„Darf ich jetzt meine Zuckertüte öffnen?“
Es ist der erste Schritt in den zweiten Abschnitt eines jungen Lebens: der erste Schultag. WAZon begleite einen der 75 ABC-Schützen bei seiner Einschulung an der DHPS. Insgesamt starteten in Namibia 114 Erstklässler an Deutschen Schulen. Der Glücksbringer ist bei allen gleich: die Zuckertüte!
Von Evelyn Rosar, Windhoek
Morgen ist es endlich soweit. Dann ist Dylans erster Schultag. „Ich brauche bunte Filzstifte, aber die dicken. Kleber, aber den von Uhu. Und natürlich jede Menge Bücher“, sagt der 7-Jährige in seinem Spielzimmer in Windhoeks Ludwigsdorf zwischen Spielzeugdinosaurier und Schulheften. Alles da.
Außer den Dinos verstaut er eins nach dem anderen in dem blauen Ranzen mit Jet-Flugzeug drauf. Der wurde extra aus Deutschland eingeflogen. Dylan mag Fliegen und Flieger. Er will vielleicht Pilot werden. „Flugzeugflieger“, wie er sagt. „Oder eben Safari-Guide“. Sein Papa ist Inhaber eines Safari-Unternehmens. Und Tiere findet er fast genauso toll wie Flugzeuge. Was für ein Glück. Denn das Erkennungsmotiv seiner Klasse auf der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) in Windhoek wird ein Zebra sein.
Noch einmal schlafen. Dann wird alles anders sein: eine Stunde früher aufstehen, danach Hausaufgaben, dann zum Schwimmen, Fußball oder Blockflöten-Unterricht. Keines seiner Hobbys will der Junge, der mit seinen weißblonden Haaren an Astrid Lindgrens Figur „Michel aus Lönneberga“ erinnert, aufgeben. Das muss dann alles zwischen Mathe, Lesen und Schreiben passen. Sport wird sein Lieblingsfach in der Schule werden. Da legt sich Dylan schon fest. Worauf er sich am meisten freut, ist das Lesen. „Endlich kann ich dann meinem kleinen Bruder Joshua vorlesen, so wie die Mama immer uns beiden vorgelesen hat“, sagt er. Am liebsten aus seinem Lieblingsbuch „Globi, der Kinderfreund“.
Seine Sätze strukturiert Dylan klar und deutlich. Er weiß, was er will. Angst hat er vor seinem großen Tag und den Veränderungen nicht. Er kennt mindestens schon zwei Jungs aus seinem Fußballverein, Samuel und Carlo, mit denen er das große Abenteuer Schule gemeinsam beginnen wird. Ein Team, auf dem Feld und im Klassenraum.
Endlich ist es soweit
Letzte Vorkehrungen für die Einschulung: Zuckertüte füllen! An der deutschen Schule hat die deutsche Tradition noch Tradition. Dylans Mama Stefanie erzählt die Besonderheit der Tüte Dylans: „Die hatten schon mein Bruder und ich an unseren ersten Schultagen. Wir gingen sogar auf dieselbe Schule.“ Was Mama alles reinsteckt, soll Dylan nicht sehen, es wird eine Überraschung. Einen Wunsch äußert er: „Minz-Schokolade!“ Seine größte Sorge ist, dass mehr Schulsachen als Süßigkeiten ihren Weg reinfinden könnten.
Heute ist es endlich soweit: Mittwoch, der 22. Januar 2020, fängt wirklich ganz anders an als die Tage bei Familie Cowley sonst. Die Eltern waren in Sorge, die Kinder könnten verschlafen. Es ging extra früh ins Bett, extra früh wieder auf.
Nun ist es sieben Uhr morgens und Dylan sitzt in seiner blau-grauen Schuluniform auf der Couch. Er ist bereit, wartet nur auf das Startzeichen seiner Eltern, um ins Auto zu steigen. „Zu früh fertig, das hatten wir noch nie“, sagt seine Mama und überlegt kurz, was sie mit der gewonnenen Zeit anfangen kann. Eigentlich sollte es erst um halb acht Richtung Schule gehen. Jetzt sagt sie: „Na, dann fahren wir jetzt schon los.“
Die ungewohnte Ruhe am Morgen wird gleich durch 75 Erstklässler und deren Familien, sowie die Zweit- und Zwölftklässler abgelöst, die über das Schulgelände der DHPS wuseln. Alle wollen die Abc-Schützen der vier neuen Klassen begrüßen. Am Eingang und auf dem Schulhof - überall werden Familienfotos gemacht, überall sieht man Erstklässler - erkennbar an der Zuckertüte. Oft schnappt man die Sätze auf: „Ist die nicht zu schwer? Soll ich die nicht lieber tragen?“ Doch eines ist den Erstklässlern klar: Die Zuckertüte aus der Hand zu geben, das kommt ihnen nicht in die (Zucker-) Tüte! Auch wenn die Wenigsten der 36 Jungs und 39 Mädchen über ihre Schultüte hinüberschauen oder sie mit beiden Armen umfassen können.
Etwa 500 Leute sitzen in der Aula. Manche der Schulanfänger müssen sich vor der Bühne auf den Boden setzen - die Stühle reichen nicht aus. Es wird gesungen und gebetet. Die Zweitklässler geben den Neuankömmlingen das ABC mit auf den Weg. Zu jedem Buchstaben haben sie sich ein Wort überlegt: „O steht für ‚Obstacles‘ (Hindernisse), die wir gemeinsam überwinden“. Mit diesem Mantra geht es endlich los in die Klassen.
Noch mehr Schokolade
Jeder Große schnappt sich einen Kleinen. Die Zwölftklässler werden den Jüngsten das ganze Schuljahr zur Seite stehen. Dylans Patin heißt Silke. Sie ist vier Köpfe größer als er, muss sich bücken, um ihm zuzuhören. Verstehen tun sie sich dennoch prompt. Auf seiner Schultüte zeigt er ihr die Wilhelm-Busch-Charaktere „Max und Moritz“. Noch mehr Geschichten, die er bald seinem Bruder vorlesen kann.
Schauen, was sich in der Tüte befindet, darf er immer noch nicht. Dafür ist aber auch gar keine Zeit. In seiner Klasse sitzen schon seine Fußballfreunde. Neben die setzt er sich jetzt. Dritte Reihe, Mitte. In den vier Reihen verteilen sich 19 Kinder. Neun Mädchen, zehn Jungs. Auf jedem Platz steht zur Begrüßung ein gebasteltes Zebra, in dem sich Süßigkeiten verstecken. Noch mehr Schokolade! „Erst zu Hause aufmachen“, sagt Nadja Roxin. Sie sieht jung aus, lächelt, trägt ein buntes Kleid und ihre blonden Haare halboffen. Manche sagen „Du“ zu der Klassenlehrerin der 1b. Dylan findet sie nett - auch wenn sie gleich am ersten Tag Hausaufgaben aufgibt.
Frau Roxin hält ein Blatt Papier hoch und zeigt: „Malt in diese Zuckertüte all die Dinge, die ihr heute in Eurer entdecken werdet!“, erteilt sie den Auftrag. „Das kann ich nicht“, platzt es aus einem Mitschüler zwei Plätze neben Dylan heraus. Seine Schultüte ist besonders groß. Er lässt sich in seinen kleinen Stuhl zurückplumpsen und starrt sie an. Er erklärt: „Da sind doch so viele Sachen drin!“ Frau Roxin greift ein, eine Oktave tiefer sagt sie: „Du musst ja nicht alles aufmalen, die wichtigsten Geschenke genügen.“ Und diese Antwort genügt auch ihm.
Ob jemand noch Fragen hat, will die Lehrerin am Ende der Stunde wissen. Dylan meldet sich, so wie es Frau Roxyn gerade allen beigebracht hat. Er will wissen, ob er morgen schon sein Lieblingsbuch mitbringen kann. Außerdem sorgt er sich um seine Familie. Er will wissen, wie lange seine Eltern denn noch in der Aula auf ihn warten müssen. Nicht mehr lange, denn da geht die Türe auf und die Eltern aller Kinder kommen rein: der erste Schultag ist vorbei. „Wie war er?“, fragt Dylans Mutter. „Schön“, antwortet Dylan, „darf ich jetzt meine Zuckertüte öffnen?“
Von Evelyn Rosar, Windhoek
Morgen ist es endlich soweit. Dann ist Dylans erster Schultag. „Ich brauche bunte Filzstifte, aber die dicken. Kleber, aber den von Uhu. Und natürlich jede Menge Bücher“, sagt der 7-Jährige in seinem Spielzimmer in Windhoeks Ludwigsdorf zwischen Spielzeugdinosaurier und Schulheften. Alles da.
Außer den Dinos verstaut er eins nach dem anderen in dem blauen Ranzen mit Jet-Flugzeug drauf. Der wurde extra aus Deutschland eingeflogen. Dylan mag Fliegen und Flieger. Er will vielleicht Pilot werden. „Flugzeugflieger“, wie er sagt. „Oder eben Safari-Guide“. Sein Papa ist Inhaber eines Safari-Unternehmens. Und Tiere findet er fast genauso toll wie Flugzeuge. Was für ein Glück. Denn das Erkennungsmotiv seiner Klasse auf der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) in Windhoek wird ein Zebra sein.
Noch einmal schlafen. Dann wird alles anders sein: eine Stunde früher aufstehen, danach Hausaufgaben, dann zum Schwimmen, Fußball oder Blockflöten-Unterricht. Keines seiner Hobbys will der Junge, der mit seinen weißblonden Haaren an Astrid Lindgrens Figur „Michel aus Lönneberga“ erinnert, aufgeben. Das muss dann alles zwischen Mathe, Lesen und Schreiben passen. Sport wird sein Lieblingsfach in der Schule werden. Da legt sich Dylan schon fest. Worauf er sich am meisten freut, ist das Lesen. „Endlich kann ich dann meinem kleinen Bruder Joshua vorlesen, so wie die Mama immer uns beiden vorgelesen hat“, sagt er. Am liebsten aus seinem Lieblingsbuch „Globi, der Kinderfreund“.
Seine Sätze strukturiert Dylan klar und deutlich. Er weiß, was er will. Angst hat er vor seinem großen Tag und den Veränderungen nicht. Er kennt mindestens schon zwei Jungs aus seinem Fußballverein, Samuel und Carlo, mit denen er das große Abenteuer Schule gemeinsam beginnen wird. Ein Team, auf dem Feld und im Klassenraum.
Endlich ist es soweit
Letzte Vorkehrungen für die Einschulung: Zuckertüte füllen! An der deutschen Schule hat die deutsche Tradition noch Tradition. Dylans Mama Stefanie erzählt die Besonderheit der Tüte Dylans: „Die hatten schon mein Bruder und ich an unseren ersten Schultagen. Wir gingen sogar auf dieselbe Schule.“ Was Mama alles reinsteckt, soll Dylan nicht sehen, es wird eine Überraschung. Einen Wunsch äußert er: „Minz-Schokolade!“ Seine größte Sorge ist, dass mehr Schulsachen als Süßigkeiten ihren Weg reinfinden könnten.
Heute ist es endlich soweit: Mittwoch, der 22. Januar 2020, fängt wirklich ganz anders an als die Tage bei Familie Cowley sonst. Die Eltern waren in Sorge, die Kinder könnten verschlafen. Es ging extra früh ins Bett, extra früh wieder auf.
Nun ist es sieben Uhr morgens und Dylan sitzt in seiner blau-grauen Schuluniform auf der Couch. Er ist bereit, wartet nur auf das Startzeichen seiner Eltern, um ins Auto zu steigen. „Zu früh fertig, das hatten wir noch nie“, sagt seine Mama und überlegt kurz, was sie mit der gewonnenen Zeit anfangen kann. Eigentlich sollte es erst um halb acht Richtung Schule gehen. Jetzt sagt sie: „Na, dann fahren wir jetzt schon los.“
Die ungewohnte Ruhe am Morgen wird gleich durch 75 Erstklässler und deren Familien, sowie die Zweit- und Zwölftklässler abgelöst, die über das Schulgelände der DHPS wuseln. Alle wollen die Abc-Schützen der vier neuen Klassen begrüßen. Am Eingang und auf dem Schulhof - überall werden Familienfotos gemacht, überall sieht man Erstklässler - erkennbar an der Zuckertüte. Oft schnappt man die Sätze auf: „Ist die nicht zu schwer? Soll ich die nicht lieber tragen?“ Doch eines ist den Erstklässlern klar: Die Zuckertüte aus der Hand zu geben, das kommt ihnen nicht in die (Zucker-) Tüte! Auch wenn die Wenigsten der 36 Jungs und 39 Mädchen über ihre Schultüte hinüberschauen oder sie mit beiden Armen umfassen können.
Etwa 500 Leute sitzen in der Aula. Manche der Schulanfänger müssen sich vor der Bühne auf den Boden setzen - die Stühle reichen nicht aus. Es wird gesungen und gebetet. Die Zweitklässler geben den Neuankömmlingen das ABC mit auf den Weg. Zu jedem Buchstaben haben sie sich ein Wort überlegt: „O steht für ‚Obstacles‘ (Hindernisse), die wir gemeinsam überwinden“. Mit diesem Mantra geht es endlich los in die Klassen.
Noch mehr Schokolade
Jeder Große schnappt sich einen Kleinen. Die Zwölftklässler werden den Jüngsten das ganze Schuljahr zur Seite stehen. Dylans Patin heißt Silke. Sie ist vier Köpfe größer als er, muss sich bücken, um ihm zuzuhören. Verstehen tun sie sich dennoch prompt. Auf seiner Schultüte zeigt er ihr die Wilhelm-Busch-Charaktere „Max und Moritz“. Noch mehr Geschichten, die er bald seinem Bruder vorlesen kann.
Schauen, was sich in der Tüte befindet, darf er immer noch nicht. Dafür ist aber auch gar keine Zeit. In seiner Klasse sitzen schon seine Fußballfreunde. Neben die setzt er sich jetzt. Dritte Reihe, Mitte. In den vier Reihen verteilen sich 19 Kinder. Neun Mädchen, zehn Jungs. Auf jedem Platz steht zur Begrüßung ein gebasteltes Zebra, in dem sich Süßigkeiten verstecken. Noch mehr Schokolade! „Erst zu Hause aufmachen“, sagt Nadja Roxin. Sie sieht jung aus, lächelt, trägt ein buntes Kleid und ihre blonden Haare halboffen. Manche sagen „Du“ zu der Klassenlehrerin der 1b. Dylan findet sie nett - auch wenn sie gleich am ersten Tag Hausaufgaben aufgibt.
Frau Roxin hält ein Blatt Papier hoch und zeigt: „Malt in diese Zuckertüte all die Dinge, die ihr heute in Eurer entdecken werdet!“, erteilt sie den Auftrag. „Das kann ich nicht“, platzt es aus einem Mitschüler zwei Plätze neben Dylan heraus. Seine Schultüte ist besonders groß. Er lässt sich in seinen kleinen Stuhl zurückplumpsen und starrt sie an. Er erklärt: „Da sind doch so viele Sachen drin!“ Frau Roxin greift ein, eine Oktave tiefer sagt sie: „Du musst ja nicht alles aufmalen, die wichtigsten Geschenke genügen.“ Und diese Antwort genügt auch ihm.
Ob jemand noch Fragen hat, will die Lehrerin am Ende der Stunde wissen. Dylan meldet sich, so wie es Frau Roxyn gerade allen beigebracht hat. Er will wissen, ob er morgen schon sein Lieblingsbuch mitbringen kann. Außerdem sorgt er sich um seine Familie. Er will wissen, wie lange seine Eltern denn noch in der Aula auf ihn warten müssen. Nicht mehr lange, denn da geht die Türe auf und die Eltern aller Kinder kommen rein: der erste Schultag ist vorbei. „Wie war er?“, fragt Dylans Mutter. „Schön“, antwortet Dylan, „darf ich jetzt meine Zuckertüte öffnen?“
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Allgemeine Zeitung
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