Das andere Gesicht
"Leg' mal Kwaito auf - dieses Mädchen kennt kein Kwaito!" Die junge Frau mit der weißen Wollmütze flitzt hinter ihren holzvergitterten Tresen und fummelt an der Musikanlage. Die ersten Bässe wummern aus den Boxen, grinsend dreht sie den Lautstärkeknopf bis zum Anschlag. "Die Musik ist abends durch alle Straßen zu hören", brüllt Ronaldo angestrengt, um den ohrenbetäubenden Rap aus der Anlage zu übertönen. In seiner Gesellschaft gelangen Touristen in den Lüderitzer Townships an Orte, die ihnen sonst vermutlich stets verborgen blieben.
Ronaldo Harris ist gebürtiger Lüderitzer in vierter Generation. Er ist selbst in den Townships der Stadt aufgewachsen. Seine Ur-Großmutter, erzählt er, habe noch ein Lüderitzbucht vor der Apartheid gekannt, ohne die Trennung von Schwarz, Weiß und Farbig. Dort hätten alle zusammengelebt; diejenigen, die aus dem Land selbst kamen, und alle, die über den Ozean nach Namibia gelangten. "Wir haben eine fantastische Geschichte", sagt der 35-Jährige leidenschaftlich. Diese will er den Besuchern der Stadt vermitteln - vor allem den Teil der Historie, den die bekannten Attraktionen und hübschen Kolonialbauten nicht erzählen.
Vieles hat Ronaldo selbst erlebt. Er kennt noch die abgeschlossene 10000-Seelen-Gemeinde, in der ausnahmslos alle Einwohner vom Langustenfang lebten. Seine Townshiptour ist deshalb auch eine kleine Tour durch seine eigene Biografie. Man sieht den Hügel, auf dem das Haus seiner Großeltern stand - "und die Deutschen haben dort Herero aufgehängt", ist Ronaldo sicher. Den Schwarzen-Friedhof mit seinen kleinen Steinhaufen auf den Gräbern, auf dem alle seine verstorbenen Verwandten liegen. Und den Kindergarten in Benguela, den er selbst früher besuchte. Er kennt die Betreuerin, viele der Kinder. Die Regale mit zerfledderten Büchern und alten Plastikpuppen, das ABC mit selbst gemalten Bildern an der Wand, wecken in ihm Erinnerungen - er lässt seine Begleiter ohne Zurückhaltung daran teilhaben. "Das war lange, lange Zeit der einzige Kindergarten in Lüderitzbucht", berichtet er. "Wir alle kommen von diesem Ort. Er ist ein Segen."
Vieles bewegt sich derzeit in den Townships, gerade in den "besseren" wie Nautilus und Agate Park. "Seit der Unabhängigkeit sanieren viele", weiß Ronaldo. Die Häuser in Nautilus haben einen farbigen Anstrich, gepflegte Gärten. Aber: "Der Lebensstandard der Benguela-Bevölkerung etwa", erklärt der Guide, "hat sich seit der Gründung des Townships nur um ein Prozent verbessert." Vor den Reihen aus Wellblechhütten stehen dort Zeilen mit Gemeinschaftstoiletten, überall gibt es die "Shebeens" - die kleinen Bars - und Cuca-Shops, die Süßigkeiten, Zigaretten und Handy-Karten verkaufen. "Wenn einer hier mal zu Geld kommt, lädt er alle zum Essen ein", erläutert Ronaldo das Prinzip. "Das ist, was manche Ghetto-Lifestyle nennen."
Die Townships haben aber auch ganz physisch ein Stück Historie bewahrt: Viele der Wellblechhütten und kleinen Steinhäuschen sind mit Türen aus Kolmannskuppe und längst verlorenen Diamantgräberstädten ausgestattet. "Die hat man sich dort in den 60ern geholt", verrät Ronaldo.
Eine feste Tour fährt der Lüderitzer nicht. Er kennt jeden Stein in den Townships. Welche er zeigt, entscheiden seine Gäste. Und wer schon immer mal abends in eine "Shebeen" einkehren wollte, um das Nachtleben der Townships zu erfahren, dem bietet sich Ronaldo auch als Partybegleiter an. Denn wenn er sich zwischen den bunten Häusern und in den engen, staubigen Gassen von Zone 7, Nautilus, Benguela, Ghosttown und Agate Park umsieht, ist er sicher: "Das ist Lüderitzbucht!"
Information:
Die neue Townshiptour in Lüderitzbucht mit Ronaldo Harris kann gebucht werden über Lüderitz Safaris & Tours, Telefon 063-202719.
Ronaldo Harris ist gebürtiger Lüderitzer in vierter Generation. Er ist selbst in den Townships der Stadt aufgewachsen. Seine Ur-Großmutter, erzählt er, habe noch ein Lüderitzbucht vor der Apartheid gekannt, ohne die Trennung von Schwarz, Weiß und Farbig. Dort hätten alle zusammengelebt; diejenigen, die aus dem Land selbst kamen, und alle, die über den Ozean nach Namibia gelangten. "Wir haben eine fantastische Geschichte", sagt der 35-Jährige leidenschaftlich. Diese will er den Besuchern der Stadt vermitteln - vor allem den Teil der Historie, den die bekannten Attraktionen und hübschen Kolonialbauten nicht erzählen.
Vieles hat Ronaldo selbst erlebt. Er kennt noch die abgeschlossene 10000-Seelen-Gemeinde, in der ausnahmslos alle Einwohner vom Langustenfang lebten. Seine Townshiptour ist deshalb auch eine kleine Tour durch seine eigene Biografie. Man sieht den Hügel, auf dem das Haus seiner Großeltern stand - "und die Deutschen haben dort Herero aufgehängt", ist Ronaldo sicher. Den Schwarzen-Friedhof mit seinen kleinen Steinhaufen auf den Gräbern, auf dem alle seine verstorbenen Verwandten liegen. Und den Kindergarten in Benguela, den er selbst früher besuchte. Er kennt die Betreuerin, viele der Kinder. Die Regale mit zerfledderten Büchern und alten Plastikpuppen, das ABC mit selbst gemalten Bildern an der Wand, wecken in ihm Erinnerungen - er lässt seine Begleiter ohne Zurückhaltung daran teilhaben. "Das war lange, lange Zeit der einzige Kindergarten in Lüderitzbucht", berichtet er. "Wir alle kommen von diesem Ort. Er ist ein Segen."
Vieles bewegt sich derzeit in den Townships, gerade in den "besseren" wie Nautilus und Agate Park. "Seit der Unabhängigkeit sanieren viele", weiß Ronaldo. Die Häuser in Nautilus haben einen farbigen Anstrich, gepflegte Gärten. Aber: "Der Lebensstandard der Benguela-Bevölkerung etwa", erklärt der Guide, "hat sich seit der Gründung des Townships nur um ein Prozent verbessert." Vor den Reihen aus Wellblechhütten stehen dort Zeilen mit Gemeinschaftstoiletten, überall gibt es die "Shebeens" - die kleinen Bars - und Cuca-Shops, die Süßigkeiten, Zigaretten und Handy-Karten verkaufen. "Wenn einer hier mal zu Geld kommt, lädt er alle zum Essen ein", erläutert Ronaldo das Prinzip. "Das ist, was manche Ghetto-Lifestyle nennen."
Die Townships haben aber auch ganz physisch ein Stück Historie bewahrt: Viele der Wellblechhütten und kleinen Steinhäuschen sind mit Türen aus Kolmannskuppe und längst verlorenen Diamantgräberstädten ausgestattet. "Die hat man sich dort in den 60ern geholt", verrät Ronaldo.
Eine feste Tour fährt der Lüderitzer nicht. Er kennt jeden Stein in den Townships. Welche er zeigt, entscheiden seine Gäste. Und wer schon immer mal abends in eine "Shebeen" einkehren wollte, um das Nachtleben der Townships zu erfahren, dem bietet sich Ronaldo auch als Partybegleiter an. Denn wenn er sich zwischen den bunten Häusern und in den engen, staubigen Gassen von Zone 7, Nautilus, Benguela, Ghosttown und Agate Park umsieht, ist er sicher: "Das ist Lüderitzbucht!"
Information:
Die neue Townshiptour in Lüderitzbucht mit Ronaldo Harris kann gebucht werden über Lüderitz Safaris & Tours, Telefon 063-202719.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen