältung des Körpers (Art Influenza), Husten mit Blut und Eiterauswurf, bösartige Halsentzündung und Magenstörung. Ich habe es nur in verhältnismäßig geringen Maße gehabt, andere höchst gefährlich, verschiedene sind daran gestorben. Obwohl es jetzt schon fast Ende der kalten Jahreszeit ist, ist das Fieber, was nach der Rinderpest anfing, noch nicht ganz verschwunden. Manche kränkeln noch fortwährend. Auch kommt die Krankheit in Geschwüren, bösartigem Verlauf in der Heilung, anfänglich ganz unbedeutender kleiner Verletzungen, zum Ausbruch. Die meisten Menschen haben eiternde Wunden an den Fingern. Ich habe jetzt eine solche nach circa 14 Tagen endlich auskuriert.
Jetzt einiges von den jetzigen Zuständen hier, die augenblicklich nicht besonders sind. Die Frachtpreise sind gefallen. Die Bahn ist bis Khanrivier fertig und von da bis Windhoek zahlt die Truppe 15 Mark pro deutschem Zentner, wogegen früher nur nach 100 Pfund englisch gerechnet wurde (100 Pfund Deutsch = 120 Pfund englisches Gewicht). Ich habe jetzt allerdings noch hier für Uitdrai 13 Mark bekommen. Die Stores machen schlechte Geschäfte, die Handwerker haben wenig Arbeit.
Jetzt wird eine Petition bewerkstelligt, die an den Reichstag gehen soll, betreffs der nach Windhoek bewilligten Bahn. Jedermann im Lande wünscht, daß die Bahn nur bis Jakkelsfontein geht, ausgenommen die Beamten und Herrn Militärs und einige von der Regierung beschäftigten Handwerker. Außerdem einige Leute, die nichts haben, die nur gewinnen können, wenn die Bahn kommt. Ich habe schon in Artikeln gelesen und auch von Beamten hier gehört: „Es wäre gut, wenn das Frachtfahren eingeschränkt würde; dann müssten sich die Leute doch dazu bequemen und Garten und Ackerkultur betreiben und müssten vor allen Dingen sich mehr auf das Viehzüchten legen”. Nun hört sich das ganz leicht an, ist aber in Wirklichkeit nicht so leicht auszuführen. Wenn das Buren (Viehzüchten) noch in dem Maßstabe und mit so geringen Mitteln betrieben werden könnte wie früher! Ja. Wenn der Gartenbau sich im Verhältnis zu der Mühe, der Arbeit und den pekuniären Kosten bezahlt machte! Sämtliche Farmer haben durch die Pest viel Vieh verloren, besonders den ganzen jungen Nachwuchs. Nun buren [farmen!] die Leute nach Kräften mit dem Wenigen, was ihnen geblieben ist, aber sie können nicht davon leben. Die Kälber, welche die Impfe (gegen Lungenseuche) nicht ordentlich annahmen, gehen bald vielfach an der Seuche ein. Mit Kleinvieh ist es noch schlechter. Alle Arten Krankheiten wüten zwischen diesen. Außerdem stehlen die Eingeborenen viele; Tiger [Leoparden], Hyänen desgleichen auch. Das Nutzvieh hat sich vermindert, dagegen das Raubzeug vermehrt, infolge der Pest, wo so viel totes Vieh und totes Wild im Felde lag. Als ich voriges Mal nach Uitdrai kam, hatten die wilden Hunde mir einen guten Ochsen überfallen und total zerbissen. Weil es aber nahe der Werft war, war der Ochse noch aus ihren Händen entkommen, aber mußte totgeschossen werden, da ihm der Mastdarm förmlich herausgeholt war. Am anderen Tag wurden von uns zu Pferde und zu Fuß Streifzüge gemacht, um den Räubern beizukommen, aber sie waren wieder auf und davon. Andere Nacht rissen sie einen großen Ochsen der Bastards nieder und verzehrten ihn völlig.
Der Leopard greift so leicht keinen Ochsen an, aber auf dem Onanis-Tinkas Wege, wo ich mich beim Herunterfahren auf verschiedenen Werften aufhielt, war ich Zeuge, wie er nachts sich die Schafe aus dem Kraal holte, am Feuer der Wächter vorbei. Ebenso machen es Banden von Bergkaffern und Hottentotten, die in den Bergen sitzen und auf Raub ausgehen, um dann gleich wieder in geheimen Klüften zu verschwinden. Pferd und Ochsen verschwinden auf diese Art spurlos. Und die Regierung! Es wird weder gegen Tiere noch Menschen etwas gemacht. Selbsthilfe gegen letztere, indem man dieselben aufspürt und tot schießt, ist nicht gestattet. Wir Ansiedler haben zwar die Pflichten und den Zwang, den das Gesetz uns auferlegt, aber nicht die Rechte und den Schutz, den ein anderer Staatsbürger genießt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen