Brosda: SKW sollte sich als Ausbildungsverein positionieren
AZ: Der SKW hat sich Ende Mai nach neun Jahren aus dem namibischen Fußball-Oberhaus verabschiedet. Kam der Abstieg für Dich überraschend?
M. Brosda: Ich hatte es befürchtet. Die unprofessionelle Arbeitseinstellung der Spieler hat dazu geführt, dass sie ihr Potenzial nicht abrufen konnten. Der Verein hat ihnen ein optimales Umfeld geboten, aber es gab zu viele Disziplinlosigkeiten. Das zog sich wie ein roter Faden durch die Saison, sodass sich der Abstieg angedeutet hat. Nach dem Sieg am vorletzten Spieltag (3:2 gegen den Civics FC, die Redaktion) kam es dann aber doch etwas überraschend.
AZ: Den direkten Wiederaufstieg anpeilen, einen Neuanfang in der 3. Liga starten, eine Kooperation mit einem anderen Verein eingehen oder sogar die Fußballsparte auflösen - welche Option hältst Du für die sinnvollste?
M. Brosda: In der 2. Liga anzutreten, macht für mich keinen Sinn. Vor allem, wenn es keinen neuen Hauptsponsor geben sollte. Der finanzielle und zeitliche Aufwand mit den zahlreichen Auswärtsfahrten und Doppelspieltagen ist riesig. Eine Kooperation mit einem anderen Verein ist auch keine Ideallösung und wenn überhaupt, dann nur im Bereich der NPL-Mannschaft. Die erfolgreiche Jugendabteilung müsste auf jeden Fall weiterhin als SKW spielen. Das Auflösen der kompletten Abteilung wäre eine sehr drastische Lösung und ich hoffe, dass dies auf keinen Fall geschieht.
AZ: Also bist Du für einen Neubeginn?
M. Brosda: Der Aufbau einer jungen Mannschaft in der 3. Liga und eine gezielte Talentförderung, das wäre wohl die cleverste Lösung. Der Weg muss aber konsequent durchgezogen werden. Ich hatte schon vor längerer Zeit angeregt, dass sich der SKW zu seiner Rolle als Ausbildungsverein bekennen soll. Im Schatten der finanzstarken Vereine aus Katutura bleibt dir doch gar nichts anderes übrig. Und anders als im Herrenbereich ist der SKW in der Jugendförderung meisterlich.
AZ: Dann hat der Abstieg den Verantwortlichen die Augen geöffnet?
M. Brosda: Das wird sich jetzt zeigen. Klar, es ist eine schwere Hypothek und ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, aber ganz ehrlich: Wen im Umfeld des SKW hat schon die NPL-Mannschaft interessiert? Die Verantwortlichen opferten ihre Freizeit auf, aber das Interesse war gleich Null. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wiederaufstieg das Ziel ist. Jetzt mit jungen Leuten etwas Neues aufbauen, das ist doch eine hochspannende Aufgabe. Bei entsprechenden Angeboten verkaufst du die Talente und schaffst dir somit eine wirtschaftliche Grundlage. Dann rechnet sich auch die Jugendförderung.
AZ: Du bist Ende März nach Deutschland zurückgekehrt, warum?
M. Brosda: Ich konnte mich in Namibia sportlich und persönlich nicht mehr weiterentwickeln und brauchte eine neue Herausforderung. Es war eine schöne Zeit, aber ich wollte den nächsten Schritt gehen.
AZ: Anfang März, knapp drei Wochen vor Deiner Rückkehr nach Deutschland, wurdest Du als Co-Trainer des NPL-Teams abgesetzt…
M. Brosda: Das war eine komische und fragwürdige Ausbootung. Ralph Ellinger hat mir damals telefonisch mitgeteilt, dass es keinen Unterschied mehr machen würde, ob ich noch dabei bin oder nicht. Ich sollte stattdessen nochmals neue Impulse im Jugendbereich setzten. Das hätte der Vorstand so beschlossen. So kurz vor meiner Abreise? Für mich nicht nachvollziehbar! Aber ich habe die Entscheidung professionell hingenommen.
AZ: Als Trainer bist Du beim SKW aufgrund Deiner streng leistungsorientierten Ausrichtung immer wieder mal angeeckt…
M. Brosda: Da gab es manchmal Reibungspunkte, aber ich bin der Meinung, dass den NPL-Spielern diese harten Bandagen am Ende gefehlt haben. Schon während der Saison wurden ihnen Alibis gegeben und sie durften sich bei verschiedenen Personen ausweinen. Hätten die Spieler so professionell gearbeitet wie das Trainerteam, wäre es nicht zum Abstieg gekommen.
AZ: Wie ist Dein Abschied ausgefallen?
M. Brosda: Etwas enttäuschend. Ich habe drei Jahre gute Arbeit geleistet und dann gab es noch nicht mal eine vernünftige Verabschiedung. Nach einem Training der Alten Herren wurde ein Essen im Clubheim veranstaltet, aber ich selbst bin nie offiziell eingeladen worden. Das fand ich schade, denn es war sehr unpersönlich. Mir hat da schon die Wertschätzung gefehlt. Die Eltern meiner Jugendspieler haben dagegen eine richtige Abschiedsfeier organisiert. Das war sehr cool.
AZ: Also hast Du dem SKW etwas verbittert den Rücken gekehrt?
M. Brosda: Nein, das nicht, denn insgesamt haben die positiven Aspekte überwogen. Rückblickend kann ich sagen, dass es eine Riesenerfahrung war. Ich bin den SKW-Verantwortlichen dankbar, dass sie den Schritt gewagt haben, diese Vollzeitstelle für mich zu schaffen. Es war eine sehr lehrreiche Zeit und ich habe in meiner verantwortungsvollen Position viele Erfahrungen gesammelt, die ich in Deutschland nicht hätte sammeln können. Ich denke, es war ein guter Einstieg in die Trainerlaufbahn, wobei ich den richtigen Zeitpunkt für den Absprung gewählt habe.
AZ: Wie ist es um die Zukunft des Sportklubs bestellt?
M. Brosda: Der SKW hat Zukunft. Die Verantwortlichen müssen jetzt aber neue Wege gehen und alte Strukturen aufbrechen, um weiterhin erfolgreich sein zu können. Die Talentförderung sollte dabei in den Fokus rücken.
AZ: Wie könnte der Namibische Fußballverband (NFA) die Ausbildungsvereine unterstützen?
M. Brosda: In den Jugendligen müsste es in den älteren Altersklassen mindestens zwei Leistungsstufen geben, um die Konkurrenz und damit die Qualität zu erhöhen. Wenn ein Nachwuchsspieler den Verein wechselt, sollte eine Ausbildungsentschädigung fällig werden. Zudem muss der Verband die großen Vereine endlich unter Druck setzen, damit sie auch Jugendarbeit leisten. Alle Clubs, die sich weiterhin verweigern, könnten beispielsweise durch Abzüge bei den Sponsorengeldern bestraft werden. Diese Beträge sollten dann den Vereinen mit Jugendabteilung zu Gute kommen. Das wäre ausgleichende Gerechtigkeit.
AZ: Bist Du optimistisch, dass sich diesbezüglich schon bald etwas tun könnte?
M. Brosda: Ich sehe das leider sehr skeptisch. Es gibt einige Wenige die etwas bewegen, aber viele Kompetente ziehen sich zurück, weil sie auf zu viele Widerstände treffen und daher resignieren. Nur ein Beispiel: Im letzten Jahr organisierten Klaas Woller und ich die U17-Liga der NFA. Die Spiele fingen pünktlich an, die Schiedsrichter waren immer anwesend, die Regeln wurden streng durchgezogen und die Spielfelder waren top. In diesem Jahr sind wieder Verspätungen und Spielausfälle an der Tagesordnung, die Spielorte sind selbst für namibische Zustände eine Schande und entgegen der Satzung spielt man wieder samstags und sonntags. Und dafür werden die Verantwortlichen auch noch von der NFA bezahlt! Es wird wieder chaotischer. Ich sehe dunkle Wolken aufziehen.
AZ: Was waren die sportlichen Höhepunkte Deiner SKW-Tätigkeit?
M. Brosda: Da gab es einige, ich habe ja insgesamt 16 Titel geholt. Aber der Erfolg beim Christmas Cup 2010 war schon etwas besonderes, weil es für den SKW der erste Triumph bei diesem Turnier nach 13 titellosen Jahren war. Auch der Gewinn der U17-Regionalliga im vergangenen Jahr hat einen hohen Stellenwert. Mit dieser Mannschaft konnte ich zudem vier Jugendturniere auf dem ersten Platz abschließen.
AZ: Auch die U18-Mädchen räumten unter Deiner Leitung ordentlich Titel ab…
M. Brosda: Sechs Turniersiege und der erste Rang in der 2011 von mir gegründeten Girls League Soccer (GLS, d. Red.) sprechen eine deutliche Sprache. Die Entwicklung des Teams war riesig. Zwei Jahre lang alle Titel zu gewinnen - das ist schon einzigartig!
AZ: Wie lautete das Erfolgsgeheimnis?
M. Brosda: Die Mädels und U17-Jungs haben toll zusammengehalten und waren charakterstark. Sie mussten unter mir hart arbeiten, aber auch der Spaß kam nie zu kurz. Mit ihnen hatte ich ein besonders gutes Verhältnis, was sich dann in den Erfolgen widergespiegelt hat. Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern war toll, ich wurde super unterstützt.
AZ: Neben der GLS hast Du noch eine weitere Liga gegründet…
M. Brosda: Für die 2. Herren-Mannschaft des SKW habe ich 2012 die sechs Teams umfassende Windhoek Social Soccer League (WSSL) auf die Beine gestellt und die haben wir ebenfalls auf Anhieb gewonnen.
AZ: Und selbst hast Du auch hin und wieder die Stiefel geschnürt…
M. Brosda: Ja, ich sprang einige Male bei der 2. Mannschaft ein und hatte Einsätze bei den Alten Herren mit denen ich 2011 und 2012 die Liga gewonnen habe.
AZ: Was ist in den letzten fünf Monaten passiert?
M. Brosda: Ich habe im April und Mai einen zweiteiligen C-Lizenz-Lehrgang des DFB in der Zentrale des Brandenburgischen Fußballverbandes absolviert. Unter 30 Teilnehmern bestand ich als einer der Kursbesten.
AZ: Dann haben sich die beim SKW gesammelten Erfahrungen also bezahlt gemacht?
M. Brosda: Auf jeden Fall. Es war zwar in manchen Situationen eine harte Schule, aber das hat mich geprägt. Als ich in der Prüfungssituation mit ständig wechselnden Kindern arbeiten musste, hat mir das überhaupt keine Schwierigkeiten bereitet. Ich war es aus Namibia gewohnt, ins kalte Wasser geworfen zu werden.
AZ: Was ist nun der nächste Schritt?
M. Brosda: Ich werde weiter als Trainer arbeiten und parallel dazu zehn Einheiten am DFB-Stützpunkt leiten, dann kann ich Ende 2014 die B-Lizenz in Angriff nehmen.
AZ: Bei welchem Club wirst Du die Praxiserfahrung sammeln?
M. Brosda: Bei meinem Heimatverein SC Westend 1901 Berlin, wo ich als 6-Jähriger begann und mir mein Bruder Sebastian als spielender Co-Trainer zur Seite steht. Wir sind nach fünf Testspielerfolgen mit einem Sieg und einer Niederlage in die Bezirksliga Berlin gestartet. Unser Ziel ist eine Top-4-Platzierung. Wenn alles optimal läuft, ist sogar der Aufstieg in die Landesliga drin.
AZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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