China in Namibia - eine wechselhafte „Allwetterfreundschaft“
Tatsächlich nahmen die bilateralen Beziehungen seit Ende des 20. Jahrhunderts einen rasanten Aufschwung. Sie manifestieren sich in zahlreichen wechselseitigen Besuchen staatlicher Delegationen beider Länder. In seiner Funktion als damaliger Vorsitzender der Staatengemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) reiste der frühere namibische Präsident Hifikepunye Pohamba Anfang Juni 2011 zu einem offiziellen Arbeitsbesuch nach China. Erklärte Absicht war die Vermarktung der SADC als attraktive Handels- und Investitionsregion. Tatsächlich ist das Interesse Chinas am Zugang und der Sicherung natürlicher Ressourcen in der Region und gerade auch in Namibia groß.
In seiner ersten Rede zur Lage der Nation, die der frisch gebackene Staatspräsident Hage Geingob Ende April 2015 im Parlament hielt, dankte er diplomatisch geschickt im gleichen Atemzug so unterschiedlichen Partnern wie China, den USA, Deutschland, der Weltbank und Japan für die gute Zusammenarbeit. Neuesten Statistiken zufolge rangiert China an vierter Stelle in der namibischen Importbilanz und das Handelsdefizit hat sich dank steigender Exporte nach China verringert. Dem chinesischen Botschafter zufolge haben über 40 chinesische Firmen bislang an die 3,5 Milliarden US-Dollar in Namibia investiert und 4000 namibische Arbeitsplätze geschaffen.
Chinesische Interessen
Das Interesse Chinas im und am Lande konzentriert sich u.a. auf die Erschließung der reichhaltigen Uranvorkommen. Atomenergie ist für Chinas binnenwirtschaftliche Entwicklung wichtig. So wird Uranoxid gefördert, das unter dem Gesichtspunkt von Profitmaximierung angesichts relativ niedriger Weltmarktpreise derzeit als eher unrentabel gelten würde. Die noch im Entwicklungsstadium befindliche Husab-Uranmine nahe der Küstenstädte Swakopmund und Walvis Bay wird ab 2016 mit einer der weltweit größten Fördermengen im Tagebau aktiv, neben der Ohorongo-Zementfabrik einer deutschen Firma ist sie eine der größten Einzelinvestitionen seit der Unabhängigkeit. Doch während der Erschließungsarbeiten ist der Betreiber aufgrund der Arbeitsbedingungen in die Kritik der Gewerkschaften geraten. Sie empören sich, dass Arbeitsplätze auch dann an Chinesen und andere Ausländer vergeben werden, wenn namibische Arbeiter entsprechend qualifiziert sind. So gab es bereits mehrere Arbeitsniederlegungen.
Ähnliche Konflikte manifestieren sich im Bausektor. Durch staatlich subventionierte Preise unterbieten chinesische Firmen lokale Mitkonkurrenten bei der Auftragsvergabe durch die staatlichen Instanzen - so diese Bauvorhaben überhaupt regelgemäß ausgeschrieben werden. Hauptkonkurrent ist ironischerweise häufig eine staatliche nordkoreanische Baufirma, die in Namibia unter Inkaufnahme eines Verstoßes gegen die vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen mehrere Großobjekte erhielt. Schätzungsweise über zwei Drittel aller öffentlichen Bauaufträge werden von chinesischen Unternehmen und der nordkoreanischen Firma durchgeführt. Für große Teile des lokalen Bausektors hat dies ruinöse Konsequenzen.
Die Kritik wächst
Schon 2006 beschwerten sich der Gewerkschaftsdachverband National Union of Namibian Workers (NUNW) und der Bauverband Construction Industries Federation of Namibia (CIF) über die Behandlung der Arbeiter und eine Bezahlung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Eine Untersuchung des Labour Resource and Research Institute (LaRRI) gelangte 2009 zum Ergebnis, die Geschäftspraktiken chinesischer Firmen seinen inakzeptabel. Als besonders problematisch wurde die Vergabe öffentlicher Aufträgen eingestuft, die nicht dem vorgeschriebenen staatlichen Ausschreibungsverfahren entsprächen und teilweise an Unternehmen gingen, die sich nicht an die Gesetze und Vorschriften hielten. Oftmals trugen deren eher informelle Beziehungen zu Entscheidungsträgern dazu bei, dass diese den Zuschlag erhielten.
Die Studie monierte auch die Zurückhaltung der Regierung hinsichtlich der Kritik solcher Geschäftsgebaren und die Tendenz, eher Jene in die Schranken zu weisen, die sich kritisch gegenüber chinesischen Investoren verhielten. Dass zu den Nutznießern der Beziehungen zu China auch Angehörige der politischen Elite gehören, macht dies nicht weniger suspekt. Im Oktober 2009 wurde bekannt: Kinder und andere Verwandte von Präsident Pohamba, dem ehemaligen Präsidenten Nujoma und weiteren führenden Politikern der SWAPO waren Nutznießer von Stipendien der chinesischen Regierung. Diese wurden unter der Hand vergeben und waren ein klassisches Beispiel sogenannter „Scheckbuch-Diplomatie“.
Im Jahr 2012 kritisierte der Arbeitsminister die Behandlung lokaler Arbeiter durch chinesische Unternehmen, und Präsident Pohamba informierte den chinesischen Botschafter, auch chinesische Arbeitgeber hätten sich an die Arbeitsgesetze zu halten. Der Botschafter besuchte daraufhin chinesische Investoren in verschiedenen Landesteilen und ermahnte diese, sich im Sinne der guten Beziehungen angemessen zu benehmen.
Land für Tabak
Derzeit macht ein geplantes Projekt Schlagzeilen, bei dem chinesische Investoren eine Tabakpflanzung auf 10000 Hektar in Sambesi - die frühere Caprivi-Region - betreiben wollen. Der Regionalgouverneur hatte eigenmächtig angeboten, das Gebiet bereitzustellen. Der Tabak soll ausschließlich für den Verbrauch in China produziert werden. Die Vergabe von Land für ein solch zweifelhaftes Unterfangen wurde von Landaktivisten aus der SWAPO-Jugendliga, die mittlerweile von der Partei wegen ihrer Kampagne zu Landbesetzungen ausgeschlossen wurden, scharf kritisiert. Sie forderten eine Landnutzung zum Anbau von Nahrungsmitteln und damit als Einkommensquelle und Arbeitsbeschaffung für die ländliche Bevölkerung. In Zeiten, wo die Landfrage das dringlichste politische Thema ist, rührt dieses Projekt an einem wunden Punkt. Auch Gesundheitsminister Richard Kamwi opponierte offen gegen das Vorhaben und unterstellte, dieser „Nonsens“ sei von einer Geldgier motiviert, der wenig bis nichts an den Menschen im Lande liege.
Intransparenz und Vorurteile
So ist die namibische Öffentlichkeit eher geteilter Meinung, was die Vor- und Nachteile der immer engeren Beziehungen betrifft. Während es am Unabhängigkeitstag 1990 vermutlich so gut wie keinen im Land lebenden Chinesen gab, geistern Gerüchte und Spekulationen, deren Zahl würde mittlerweile die der im Lande lebenden Weißen übersteigen. Das ist zu bezweifeln, wenngleich angeblich Chinesen bevorzugt Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen erhalten sollen.
Tatsächlich finden sich mittlerweile selbst in den entlegenen Teilen des Landes chinesische Händler, die in früheren „Eingeborenen-Stores“ ähnelnden Läden billige Massenware verhökern. Meist sind die Ladenbetreiber keiner der lokalen Sprachen mächtig und deshalb auf örtliche Angestellte angewiesen. Diese werden häufig zu Bedingungen beschäftigt, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Entsprechend unbeliebt sind chinesische Arbeitgeber, die immer wieder durch skandalöse Praktiken in den Zeitungen für Nachrichten und darauf folgende Empörung unter der Leserschaft sorgen. Diskriminierende Verallgemeinerungen gegenüber „den Chinesen“ öffnen nahezu grenzenlosen Fantasievorstellungen in der Zuweisung von Stereotypen Tür und Tor.
Einem Zeitungsbericht in „The Namibian“ vom 25. Juni 2013 zufolge konfiszierte der namibische Zoll bei einem chinesischen Händler billige Plagiate von Markenwaren im Gesamtwert von über 10 Millionen N$. Er wurde auch der Steuerhinterziehung beschuldigt - ein sicherlich nicht nur chinesisches Geschäftsgebaren. In weiten Teilen der namibischen Bevölkerung gilt dies dennoch als „typisch chinesisch“, zumal schon öfters Chinesen im Besitz großer Mengen Bargelds beraubt oder bei der Ausreise entdeckt wurden. Dass derzeit mehreren Chinesen wegen des Schmuggels von Hörnern gewilderter Nashörner der Prozess gemacht wird, trägt ebenso wenig zum Abbau von Vorurteilen bei wie ein vom chinesischen Besitzer unter den Augen der empörten Nachbarn in Windhoek geschlachteter Hund.
So mag es nicht verwundern, wenn etliche Namibier die chinesische „Allwetterfreundschaft“ teilweise mit eher gemischten Gefühlen verfolgen. Für viele macht es keinen Unterschied, ob „die da oben“ aus dem Westen, aus dem Osten oder sonst woher kommen. Eher schon gilt: Das bislang am wenigsten Vertraute ist am meisten suspekt. Die anti-chinesischen Ressentiments sind deshalb stark ausgeprägt, und die namibische Regierung ist mit der Herausforderung konfrontiert, den positiven Unterschied solcher Beziehungen zu denen der herkömmlichen ausländischen Investoren und heimischen Arbeitgeber überzeugend zu beweisen. Bis dahin ist es noch ein langer und vermutlich beschwerlicher Weg.
Dr. Henning Melber
Der Autor ist Direktor emeritus der Dag-Hammarskjöld-Stiftung in Uppsala/Schweden, Extraordinary Professor an den südafrikanischen Universitäten in Bloemfontein und Pretoria und Senior Research Fellow am Institute of Commonwealth Studies der Universität London. Zu seinen neuesten Publikationen zählt: „Namibia. Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit“ (2015). Dieser Artikel wurde für die Zeitschrift „afrika süd“ (Heft 5/2015) der Informationsstelle Südliches Afrika (ISSA) in Bonn verfasst.
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Allgemeine Zeitung
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