Coach Frank

Von Florian Gontek, WindhoekFrank Albin kann recht genau erzählen, wie aus dem Diplom-Pädagogen mit Studium in Freiburg und Zivildienst bei der Caritas-Flüchtlingshilfe in Stuttgart ein „Weltbürger“ wurde, wie er – nicht ganz ernst gemeint – sagt. Albin hat Daten, Namen und Stationen im Kopf. Dennoch verschweigt er Dinge, die Journalisten naturgemäß gerne wissen möchten.1999 etwa wurde er Jugendtrainer des Jahres in Baden-Württemberg. Es war zu seiner Zeit beim USC Freiburg, wo Albin zwischen 1994 und 2009 vor allem den Nachwuchs betreute: die U12, die U14, später die gesamte Jugendsparte des zu dieser Zeit größten deutschen Basketballvereins, für den Albin einst in der Oberliga spielte. Die Auszeichnung ist kein Thema in Albins Wohnzimmer, wo er an diesem warmen Wintertag, kurz vor Beginn des Wochenendes, seine Geschichte erzählt.Dass er das mal in Namibia tut, hätte Albin wohl selbst nicht gedacht. Nach seinem Abitur, 1991 an einem Technischen Gymnasium in Stuttgart, wollte er eigentlich nach Neuseeland reisen – das war sein Traum. Träume sind oftmals Flausen, gerade in diesem Alter. Sie werden umgeschmissen und neu entworfen. So machte es auch der talentierte Jung-Basketballer und reiste mit seinem Schulfreund, einem deutschstämmigen Südafrikaner, durch die Kap-Republik und Namibia, um seinen neuseeländischen Traum alsbald zu verwerfen. Afrika ließ Albin nie wieder los. Schon ein Jahr später, 1993, kam er zurück und radelte mit einem Freund durch Eritrea. Das Land war beseelt von der Euphorie der Unabhängigkeit, die man sich über 30 Jahre gegen das im Süden des Landes angrenzende Äthiopien erkämpft hatte. Eritrea sagt Albin heute, spiele keine Rolle mehr für ihn. Auch in Afrika war er danach länger nicht mehr, denn eine aufregende und intensive Zeit als Jugendtrainer und Koordinator der Nachwuchsabteilung des USC Freiburg begann. Nach Abschluss seines Studiums bekam der diplomierte Pädagoge eine Stelle als Bildungsreferent bei der Badischen Sportjugend. Über ein Kooperationsprojekt mit der Evangelischen Hochschule in Freiburg kam Albin mit Studenten in Kontakt, die in Namibia ein Bewegungsprojekt für Kinder betreuten, das auf die Ausbildung junger Erzieherinnen ausgerichtet war. Die Ideen der deutschen Bewegungserziehung wollten die angehenden Akademiker dabei mit Frauen und Kindern in Namibia umsetzen. Genauer im Windhoeker Stadtteil Katutura. Die Forschungsgruppe bat Albin um Rat: „Ich hatte damals keine Ahnung, ob das, was wir in Deutschland machen, auch in Namibia funktionieren würde“, schmunzelt er heute.Die Antwort darauf gab Monate später eine DVD, die ihm die Freiburger Studenten der Fachrichtung Sport und Soziale Arbeit im Anschluss ihres Projektes als Dankeschön überreichten.„Diese DVD mit Tanz und Bewegung hat mich begeistert. Ich wusste, ich wollte das auch machen. Nicht mit Bewegungserziehung, sondern mit Basketball: Der Sportart, in der ich authentisch bin.“ Die Idee, die Albin heute lebt, war geboren – 2006 war das.Die DVD war Anlass genug für Albin, im darauffolgenden Sommer nach 14 Jahren nach Afrika zurückzukehren: vier Wochen Namibia. Urlaub sollte es nicht werden, da Albin auf einen umtriebigen Bayern traf, der damals die namibische Khomas-Regionalliga lenkte und mit den Tomahawks als Teammager aufmischte: Wolfgang Kleine, 67.Vier Wochen reisten Kleine und Albin durch Namibia und der gebürtige Stuttgarter stellte seine Ideen vor. Die Bilanz dabei war ernüchternd: Teilnehmer kamen häufig nicht, geplante Termine konnten nicht stattfinden. „Ich hatte mir damals vorgestellt, dass alle dort auf mich warten würden – so war es nicht“, sagt Albin. Er musste lernen, dass die Uhren in Afrika anders ticken, die Menschen weniger verbindlich sind als in Deutschland. Noch heute hat er sich nicht ganz damit arrangieren können. „Ich bin gelassener geworden, aber es ist noch ein weiter Weg“, lacht der Sohn einer französischen Mutter und eines schlesischen Vaters.Entmutigen ließ Albin sich davon nicht. Vielmehr trieb es ihn an, seine Idee verkaufen zu müssen.Drei Monate reiste er über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Auswärtige Amt – er war noch immer beim Badischen Sportbund beschäftigt – für ein Kurzzeitprojekt nach Namibia. Albin organisierte Trainerlehrgänge und Camps für Jugendliche. In Windhoek, an der Küste und im Norden des Landes kam das Angebot so gut an, dass ihm ein Projekt über zwei Jahre in Aussicht gestellt wurde. Den sicheren, begehrten Job beim Badischen Sportbund hatte Albin da nach neun Jahren bereits gekündigt: Er wollte nach Afrika, er wollte das Abenteuer – einen Traum verfolgen. Seinen Traum. „Für mich war das schon eine Unsicherheit“, gibt Albin heute zu, als er, angestellt beim DOSB, finanziert durchs Auswärtige Amt nach Namibia ging. Das 2009 gestartete Projekt sollte später um zwei weitere Jahre verlängert werden. Frau und Kinder hat Albin nicht: der Weg war frei.Die Basketball Artists School (BAS) ist nun seit 2015 neben einem Jugendprojekt im nördlichen Eenhana fester Bestandteil eines neuen Projekts mit dem DOSB. Dieses wird gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführt. Die BAS könnte man dabei als Albins Baby bezeichnen. Gefördert durch den Freiburger Trägerverein ISIBINDI e.V., dem Deutschen Basketball Bund sowie mehreren Privatleuten und Organisationen coacht Albin seit Februar 2010 unter dem Credo: „Education First, Basketball Second“ 36 Kinder im Alter von zwölf bis 17 Jahren. Die Idee dabei: eine bessere Lebensperspektive durch Bildung und Basketball. Es ist ein „Projekt, das in keine Schublade passt“, sagt Albin. Einige der Kinder - sie besuchen mittlerweile die zehnte Klasse - sind von Anfang an in diesem Projekt dabei. Gezahlt wird mit Engagement und Verlässlichkeit. In den Fächern Mathe und Englisch werden die BAS-Schüler gefördert. Kooperationen laufen mit einem Dutzend Windhoeker Primary und Secondary Schools. Ein weiterer Schwerpunkt sind Lifeskills: Vermittlung von Werten wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, sozialer Umgang – aber auch AIDS-Prävention. „Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, den wir verfolgen“, sagt Albin.Nur die harte Verteidigung und eine feine Technik zu schulen, wie sie in der BAS gelehrt werden sollen, würden dem Anspruch nicht gerecht werden, den Albin an sich und sein Projekt stellt. „Es wird wohl kaum einer den Sprung in die NBA schaffen“, ist er realistisch. Hierzulande jedoch sind seine Jungen und Mädchen das Nonplusultra. In den namibischen U17-Teams befinden sich derzeit allein 14 Kinder der BAS. Laut Albin ist das nicht primäres Ziel, sondern vielmehr Folge des Projektes: „Das ergibt sich, wenn man eine gute Jugendarbeit betreibt und täglich hart arbeitet“, sagt der Nachwuchscoach.Schulisch stehen für einige seiner Schützlinge bald die ersten Hürden bevor. Während viele der Siebtklässler der BAS-Junioren noch immer am Einmaleins feilen, wird es für einige der Älteren bald ernst. Die zehnte Klasse muss bewältigt werden. Jeder Zweite scheitert daran.Coach Frank, wie seine Schützlinge ihn nennen, will mit der BAS noch viel erreichen. Gerade ist er dabei, die BAS als gemeinnützige, namibische Organisation anerkennen zu lassen. Dies soll die Nachhaltigkeit des Projektes sichern. Die Aufstockung der BAS auf über 50 Kinder ist ebenso geplant wie die zeitnahe Schaffung einer Bücherei, in der die BAS-Schüler den Umgang mit Literatur und den Neuen Medien kennenlernen sollen.Einen großen Traum, den möchte Albin in Zusammenarbeit mit der Namibian Basketball Federation (NBF) in naher Zukunft verwirklichen: Den Bau eines Basketballfeldes, das internationalen Standards entspricht. Es soll in Katutura entstehen. „Es wäre großartig, wenn wir das realisieren könnten“, sagt er.Seinen Traum wird er mit aller Vehemenz verfolgen, so wie es auch sein Hollywood-Double getan hat. Das Projekt, die Idee Albins, passt dabei in keine Schublade: Coach Frank, dessen darf man sich gewiss sein, geht weiter seinen ganz eigenen Weg – fernab der großen Bühne.

Coach Frank

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-27

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Coach Frank

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-27

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

ANMELDUNG