Buschschule: "Wer kontrolliert die Kontrolleure?"
Die Berichterstattung der AZ über die Buschschule Namibia wird auch in Deutschland - von wo die meisten Kinder und Jugendlichen in dieses Projekt geschickt werden - mit Interesse verfolgt. Vor kurzem hielt sich Jochen Höffgen, Pädagogischer Leiter der Diakonischen Jugendhilfe West (Heide) unter dem Dach des Diakonischen Werkes Schleswig Holstein, in Namibia auf und besuchte hier verschiedene Gastfamilien. Stefan Fischer befragte ihn für die AZ zu Details seiner Arbeit sowie seinen Erfahrungen.
AZ: Wie lange arbeiten Sie schon mit der Buschschule zusammen?
J. Höffgen: Wir schicken seit drei Jahren Kinder und Jugendliche in dieses Projekt. Grundlage dafür ist ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Einrichtungen. Derzeit sind von uns 19 Kinder/Jugendliche aus ganz Deutschland in Namibia, fünf von ihnen gehen aber bald wieder zurück, um ihre Schulprüfungen zu absolvieren.
AZ: Zu welchem Klientel gehören diese Kinder und Jugendlichen?
J. Höffgen: In erster Linie sind es Jugendliche mit desolater Schulkarriere, zum Beispiel hyperaktive Kinder, die die Leistungen nicht erbringen können. Sie stören den Unterricht, können diesem nicht mehr folgen und wechseln oft die Schule. Diese Fälle nehmen in Deutschland zu. Und dann haben wir noch Jugendliche mit den Delikten Fahren ohne Führerschein, Schulbummelei, "Schwarzfahren" und Sachbeschädigung durch Graffitti-sprayen. Die meisten sind Wiederholungstäter. Generell haben aber zwei Drittel noch keinen Kontakt zum Jugendgericht gehabt, von uns sind also keine schweren Kriminellen hier.
AZ: Welcher Auswahlprozess geht der Entsendung nach Namibia voraus?
J. Höffgen: Nach auftretenden Problemen gibt es zunächst ein Hilfeplangespräch beim Jugendamt. Zuerst wird geschaut, was regional zu machen ist. Entsprechend den Zielen der einzelnen Projekten wird dann entschieden. In jedem Fall gibt es ein Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und der Jugendlichen. Die Jugendlichen werden dann in Begleitung eines Mitarbeiters in das Projekt gebracht.
AZ: Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für das Buschschule-Projekt?
J. Höffgen: Die Jugendlichen erleben einen sehr strukturierten Arbeits- und Lebensalltag, was ihnen in Deutschland wieder hilft. Hier werden sie noch mit in die Verantwortung genommen, was bei uns schon fast verlernt wurde.
AZ: Wie beurteilen Sie die Gasteltern?
J. Höffgen: Ich habe großen Respekt davor, wie die Gasteltern mit unseren verkorksten Jugendlichen so ausgeglichen klarkommen müssen. In manchen Situationen sind die Integrationseltern zwar hilflos, aber sie können sich jederzeit an die Betreuer wenden. Ich gebe zu, die Streit- und Beschwerdekultur ist noch verbesserungswürdig, aber das ist überall so."
AZ: Es gibt Berichte über Gewalt in den Gastfamilien...
J. Höffgen: Ja, Gewalt ist immer ein Thema gewesen. Wir hatten zwei Fälle einer Backpfeife in drei Jahren. Schlagen ist verboten, und die Gasteltern sind endeutig verpflichtet, jede Form von Gewalt der Buschschule und dem Träger zu melden - allein, damit sie nicht erpressbar sind. Auch die Jugendlichen müssen darüber berichten. Wir haben das Vorschlagsrecht bei den Belegungen. Und es gibt auch bestimmte Farmer, zu denen wir keine Jugendlichen schicken würde. Manche sind nicht dazu fähig oder nehmen keine Hilfe von außen an.
AZ: Wie funktionieren überhaupt die Berichterstattung und die Kontrolle?
J. Höffgen: Teils schreiben die Jugendlichen Berichte, machmal nutzen sie auch E-Mail. Die Berichterstattung von den Betreuern erfolgt in der Regeln quartalsweise, auf Wunsch auch monatlich. Ich telefoniere auch viel mit den Gasteltern und wenn ich in Namibia bin, führe ich Gespräche mit Gasteltern und Kindern. Es gibt natürlich eine Gefahr der Betriebsblindheit oder es stellt sich die Frage: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Ich denke, dass meine Besuche hilfreich sind. Jeder der von außen kommt, ist wie ein Blindenhund und knurrt dann schon.
AZ: Apropos Kontrolle: Wieviel zahlen Sie an die Buschschule für ein Kind und wie wird die Verwendung des Geldes überwacht?
J. Höffgen: Wir zahlen 86 Euro pro Tag und Person inklusive Versicherung, Bekleidungsgeld und Taschengeld, wobei das Geld von den entsprechenden Jugendämtern kommt und von uns weitergereicht wird. Die Buschschule muss nicht bei uns abrechnen - es gibt einen kalkulierten Satz, z.B. für Personal- und Sachkosten, der uns bekannt ist. Übrigens: Die Maßnahmen in Deutschland wären doppelt so teuer und hätten nicht diesen Erfolg.
AZ: Wie hoch ist denn die Erfolgsquote der JUgendlichen?
J. Höffgen: Das kann ich für die Buschschule nicht sagen. Aus anderen Projekten schaffen bis zu 90 Prozent ihren Schulabschluss. Meistens kriegen die Jugendlichen mit 18 Jahren so einen Drive, dann wird"s besser. Wenn aber ein Volljähriger zurück nach Deutschland kommt und keinen Job bekommt, kann sich alles wieder umkehren. Der Erfolg hängt auch sehr von der Anschlussmaßnahme ab.
AZ: Was denken Sie über den kürzlich gegründeten Untersuchungsausschuss und die sich aus Abhängigkeiten ergebene fehlende Neutralität bei einem Mitglied?
J. Höffgen: Ich finde gut, dass es den Ausschuss gibt. Ich will auf jeden Fall die Mitglieder kennenlernen, dann kann ich mir eine Meinung bilden, ob er glaubwürdig ist.
AZ: Danke für das Gespräch.
AZ: Wie lange arbeiten Sie schon mit der Buschschule zusammen?
J. Höffgen: Wir schicken seit drei Jahren Kinder und Jugendliche in dieses Projekt. Grundlage dafür ist ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Einrichtungen. Derzeit sind von uns 19 Kinder/Jugendliche aus ganz Deutschland in Namibia, fünf von ihnen gehen aber bald wieder zurück, um ihre Schulprüfungen zu absolvieren.
AZ: Zu welchem Klientel gehören diese Kinder und Jugendlichen?
J. Höffgen: In erster Linie sind es Jugendliche mit desolater Schulkarriere, zum Beispiel hyperaktive Kinder, die die Leistungen nicht erbringen können. Sie stören den Unterricht, können diesem nicht mehr folgen und wechseln oft die Schule. Diese Fälle nehmen in Deutschland zu. Und dann haben wir noch Jugendliche mit den Delikten Fahren ohne Führerschein, Schulbummelei, "Schwarzfahren" und Sachbeschädigung durch Graffitti-sprayen. Die meisten sind Wiederholungstäter. Generell haben aber zwei Drittel noch keinen Kontakt zum Jugendgericht gehabt, von uns sind also keine schweren Kriminellen hier.
AZ: Welcher Auswahlprozess geht der Entsendung nach Namibia voraus?
J. Höffgen: Nach auftretenden Problemen gibt es zunächst ein Hilfeplangespräch beim Jugendamt. Zuerst wird geschaut, was regional zu machen ist. Entsprechend den Zielen der einzelnen Projekten wird dann entschieden. In jedem Fall gibt es ein Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und der Jugendlichen. Die Jugendlichen werden dann in Begleitung eines Mitarbeiters in das Projekt gebracht.
AZ: Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für das Buschschule-Projekt?
J. Höffgen: Die Jugendlichen erleben einen sehr strukturierten Arbeits- und Lebensalltag, was ihnen in Deutschland wieder hilft. Hier werden sie noch mit in die Verantwortung genommen, was bei uns schon fast verlernt wurde.
AZ: Wie beurteilen Sie die Gasteltern?
J. Höffgen: Ich habe großen Respekt davor, wie die Gasteltern mit unseren verkorksten Jugendlichen so ausgeglichen klarkommen müssen. In manchen Situationen sind die Integrationseltern zwar hilflos, aber sie können sich jederzeit an die Betreuer wenden. Ich gebe zu, die Streit- und Beschwerdekultur ist noch verbesserungswürdig, aber das ist überall so."
AZ: Es gibt Berichte über Gewalt in den Gastfamilien...
J. Höffgen: Ja, Gewalt ist immer ein Thema gewesen. Wir hatten zwei Fälle einer Backpfeife in drei Jahren. Schlagen ist verboten, und die Gasteltern sind endeutig verpflichtet, jede Form von Gewalt der Buschschule und dem Träger zu melden - allein, damit sie nicht erpressbar sind. Auch die Jugendlichen müssen darüber berichten. Wir haben das Vorschlagsrecht bei den Belegungen. Und es gibt auch bestimmte Farmer, zu denen wir keine Jugendlichen schicken würde. Manche sind nicht dazu fähig oder nehmen keine Hilfe von außen an.
AZ: Wie funktionieren überhaupt die Berichterstattung und die Kontrolle?
J. Höffgen: Teils schreiben die Jugendlichen Berichte, machmal nutzen sie auch E-Mail. Die Berichterstattung von den Betreuern erfolgt in der Regeln quartalsweise, auf Wunsch auch monatlich. Ich telefoniere auch viel mit den Gasteltern und wenn ich in Namibia bin, führe ich Gespräche mit Gasteltern und Kindern. Es gibt natürlich eine Gefahr der Betriebsblindheit oder es stellt sich die Frage: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Ich denke, dass meine Besuche hilfreich sind. Jeder der von außen kommt, ist wie ein Blindenhund und knurrt dann schon.
AZ: Apropos Kontrolle: Wieviel zahlen Sie an die Buschschule für ein Kind und wie wird die Verwendung des Geldes überwacht?
J. Höffgen: Wir zahlen 86 Euro pro Tag und Person inklusive Versicherung, Bekleidungsgeld und Taschengeld, wobei das Geld von den entsprechenden Jugendämtern kommt und von uns weitergereicht wird. Die Buschschule muss nicht bei uns abrechnen - es gibt einen kalkulierten Satz, z.B. für Personal- und Sachkosten, der uns bekannt ist. Übrigens: Die Maßnahmen in Deutschland wären doppelt so teuer und hätten nicht diesen Erfolg.
AZ: Wie hoch ist denn die Erfolgsquote der JUgendlichen?
J. Höffgen: Das kann ich für die Buschschule nicht sagen. Aus anderen Projekten schaffen bis zu 90 Prozent ihren Schulabschluss. Meistens kriegen die Jugendlichen mit 18 Jahren so einen Drive, dann wird"s besser. Wenn aber ein Volljähriger zurück nach Deutschland kommt und keinen Job bekommt, kann sich alles wieder umkehren. Der Erfolg hängt auch sehr von der Anschlussmaßnahme ab.
AZ: Was denken Sie über den kürzlich gegründeten Untersuchungsausschuss und die sich aus Abhängigkeiten ergebene fehlende Neutralität bei einem Mitglied?
J. Höffgen: Ich finde gut, dass es den Ausschuss gibt. Ich will auf jeden Fall die Mitglieder kennenlernen, dann kann ich mir eine Meinung bilden, ob er glaubwürdig ist.
AZ: Danke für das Gespräch.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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