Das Leiden als Sinnspender verschiedener Epochen
Mburumba Kerina, Otjiherero-sprachiger Altpolitiker, spannt den Bogen vom Schießbefehl General Lothar von Trothas 1904 über die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis bis zu den Erdlöchern von Lubango, Angola.
Kerina hat Mitte November einer Konferenz in Oslo, Norwegen, über Genozid in Afrika beigewohnt. (Die AZ berichtete zunächst lediglich über den Termin).
Kerina ist bei dem Anlass ausdrücklich für den "Ovaherero/Ovambanderu-Rat für Dialog über den Genozid 1904" aufgetreten und nicht für das rivalisierende Genozid- und Reparationskomitee von Chef Kuaima Riruako, das den vorgeschlagenen Dialog mit der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, beziehungsweise für totgeboren hält. Kerina steht jedoch "zwischen den Fronten", denn er war maßgeblich im Namen Riruakos an der Vorbereitung der Reparationsklage gegen Deutschland und die Nachfahren früherer Kolonialunternehmen beteiligt. Die Klage wurde im Juni 2001 im Bezirksgericht von Columbia, Washington, eingereicht, aber als Gerichtssache wieder abgewiesen. Der Ovaherero/Ovambanderu-Rat für Dialog hat die Reparationsklage jedoch nie formal unterstützt.
Auch Kerina ist bei seinem Auftritt in Oslo etwas von der Klage abgerückt, denn es ist keine Rede von einem Termin oder erhofftem Ausgang mehr. Dennoch hebt der Referent die Klage als hilfreich hervor, dass die Führer der Bundesregierung sowie die deutsche Öffentlichkeit das Thema dadurch bewusst und offen diskutiert hätten, "um eine gegenseitig akzeptable Lösung des Problems zu finden, um dem Frieden und der Versöhnung zu dienen".
Kerina hat offensichtlich von der vorbereiteten Versöhnungserklärung gewusst, deren Unterzeichnung vor einer Woche während Präsident Pohambas Staatsbesuch in Berlin jedoch deshalb nicht zustande kam, weil die namibische Regierung noch nicht hinreichend über das Vorhaben unterrichtet zu sein schien. Zum Zeitpunkt seines Vortrags richtet sich Kerina noch an die Regierung Schröder (vor dem Antritt Angela Merkels), "eine Deklaration für Frieden und Versöhnung mit der Regierung der Republik Namibia und den traditionellen Führern der Herero zu unterzeichnen, um die namibische Aussöhnungspolitik in unserem Land zu stärken".
Die Verpflichtung der Bundesrepublik sieht Kerina in der zweiten Haager Konvention von 1899 begründet, bei der das Kaiserreich vertreten war. Forderungen der Herero für Kriegsschäden leitet Kerina auch aus dem Zivil- sowie aus dem internationalen Völkerrecht ab. Demnach sollten die Nutznießer von unrechtmäßigem Gewinn Wiedergutmachung leisten, sowohl als Tat des guten Willens als auch zur Wiederherstellung der Menschenwürde der Opfer.
Kerina zitierte ferner den ehemaligen Häftling Oiva Angula (heute bei der Telecom Namibia zuständig für Öffentlichkeitsarbeit), der in den SWAPO-Straflöchern von Lubango einsitzen musste: "Wenn alle Bilder mit der Zeit verschwimmen, der Klang der Worte im Gedächtnis verstummt ist und das Geschehen einer fürchterlichen Vergangenheit zum Flugsand eines fernen Landes geworden ist, bleibt eins in der Seele haften, das nicht fortgewünscht werden kann. Es ist die Erinnerung des Schmerzes."
Schließlich ging Kerina auf Zitate des KZ-Überlebenden Victor Frankl ein, der das Leiden von Menschen als Sinngebung gedeutet hat: Es sei nicht die Sorge des Menschen, Vergnügen zu erlangen oder Schmerz zu vermeiden, sondern den Sinn des Lebens zu erfahren. Daher ist der Mensch sogar bereit zu leiden, wenn daraus hervorgeht, dass sein Leiden einen Sinn hat." Kerina verwies mit Anerkennung auf das Schuldgeständnis der deutschen Ministerin Wiezcorek-Zeul im August 2004 auf Ohamakari und fügte hinzu: "Wir Herero haben die tragischen Konsequenzen des Genozid als ein historisches Gedenken unseres Leidens und des Schmerzes akzeptiert. Wir wissen, dass Vergebung befreit und Gerechtigkeit die Wunden der Ungerechtigkeit heilt. Versöhnung beseitigt Bitterkeit und Hass. Versöhnung öffnet die Schleusen des ständigen Friedens, der Ruhe und Sicherheit."
Vor dem Deutschlandbesuch von Präsident Hifikepunye Pohamba haben sich letzthin beide Herero-Komitees getrennt im Staatshaus gemeldet, um den Staatschef über ihre jeweilige Position zu unterrichten. Als eine gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik Deutschland und Namibias zur Aussöhnung über den Kolonialkrieg vergangene Woche in Berlin noch nicht unterzeichnet wurde, hat sich das Reparationskomitee Riruakos in seiner Ablehnung gegenüber derzeitigen Dialogbemühungen bestärkt gefühlt.
Kerina hat Mitte November einer Konferenz in Oslo, Norwegen, über Genozid in Afrika beigewohnt. (Die AZ berichtete zunächst lediglich über den Termin).
Kerina ist bei dem Anlass ausdrücklich für den "Ovaherero/Ovambanderu-Rat für Dialog über den Genozid 1904" aufgetreten und nicht für das rivalisierende Genozid- und Reparationskomitee von Chef Kuaima Riruako, das den vorgeschlagenen Dialog mit der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, beziehungsweise für totgeboren hält. Kerina steht jedoch "zwischen den Fronten", denn er war maßgeblich im Namen Riruakos an der Vorbereitung der Reparationsklage gegen Deutschland und die Nachfahren früherer Kolonialunternehmen beteiligt. Die Klage wurde im Juni 2001 im Bezirksgericht von Columbia, Washington, eingereicht, aber als Gerichtssache wieder abgewiesen. Der Ovaherero/Ovambanderu-Rat für Dialog hat die Reparationsklage jedoch nie formal unterstützt.
Auch Kerina ist bei seinem Auftritt in Oslo etwas von der Klage abgerückt, denn es ist keine Rede von einem Termin oder erhofftem Ausgang mehr. Dennoch hebt der Referent die Klage als hilfreich hervor, dass die Führer der Bundesregierung sowie die deutsche Öffentlichkeit das Thema dadurch bewusst und offen diskutiert hätten, "um eine gegenseitig akzeptable Lösung des Problems zu finden, um dem Frieden und der Versöhnung zu dienen".
Kerina hat offensichtlich von der vorbereiteten Versöhnungserklärung gewusst, deren Unterzeichnung vor einer Woche während Präsident Pohambas Staatsbesuch in Berlin jedoch deshalb nicht zustande kam, weil die namibische Regierung noch nicht hinreichend über das Vorhaben unterrichtet zu sein schien. Zum Zeitpunkt seines Vortrags richtet sich Kerina noch an die Regierung Schröder (vor dem Antritt Angela Merkels), "eine Deklaration für Frieden und Versöhnung mit der Regierung der Republik Namibia und den traditionellen Führern der Herero zu unterzeichnen, um die namibische Aussöhnungspolitik in unserem Land zu stärken".
Die Verpflichtung der Bundesrepublik sieht Kerina in der zweiten Haager Konvention von 1899 begründet, bei der das Kaiserreich vertreten war. Forderungen der Herero für Kriegsschäden leitet Kerina auch aus dem Zivil- sowie aus dem internationalen Völkerrecht ab. Demnach sollten die Nutznießer von unrechtmäßigem Gewinn Wiedergutmachung leisten, sowohl als Tat des guten Willens als auch zur Wiederherstellung der Menschenwürde der Opfer.
Kerina zitierte ferner den ehemaligen Häftling Oiva Angula (heute bei der Telecom Namibia zuständig für Öffentlichkeitsarbeit), der in den SWAPO-Straflöchern von Lubango einsitzen musste: "Wenn alle Bilder mit der Zeit verschwimmen, der Klang der Worte im Gedächtnis verstummt ist und das Geschehen einer fürchterlichen Vergangenheit zum Flugsand eines fernen Landes geworden ist, bleibt eins in der Seele haften, das nicht fortgewünscht werden kann. Es ist die Erinnerung des Schmerzes."
Schließlich ging Kerina auf Zitate des KZ-Überlebenden Victor Frankl ein, der das Leiden von Menschen als Sinngebung gedeutet hat: Es sei nicht die Sorge des Menschen, Vergnügen zu erlangen oder Schmerz zu vermeiden, sondern den Sinn des Lebens zu erfahren. Daher ist der Mensch sogar bereit zu leiden, wenn daraus hervorgeht, dass sein Leiden einen Sinn hat." Kerina verwies mit Anerkennung auf das Schuldgeständnis der deutschen Ministerin Wiezcorek-Zeul im August 2004 auf Ohamakari und fügte hinzu: "Wir Herero haben die tragischen Konsequenzen des Genozid als ein historisches Gedenken unseres Leidens und des Schmerzes akzeptiert. Wir wissen, dass Vergebung befreit und Gerechtigkeit die Wunden der Ungerechtigkeit heilt. Versöhnung beseitigt Bitterkeit und Hass. Versöhnung öffnet die Schleusen des ständigen Friedens, der Ruhe und Sicherheit."
Vor dem Deutschlandbesuch von Präsident Hifikepunye Pohamba haben sich letzthin beide Herero-Komitees getrennt im Staatshaus gemeldet, um den Staatschef über ihre jeweilige Position zu unterrichten. Als eine gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik Deutschland und Namibias zur Aussöhnung über den Kolonialkrieg vergangene Woche in Berlin noch nicht unterzeichnet wurde, hat sich das Reparationskomitee Riruakos in seiner Ablehnung gegenüber derzeitigen Dialogbemühungen bestärkt gefühlt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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