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"Buschschüler" berichten: Drogen in Namibia leicht erhältlich

Für Jugendliche, die über die Buschschule Namibia in dieses Land kommen, ist es nicht schwer, an Drogen zu gelangen.

Ex-Mitarbeiter und -"Buschschüler" erzählen jetzt der AZ von ihren Erfahrungen, aus denen zum Teil schwere Vorwürfe gegen Leitung und Konzept der Wohlfahrtsorganisation hervorgehen.





In einem ausführlichen Bericht schildert die jetzt 20-jährige Ramona*, die inzwischen wieder in Deutschland lebt, ihre Erlebnisse mit der Buschschule bzw. in Namibia. Schon sehr früh habe sie Alkohol und Drogen komsumiert, um die Zustände im Elternhaus ("Zu Hause wurde nur geschlagen und gesoffen.") zu ertragen. "Die meiste Zeit habe ich auf der Straße verbracht. Dort war meine Familie und mein Zuhause", schreibt sie. Bereits mit zwölf Jahren sei sie "zweimal in der Psychiatrie wegen Drogen und Alkohol" gewesen, berichtet Ramona. Nach einem eineinhalbjährigen Aufenthalt in Mallorca als Projekt der Erlebnispädagogik im Ausland, das allerdings nach eigenen Angaben missglückte ("Dort war es auch richtig scheiße. Wer nicht arbeitet kriegt nichts zu essen, kein Taschengeld usw. Meine Betreuer lagen auf der Terrasse und haben sich gesonnt."), folgte der erneute Absturz. Ramona berichtet:"So blieb ich auf der Straße. Ich habe zwei Selbstmordversuche gemacht. Ein Tag vor Silvester wurde ich ins Hospital gebracht. Ich war einfach zu voll. Nächsten Tag musste ich dann zur Entgiftung. Da habe ich leider auch Herrn Scharnowski (Gründer und Geschäftsführer der Buschschule, d.Red.) kennengelernt."


Die Jugendliche erinnert sich im Detail an dieses Treffen, das im Januar 1999 stattfand, und brachte zu Papier:"Herr Scharnowski hat mich gefragt, ob ich nicht nach Afrika will. (...) Eigentlich wollte ich dort überhaupt nicht hin. Ich wollte nicht wieder weg von meinen Freunden und aus Deutschland. Ich kam doch gerade erst von Mallorca. Bis Helmuth Scharnowski zu mir sagte:,Namibia wird Dir gefallen, da kannst Du Deinen Hasch anbauen und weiterkiffen." Damit hat er mich natürlich gelockt", berichtet Ramona. Und weiter:"Er sagte, das machen alle da, Hasch anbauen. Viel hat er mir nicht erzählt. Nur dass ich in den Süden sollte zu Familie Malk*, dort Schafe zählen müsste, bei der Farmarbeit helfen und halt dort auf der Plaas mein Dagga anbauen kann." Nach Gesprächen mit dem zuständigen Jugendamt und dessen Zustimmung kam Ramona nach Namibia.


Die Bitte der AZ an Scharnowski und den Buschschule-Anwalt, Dirk Conradie, um eine Stellungnahme zu diesem Vorwurf beantwortete lediglich Conradie. Er wies darauf hin, dass Scharnowski die genannten Äußerungen gegenüber dem Mädchen nie gemacht habe und dass diese nach Entscheidung der Behörden nach Namibia gekommen sei. Die weitere Frage, welche Erfahrungen die Buschschule mit dem Thema Drogen gemacht habe und wie man den Konsum verhindern könne, ließen Conradie und Scharnowski bislang unbeantwortet.


Offenbar sei es für Ramona kein Problem gewesen, sich in Namibia mit dem nötigen "Stoff" zu versorgen. Sie berichtet:"Richtige Kontakte, und du hast alles bekommen was du wolltest. Dagga kannst du an jeder Ecke kriegen. Wir hatten unsere eigene Plantage, zu rauchen hatten wir immer genug. Acid, Koks und Pille gekapt haben wir auch", erzählt sie. Auch "Mandrax, Valium, magig mushrooms" sowie Thinz (ein in Apotheken erhältlicher Appetitzügler, der bei Missbrauch einen Rauschzustand hervorruft) hätten als Rauschmittel gedient, und "wir haben Experimente mit Stechapfel gemacht", berichtet Ramona. Aufgefallen sei dies niemandem. "Ich war selbst immer in der Buschschule nachher breit, entweder es hat keiner mitbekommen oder es wollte keiner mitkriegen. (...) Mir wurde kein Test angedroht und es hat auch niemanden interessiert."


Ein damaliger Gastvater von Ramona beschreibt seine Sichtweise dazu wie folgt:"Manche Jugendliche hatten schon vorher Kontakt zu Drogen und setzen das hier fort. Ich weiß das von vielen Fällen. Ich habe versucht, darauf zu achten, aber kontrollieren kann man das nicht", schildert er.


Vom Drogenkonsum erzählt jetzt auch ein weiterer ehemaliger Buschschule-Jugendlicher im Internet-Forum auf der Homepage der AZ. Alexander* gibt dort preis:"Ich habe bei der Buschschule Kontakt zu Drogenabhängigen bekommen. Das waren Leute, mit denen hätte ich nie zu tun bekommen. Aber durch das intensive ,Drogenumfeld" , in welches ich mit 15 Jahren durch die Buschschule geriet und vier Jahre dort (...) ausharren musste, habe ich selbst Kontakt zu Drogen bekommen. Ich konnte diesem Gruppenzwang nicht mehr widerstehen!"


Auch dem Buschschule-Personal ist die Drogenproblematik aufgefallen. So äußert sich ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber der AZ:",1997 kam das Problem gerade erst auf. Auf den Farmen war überhaupt nichts los, aber in Swakopmund. Mir war sowieso unverständlich, wie Jugendliche von Deutschland mit dieser Problematik wieder in einer Stadt untergebracht werden konnten. Die Gasteltern waren damit völlig überfordert und hilflos." Und weiter:"Ich habe immer den Standpunkt vertreten, Drogenkonsumenten gehören nicht nach Namibia. Damit sind die Gasteltern überfordert. Sie machen eine Super-Erziehungsarbeit, aber für dieses spezielle Problem sind sie nicht ausgebildet. In den


Diskos von Swakop waren die Jugendlichen aus Deutschland bestens bekannt. Sie hatten ja auch ganz schnell eine namibische Freundin und so war es ein Leichtes, Zugang dort zu bekommen. Für Windhuk gilt im Prinzip das Gleiche", schreibt der Ex-Mitarbeiter der Einrichtung.


Die Buschschule selbst distanziert sich von Jugendlichen, die harte Drogen komsumieren. So steht es in der der AZ vorliegenden Konzeption (Stand 1.7.2002). Unter "Auswahlkriterien für die Teilnahme am Projekt" heißt es:"Für das Projekt nicht geeignet sind:1. Jugendliche, die harte Drogen konsumieren und damit ein pathologisches Krankheitsbild zu erwarten ist."


Den Jugendämtern in Europa, die die Jugendlichen in das Buschschule-Projekt schicken, scheint die Drogen-Problematik bekannt zu sein. So protokolliert das Jugendamt des Landkreises Emsland (Norddeutschland) Ende 2002 in einer so genannten Hilfeplanfortschreibung:"An Marios* Suchtproblematik wird mit ihm weiterhin gearbeitet. Mario hat sich bei Einkäufen in Omaruru ,Dagga" (Marihuana) gekauft. Da er zurzeit kein Bargeld erhält, hat er Kleidung gegen Dagga eingetauscht. Mario fällt es phasenweise schwer, das Dagga rauchen einzustellen."


Eine ehemalige Mitarbeiterin des Verbundes sozialpädagogischer Initiativen (VSPI), Flensburg, dessen Träger Scharnowski ist und zu dem die Buschschule gehört, konstatiert dazu:"Für die Buschschüler ist es extrem leicht, sich in Namibia Drogen zu beschaffen. Die Palette reicht von Cannabis-Produkten über Kokain/Crack bis hin zum Stechapfel. Gern genommen als Ersatz sind Pestizide zum Inhalieren", schreibt sie. Und:"Allgemein kehren die Buschschüler überwiegend mit unbearbeiteten Drogenproblemen zurück, da die Beschaffung zu einfach ist." Auch der Drogenkonsum von Ramona hat nach ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2001 nicht nachgelassen. "Wir wurden nach Nordgardholz ins Kinderheim (ein weiteres Projekt des VSPI, die Red.) gefahren. Wir hatten unsere eigene Bude. In der Zeit habe ich auch weiterhin mein Dagga geraucht und Speed habe ich mir auch gegeben. Jeden Abend liefen bei uns Sauftouren ab...", so die 20-Jährige.


Trauriger Höhepunkt im Zusammenhang mit Drogenkonsum der Buschschüler war der Tod von Christina K. - im Mai 1999 starb die damals 16-Jährige an einer Überdosis. Daran erinnert sich die Ex-VSPI-Mitarbeiterin noch sehr gut und schreibt:"Im Bereich der Drogenprobleme sorgte der Fall von Peer* und seiner Freundin (beide damals Buschschüler) für Aufsehen. Beide hatten eine akute, bekannte Drogenproblematik und trotzdem genug Freiraum, um sich diese zu beschaffen. Leider zu viel. Denn so verstarb Peers Freundin im Drogenrausch, kombiniert mit Tabletten und Pestiziden im Busch von Namibia."


Ramona hingegen hat sich von dem "Stoff" losgesagt - bis jetzt mit Erfolg. Nach der Entgiftung folgte eine "stationäre Drogentherapie". "Ich hatte hier zwar auch Rückfälle, aber ich will keine Drogen mehr nehmen. Seit elf Monaten bin ich clean und hoffe, dass ich es auch weiterhin schaffe. Werde mich anstrengen", schreibt sie und weiß, dass ihr die schwerste Zeit noch bevorsteht. Denn am 18. August 2003 endet die Therapie. "Wie es dann wird weiß ich nicht. Aber dann fängt die Therapie erst richtig an. Es wird schwer für mich, aber da habe ich ja schon ganz andere Sachen durchgestanden", steht am Ende ihres Berichts.





(* Namen von der Redaktion geändert.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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