Chancenkontinent Afrika oder präventive Migrationspolitik?
Auf Lobreden für Erfolgsprojekte folgt reger Austausch von Visitenkarten. Angeführt von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) verbreitete die deutsche Delegation vor wenigen Tagen Aufbruchstimmung auf dem deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel in Kenias Hauptstadt Nairobi. Zahlreiche Initiativen bemühen sich längst um eine Sanierung des traditionellen Afrikabilds, das von Hunger, Krieg und Krisen bestimmt ist. Doch nie warb die Bundesregierung so stark für den Kontinent.
„Wir setzten Afrika auf die Tagesordnung, national, in Europa und international“, betonte Müller bei der Eröffnung des zweitägigen Gipfeltreffens. Anschließend präsentierte er den „Marshallplan mit Afrika“. Hunderte Vertreter aus Wirtschaft und Politik nahmen teil.
Millionen Jobs nötig
Bei der Werbung für den Chancenkontinent schwingen immer wieder besorgte Untertöne mit. Bis 2050 soll sich die Bevölkerung Afrikas Prognosen zufolge auf mehr als zwei Milliarden Menschen verdoppeln. „20 Millionen Jugendliche mehr brauchen jedes Jahr Arbeitsplätze“, hebt Müller hervor. „Das ist eine riesige Herausforderung.“
„50 Prozent der afrikanischen Jugendlichen sind arbeitslos, haben keine Chance auf Einkommen“, erklärte Müller. Durch Digitalisierung und Globalisierung hätten Menschen in jedem afrikanischen Dorf ein Bild von Europa. „Die Menschen hier wissen, es gibt ein anderes Leben und eine andere Zukunft“, sagte er. „Natürlich überlegen sich dann viele, sich aufzumachen in eine bessere Welt Richtung Deutschland.“
Die entwicklungspolitische Organisation ONE begrüßt den Marshallplan grundsätzlich als „positives Signal“. Zum einen habe die Bundesregierung das große wirtschaftliche Potenzial erkannt, das in dem rasanten Bevölkerungswachstum liegt, erklärt Deutschland-Direktor Stephan Exo-Kreischer. „Zum anderen erkennt sie, dass der zunehmende Migrationsdruck innerhalb Afrikas aber auch auf die europäischen Staaten positiv gestaltet werden muss im Interesse der Stabilität Afrikas und Europas.“ Es sei „zentral, nicht nur solche Länder in den Blick zu nehmen, die für Investoren ohnehin schon attraktiv sind, sondern auch dafür zu sorgen, dass die am wenigsten entwickelten Länder nicht noch weiter zurückfallen“, betonte Exo-Kreischer.
Handel ganz gering
Ein Blick auf die Zahlen unterstützt seine Bedenken. Das Handelsvolumen von Deutschland mit den 49 afrikanischen Staaten südlich der Sahara ist derzeit unbedeutend. Mit knapp 26 Milliarden entspricht das dem deutschen Handel mit der Slowakischen Republik. Südafrika ist mit rund 16 Milliarden Euro der wichtigste Partner, gefolgt von Nigeria.
Auch Gipfel-Gastgeber Kenia zählt zu den aufstrebenden Volkswirtschaften des Kontinents. „Mein Handy funktioniert hier besser als zuhause in der Provinz“, scherzte Müller auf dem Podium. Touristen kommen für Strandurlaube und Safaris. Die Bedingungen scheinen stabil genug, dass Volkswagen jüngst das erste Werk in Ostafrika eröffnete.
Doch Hunger, Krieg und Krisen bleiben Teil der Realität Afrikas - und sind auch Fluchtursachen. Sicherheit ist deshalb ein Säule des Marshallplans. Ende Januar stimmte der Bundestag für eine Ausweitung des deutschen Kontingents der UN-Friedenstruppen in Mali auf bis zu 1000 Soldaten - der größte Auslandseinsatz der deutschen Soldaten, der gleichzeitig der gefährlichste ist.
Die „Müllhalde Europas“
Auch in Umweltfragen fordert die Bundesregierung ein Umdenken. Zum einen dürfe der Kontinent nicht weiterhin die „Müllhalde Europas“ bleiben, wo Elektroschrott und Altwagen abgeladen werden. Auch den Klimawandel, der etwa besonders den Osten und Süden des Kontinents trifft, soll künftig mehr Beachtung geschenkt werden.
Und wieder kommt das Thema Migration auf. Rund 20 Millionen Klimaflüchtlinge aus afrikanischen Dürregebieten gibt es derzeit, betonten beide Minister beim Kenia-Besuch. Die Zahl könnte sich schnell vervielfachen - das werde auch nicht an Europa vorbeigehen.
Von Anna Kerber, dpa
„Wir setzten Afrika auf die Tagesordnung, national, in Europa und international“, betonte Müller bei der Eröffnung des zweitägigen Gipfeltreffens. Anschließend präsentierte er den „Marshallplan mit Afrika“. Hunderte Vertreter aus Wirtschaft und Politik nahmen teil.
Millionen Jobs nötig
Bei der Werbung für den Chancenkontinent schwingen immer wieder besorgte Untertöne mit. Bis 2050 soll sich die Bevölkerung Afrikas Prognosen zufolge auf mehr als zwei Milliarden Menschen verdoppeln. „20 Millionen Jugendliche mehr brauchen jedes Jahr Arbeitsplätze“, hebt Müller hervor. „Das ist eine riesige Herausforderung.“
„50 Prozent der afrikanischen Jugendlichen sind arbeitslos, haben keine Chance auf Einkommen“, erklärte Müller. Durch Digitalisierung und Globalisierung hätten Menschen in jedem afrikanischen Dorf ein Bild von Europa. „Die Menschen hier wissen, es gibt ein anderes Leben und eine andere Zukunft“, sagte er. „Natürlich überlegen sich dann viele, sich aufzumachen in eine bessere Welt Richtung Deutschland.“
Die entwicklungspolitische Organisation ONE begrüßt den Marshallplan grundsätzlich als „positives Signal“. Zum einen habe die Bundesregierung das große wirtschaftliche Potenzial erkannt, das in dem rasanten Bevölkerungswachstum liegt, erklärt Deutschland-Direktor Stephan Exo-Kreischer. „Zum anderen erkennt sie, dass der zunehmende Migrationsdruck innerhalb Afrikas aber auch auf die europäischen Staaten positiv gestaltet werden muss im Interesse der Stabilität Afrikas und Europas.“ Es sei „zentral, nicht nur solche Länder in den Blick zu nehmen, die für Investoren ohnehin schon attraktiv sind, sondern auch dafür zu sorgen, dass die am wenigsten entwickelten Länder nicht noch weiter zurückfallen“, betonte Exo-Kreischer.
Handel ganz gering
Ein Blick auf die Zahlen unterstützt seine Bedenken. Das Handelsvolumen von Deutschland mit den 49 afrikanischen Staaten südlich der Sahara ist derzeit unbedeutend. Mit knapp 26 Milliarden entspricht das dem deutschen Handel mit der Slowakischen Republik. Südafrika ist mit rund 16 Milliarden Euro der wichtigste Partner, gefolgt von Nigeria.
Auch Gipfel-Gastgeber Kenia zählt zu den aufstrebenden Volkswirtschaften des Kontinents. „Mein Handy funktioniert hier besser als zuhause in der Provinz“, scherzte Müller auf dem Podium. Touristen kommen für Strandurlaube und Safaris. Die Bedingungen scheinen stabil genug, dass Volkswagen jüngst das erste Werk in Ostafrika eröffnete.
Doch Hunger, Krieg und Krisen bleiben Teil der Realität Afrikas - und sind auch Fluchtursachen. Sicherheit ist deshalb ein Säule des Marshallplans. Ende Januar stimmte der Bundestag für eine Ausweitung des deutschen Kontingents der UN-Friedenstruppen in Mali auf bis zu 1000 Soldaten - der größte Auslandseinsatz der deutschen Soldaten, der gleichzeitig der gefährlichste ist.
Die „Müllhalde Europas“
Auch in Umweltfragen fordert die Bundesregierung ein Umdenken. Zum einen dürfe der Kontinent nicht weiterhin die „Müllhalde Europas“ bleiben, wo Elektroschrott und Altwagen abgeladen werden. Auch den Klimawandel, der etwa besonders den Osten und Süden des Kontinents trifft, soll künftig mehr Beachtung geschenkt werden.
Und wieder kommt das Thema Migration auf. Rund 20 Millionen Klimaflüchtlinge aus afrikanischen Dürregebieten gibt es derzeit, betonten beide Minister beim Kenia-Besuch. Die Zahl könnte sich schnell vervielfachen - das werde auch nicht an Europa vorbeigehen.
Von Anna Kerber, dpa
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Allgemeine Zeitung
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