Das letzte Glied der Kette
...und weitere Tiere, die besonderen Schutz benötigen
Liz Komen beherrscht eine Art der Kommunikation, der die meisten anderen Menschen nur lauschen können. Geduldig läuft sie auf ihrem Grundstück nahe Windhoek umher und imitiert Vogelklänge, um ihre Vertrauten anzulocken und ihnen zu signalisieren, dass das Essen serviert ist.
Komen ist eine tiermedizinische Fachkraft mit Hintergrund in der sozialen Arbeit. Vor nunmehr dreißig Jahren gründete sie das namibische Zentrum für Tierrehabilitation, Wissenschaft und Bildung (NARREC) nahe Windhoek. NARREC nimmt kranke, verletzte sowie verwaiste Wildtiere auf und kümmert sich um diese. Während Komen zu Beginn alle möglichen Tiere aufnahm, wurde ihr mit der Zeit klar, dass eine Einschränkung besser sei: „Je spezialisierter man ist, desto bessere Arbeit leistet man. Ich kann kein Experte im Umgang mit allen Tieren sein“, gesteht sie offen. Komen setzte also einen Fokus auf Vögel. Insbesondere Greif- und Raubvögel gelten ihrem Interesse, da diese oftmals am Ende der Nahrungskette stehen und eine große Rolle innerhalb der Biodiversität des Landes, gar der ganzen Welt, spielen.
Am äußersten Ende der Nahrungskette stehen die Geier. Sie sind sozusagen die Gesundheitspolizei der Natur: ohne Geier würden sich Krankheiten sehr viel schneller verbreiten, da sonst andere Raubtiere die Kadaver verspeisen und sich somit mit diversen Erregern anstecken würden. Auf diesem Wege würden bakterielle Infekte sehr viel schneller um sich greifen. Aasgeier sind ein fester Bestandteil des Ökosystems, das ohne sie massiv außer Kontrolle geraten würde.
Dieser Kontrollverlust ist längst kein Hirngespinst mehr – der Geierbestand ist weltweit alarmierend gesunken. Eine 2015 veröffentlichte Studie der kanadischen Universität von Britisch-Kolumbien überprüfte das Vorkommen von acht der neun Afrikanischen Geierarten: demzufolge hat sich ihre Zahl in den zurückliegenden drei Jahrzehnten mehr als halbiert. Bei sieben der acht untersuchten Vogelarten vermerkten die Forscher sogar einen Rückgang um mehr als 80 Prozent. Eine weitere Expertenrunde 2017 berichtete, dass nunmehr vier asiatische und vier afrikanische Geierarten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion als „kritisch bedroht“ aufgeführt werden, darunter der Kappengeier, der Weißrückengeier, der Indiengeier und der Sperbergeier.
Doch wieso sind die Geier solch bedrohte Tiere? Ein Grund dafür ist die Wilderei. Kreisen die Tiere über den gewilderten Kadavern, sind sie für Wachen ein sicherer Indikator, was den Wilderern gefährlich werden könnte. Und so werden die genannten Kadaver oft vergiftet, so dass die Aasfresser an ihnen zu Grunde gehen. Auch eine andere Art der Vergiftung lässt sie – in diesem Falle unbeabsichtigt – leiden. So verwenden auch Farmer Giftstoffe; jedoch um ungern gesehene Gäste wie Hyänen von ihren Grundstücken fernzuhalten. Diese toxischen Stoffe nehmen die Geier oftmals versehentlich während der Nahrungsaufnahme zu sich und sterben daran.
Komen ergänzt noch einen weiteren Aspekt und kritisiert, dass vielerlei Wild mit Munition geschossen werde, die während des Abschusses Giftstoffe ausstoße. Auch diese Art der Vergiftung reiche aus, um die Vögel verenden zu lassen.
Aktuell beherbergt Komen zwei Weißrückengeier. Diese wurden kein Opfer von Gift, sondern leiden unter Knochenmissbildungen, die es ihnen nicht erlauben, normal zu fliegen. Die beiden Geier leben seit fünf bzw. acht Jahren auf dem Gelände und werden auf Grund ihrer Knochen niemals in freier Natur überleben können. Trotzdem bemühe sich NARREC natürliche Lebensumstände zu simulieren. Es gebe nur alle drei bis vier Tage Nahrung, so wie es in freier Wildbahn wäre. Ein Tier, das normalerweise um die drei Kilo wiegt, verschlingt dabei problemlos anderthalb Kilogramm Fleisch. Meistens werden die Geier mit Rindfleisch gefüttert, ab und zu auch mit einem Oryx oder anderem Wild des Nachbarn – allerdings nur, wenn es den strengen Vorschriften des NARREC entspricht. Denn Komen arbeitete über die Jahre hinweg eine detaillierte Liste aus, in der sie alle Schadstoffe darstellt, die den Geiern gefährlich werden könnten.
Neben den Waisen, die bei ihr untergebracht sind, füttert sie vier bis fünf Mal im Monat auch Wildtiere. Bei diesem Spektakel kommen oftmals bis zu 200 Tiere zusammen – je nachdem, ob es aktuell anderweitige Nahrungsquellen gibt. Zudem bemühe sich Komen darum, die Tiere zu markieren, um ihr Verhalten nachvollziehen zu können.
So wurde es mit den Jahren zu Komens Lebensaufgabe, sich um die Greifvögel zu kümmern und mehr Bewusstsein für den Umgang mit den Tieren zu lehren. „Ich rede gerne. Und auch viel“, sagt sie schmunzelnd. Sie veröffentlichte mehrere Heftchen mit detaillierten Informationen über die Tiere und darüber, was zu tun ist, wenn man eines dieser verwundet vorfindet. Sie und ihre vier Angestellten helfen dabei, die Vögel wieder aufzupäppeln, um sie im Anschluss – so lange sie überleben würden – wieder in die Freiheit zu entlassen.
Aktuell beherbergt das NARREC über 30 Vögel – größtenteils Papageien und Raubvögel. Vor kurzem erweiterte Komen das Spektrum außerdem auf Pangoline, von denen sie aktuell keine pflegt, jedoch gerade erst vergangene Woche zwei wieder ausgesetzt hat. Die Pangoline seien besonders wegen ihres Panzers ein Opfer von Wilderern. Man müsste besondere Acht auf die bedrohte Art geben, da sie laut Komen für mehrere zehntausende Namibia-Dollar verkauft werden. Die schuppenartigen Panzer seien begehrte Heilmittel nach traditioneller Art, die vor allen in Asien teuer eingekauft werden, erklärt Komen. Um dieses Missverständnis rund um die Verwendung der Schale der Tiere aufzuklären, benötige es umfangreiche Aufklärungsarbeit in den Kommunen. Diesen Diskurs anzuregen, liege ihr sehr am Herzen, erfordere jedoch viel Zeit.
Und Zeit ist bekanntlich leider eine Mangelware. Komen sagt, ihr Beruf sei ein 365-Tage-Job und bringe viel Aufopferung mit sich, weswegen Hilfe in Form von Volontären, die die Liebe zu Tieren und der Umwelt teilen, immer gerne gesehen sei. Ihr ultimatives Ziel sei es, mehr Respekt gegenüber den Lebewesen zu generieren und klar darzustellen, wie wichtig die Tiere für Biodiversität und Umweltsysteme sind. Dabei appelliere sie besonders an die jungen Generationen, sich ihrer Zukunft ohne diese Fauna vorzustellen, meint Komen. Ob jung oder alt, sie empfange jeden Besucher des NARRECs gerne. Denn nur eine geeinte Gesellschaft könne die nationale Ethik gegenüber dem Tierreich vorantreiben. Und dabei soll man laut Komen nicht immer nur die großen Spieler wie Löwen betrachten, sondern auch mal den Blick senken oder eben in die Luft heben, um zu erkennen, wie wichtig auch andere Lebewesen sind.
Von Caroline Niebisch, Windhoek
Komen ist eine tiermedizinische Fachkraft mit Hintergrund in der sozialen Arbeit. Vor nunmehr dreißig Jahren gründete sie das namibische Zentrum für Tierrehabilitation, Wissenschaft und Bildung (NARREC) nahe Windhoek. NARREC nimmt kranke, verletzte sowie verwaiste Wildtiere auf und kümmert sich um diese. Während Komen zu Beginn alle möglichen Tiere aufnahm, wurde ihr mit der Zeit klar, dass eine Einschränkung besser sei: „Je spezialisierter man ist, desto bessere Arbeit leistet man. Ich kann kein Experte im Umgang mit allen Tieren sein“, gesteht sie offen. Komen setzte also einen Fokus auf Vögel. Insbesondere Greif- und Raubvögel gelten ihrem Interesse, da diese oftmals am Ende der Nahrungskette stehen und eine große Rolle innerhalb der Biodiversität des Landes, gar der ganzen Welt, spielen.
Am äußersten Ende der Nahrungskette stehen die Geier. Sie sind sozusagen die Gesundheitspolizei der Natur: ohne Geier würden sich Krankheiten sehr viel schneller verbreiten, da sonst andere Raubtiere die Kadaver verspeisen und sich somit mit diversen Erregern anstecken würden. Auf diesem Wege würden bakterielle Infekte sehr viel schneller um sich greifen. Aasgeier sind ein fester Bestandteil des Ökosystems, das ohne sie massiv außer Kontrolle geraten würde.
Dieser Kontrollverlust ist längst kein Hirngespinst mehr – der Geierbestand ist weltweit alarmierend gesunken. Eine 2015 veröffentlichte Studie der kanadischen Universität von Britisch-Kolumbien überprüfte das Vorkommen von acht der neun Afrikanischen Geierarten: demzufolge hat sich ihre Zahl in den zurückliegenden drei Jahrzehnten mehr als halbiert. Bei sieben der acht untersuchten Vogelarten vermerkten die Forscher sogar einen Rückgang um mehr als 80 Prozent. Eine weitere Expertenrunde 2017 berichtete, dass nunmehr vier asiatische und vier afrikanische Geierarten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion als „kritisch bedroht“ aufgeführt werden, darunter der Kappengeier, der Weißrückengeier, der Indiengeier und der Sperbergeier.
Doch wieso sind die Geier solch bedrohte Tiere? Ein Grund dafür ist die Wilderei. Kreisen die Tiere über den gewilderten Kadavern, sind sie für Wachen ein sicherer Indikator, was den Wilderern gefährlich werden könnte. Und so werden die genannten Kadaver oft vergiftet, so dass die Aasfresser an ihnen zu Grunde gehen. Auch eine andere Art der Vergiftung lässt sie – in diesem Falle unbeabsichtigt – leiden. So verwenden auch Farmer Giftstoffe; jedoch um ungern gesehene Gäste wie Hyänen von ihren Grundstücken fernzuhalten. Diese toxischen Stoffe nehmen die Geier oftmals versehentlich während der Nahrungsaufnahme zu sich und sterben daran.
Komen ergänzt noch einen weiteren Aspekt und kritisiert, dass vielerlei Wild mit Munition geschossen werde, die während des Abschusses Giftstoffe ausstoße. Auch diese Art der Vergiftung reiche aus, um die Vögel verenden zu lassen.
Aktuell beherbergt Komen zwei Weißrückengeier. Diese wurden kein Opfer von Gift, sondern leiden unter Knochenmissbildungen, die es ihnen nicht erlauben, normal zu fliegen. Die beiden Geier leben seit fünf bzw. acht Jahren auf dem Gelände und werden auf Grund ihrer Knochen niemals in freier Natur überleben können. Trotzdem bemühe sich NARREC natürliche Lebensumstände zu simulieren. Es gebe nur alle drei bis vier Tage Nahrung, so wie es in freier Wildbahn wäre. Ein Tier, das normalerweise um die drei Kilo wiegt, verschlingt dabei problemlos anderthalb Kilogramm Fleisch. Meistens werden die Geier mit Rindfleisch gefüttert, ab und zu auch mit einem Oryx oder anderem Wild des Nachbarn – allerdings nur, wenn es den strengen Vorschriften des NARREC entspricht. Denn Komen arbeitete über die Jahre hinweg eine detaillierte Liste aus, in der sie alle Schadstoffe darstellt, die den Geiern gefährlich werden könnten.
Neben den Waisen, die bei ihr untergebracht sind, füttert sie vier bis fünf Mal im Monat auch Wildtiere. Bei diesem Spektakel kommen oftmals bis zu 200 Tiere zusammen – je nachdem, ob es aktuell anderweitige Nahrungsquellen gibt. Zudem bemühe sich Komen darum, die Tiere zu markieren, um ihr Verhalten nachvollziehen zu können.
So wurde es mit den Jahren zu Komens Lebensaufgabe, sich um die Greifvögel zu kümmern und mehr Bewusstsein für den Umgang mit den Tieren zu lehren. „Ich rede gerne. Und auch viel“, sagt sie schmunzelnd. Sie veröffentlichte mehrere Heftchen mit detaillierten Informationen über die Tiere und darüber, was zu tun ist, wenn man eines dieser verwundet vorfindet. Sie und ihre vier Angestellten helfen dabei, die Vögel wieder aufzupäppeln, um sie im Anschluss – so lange sie überleben würden – wieder in die Freiheit zu entlassen.
Aktuell beherbergt das NARREC über 30 Vögel – größtenteils Papageien und Raubvögel. Vor kurzem erweiterte Komen das Spektrum außerdem auf Pangoline, von denen sie aktuell keine pflegt, jedoch gerade erst vergangene Woche zwei wieder ausgesetzt hat. Die Pangoline seien besonders wegen ihres Panzers ein Opfer von Wilderern. Man müsste besondere Acht auf die bedrohte Art geben, da sie laut Komen für mehrere zehntausende Namibia-Dollar verkauft werden. Die schuppenartigen Panzer seien begehrte Heilmittel nach traditioneller Art, die vor allen in Asien teuer eingekauft werden, erklärt Komen. Um dieses Missverständnis rund um die Verwendung der Schale der Tiere aufzuklären, benötige es umfangreiche Aufklärungsarbeit in den Kommunen. Diesen Diskurs anzuregen, liege ihr sehr am Herzen, erfordere jedoch viel Zeit.
Und Zeit ist bekanntlich leider eine Mangelware. Komen sagt, ihr Beruf sei ein 365-Tage-Job und bringe viel Aufopferung mit sich, weswegen Hilfe in Form von Volontären, die die Liebe zu Tieren und der Umwelt teilen, immer gerne gesehen sei. Ihr ultimatives Ziel sei es, mehr Respekt gegenüber den Lebewesen zu generieren und klar darzustellen, wie wichtig die Tiere für Biodiversität und Umweltsysteme sind. Dabei appelliere sie besonders an die jungen Generationen, sich ihrer Zukunft ohne diese Fauna vorzustellen, meint Komen. Ob jung oder alt, sie empfange jeden Besucher des NARRECs gerne. Denn nur eine geeinte Gesellschaft könne die nationale Ethik gegenüber dem Tierreich vorantreiben. Und dabei soll man laut Komen nicht immer nur die großen Spieler wie Löwen betrachten, sondern auch mal den Blick senken oder eben in die Luft heben, um zu erkennen, wie wichtig auch andere Lebewesen sind.
Von Caroline Niebisch, Windhoek
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Allgemeine Zeitung
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