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Das Mekka der Segelflieger

Bitterwasser. Der Propeller des kleinen Flugzeugs ist durch die trübe Scheibe kaum mehr zu sehen, zu schnell treibt der Motor sie an. Der Flieger rast wenige Meter über dem Boden, über dem Sand. Links und rechts zwischen den Palmen hindurch, die dort nicht stehen sollten. Die aber dennoch eine Allee bilden, dort wo keine sein sollte. Dort am Rand der Kalahari. Sie sind kaum mehr wahrnehmbar, sie bilden lediglich noch braun-grüne Streifen am Rande des Sichtfelds. Das Flugzeug rast einem Punkt am Ende der Allee entgegen. Ein Punkt, der mit jedem zurückgelegten Meter größer wird: das Haupthaus einer Lodge! Im letzten Moment ein kurzer Ruck am Steuerknüppel, der kleine Jet jagt dem Himmel entgegen und dreht gemächlich eine letzte Runde über dem Areal. Über Namibia, über Bitterwasser. Der Ort, den die ersten Farmer nach dem bitteren Beigeschmack des Wassers benannt haben, das sie dort gefunden hatten.

"Wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch fliegt, so hätte er ihm Flügel gegeben." So abgenutzt wie falsch ist dieser Ausspruch, dessen sich vor allem diejenigen bedienen, denen ihre Bodenhaftung mehr als nur sprichwörtlich lieb und das Fliegen nicht geheuer ist. Dass der - wie auch immer geartete - Schöpfer seinen Fehler längst eingesehen und für einen entsprechenden Ausgleich des körperlichen Defizits der Menschheit in punkto Flugfähigkeit gesorgt hat, ist hinlänglich sichtbar. An seiner Physis lässt sich beileibe nicht mehr viel ändern, aber die Kunst des Fliegens hat der Mensch inzwischen gemeistert. Träumten Aristoteles und Leonardo da Vinci noch davon, sich in die Lüfte zu erheben, steht dies einige hundert Jahre nach dem Philosophen und dem Künstler fast jedem offen: Fluggeräte aller Art, ob Hubschrauber, Jumbojet oder Segelflugzeuge sind allerorts am Himmel zu sehen.
Wie schön das Fliegen sein kann, zeigt sich über Bitterwasser in Namibia. Von oben aus ist deutlich zu sehen, dass die Anlage der klassischen Form eines Diamanten anmutet. Ein treffenderes Bild gibt es für den Ort im Herzen Afrikas nicht, strahlt der Name Bitterwasser in der Segelfliegerszene doch wie ein solcher. Gerade der ambitionierte Segelflieger weiß sicherlich von Idealbedingungen zu träumen und von den Problemen des (Flieger-)Alltags zu berichten. Die Gegend um Bitterwasser stellt gewissermaßen die Inkarnation einer göttlichen Entschuldigung dar. Der Flug mit der einmotorigen Maschine, die einer der Angestellten der Lodge steuerte, konnte nur einen kleinen Eindruck dessen vermitteln, was sich den Segelfliegern bietet und warum ein Flug über Bitterwasser für die Piloten ebenso ein Muss ist wie der Start auf Hawaii für Triathleten oder - um bei der Religion zu bleiben - der Gang nach Mekka für einen Muslim.

Bitterwasser ist der Hotspot für Segelflieger - weltweit! Denn die Flugsaison dauert in Namibia ruhig mal hundert Tage. "Und das Beste: vier Fünftel davon sind Hammertage", meint Uwe Förster, der innerhalb der Bitterwasser AG für das Marketing zuständig ist. Die Bedingungen über Namibia seien für Segelflieger traumhaft. Weltweit gäbe es nur ein paar wenige Gegenden, die ähnlich gute Voraussetzungen böten. In Australien oder Südafrika sei das der Fall - nur bei weitem nicht so lange im Jahr, wie hier am Rande der Kalahari, sagt der Mann, der eigentlich aus Sulzbach-Rosenberg in Bayern stammt und dort auch den deutschen Sommer verbringt. "Bei 21 gebuchten Tagen auf der Lodge kommt der Pilot gut und gerne auf 19 Flugtage", versichert Jürgen Casper, während er seinen Blick über die weitläufige grau-braune Salzpfanne in der Ferne schweifen lässt, die den Piloten als Startpiste dient. Das Rauschen des Windes in den Palmen am Rande der Bungalowanlage erinnert an das Meer, dessen Wellen doch so weit entfernt im Westen an die Küste Namibias klatschen.
Knapp 16 Jahre ist es nun her, dass sich den beiden Crailsheimern Jürgen und Lydia Casper sowie füf weiteren begeisterten Schweizer Segelfliegern die Möglichkeit bot, Bitterwasser zu ihrem Eigen zu machen. Lange haben sie damals nicht überlegt, die Gelegenheit beim Schopf gepackt und die Lodge in ein modernes und allen Ansprüchen gerecht werdendes Ziel für Flugtouristen verwandelt. In über 20 Bungalows und 13 Rondavels finden bis zu 80 Personen gehobene Unterkünfte vor, in denen einen der Duft des warmen Strohs der Dächer regelrecht umarmt - still und abgeschieden. Daneben sind noch zahlreiche Rundhütten für das spezielle Safari-Erlebnis auf dem Gelände. Ein Pool bietet die willkommene Abkühlung am Tag oder nach dem Flug über die afrikanische Wildnis. Aber nicht nur in der Luft, auch auf dem Boden ist in Bitterwasser viel Gelegenheit zum Genießen der Natur geboten. Wildsafaris, so genannte Gamedrives, oder Buschmanntouren sorgen dafür, dass Pilot und Begleitung nicht so schnell langweilig wird. Über Satellit besteht Zugang zum Internet. Bei Schach und Tischtennis lässt sich drohender Lagerkoller abwehren. Dabei ist die Lodge ein Selbstversorger. Der Fleischvorrat wird mit Viehzucht und Wild aufgestockt. Hinter dem Hauptgebäude stehen riesige Wassertanks und in deren Schatten wiederum ein Gewächshaus, in dem Obst und Gemüse angepflanzt werden. So kann die anspruchsvolle Küche immer mit frischen Zutaten für die erlesenen Speisen aufwarten.

Die Geschichte der Fliegerlodge reicht über Jahrzehnte zurück bis in die 50er Jahre, einer Zeit als Namibia noch als Südwest-Afrika auf dem Globus verzeichnet war. Der damalige Besitzer der Diamantfarm, Peter Kayssler, sei schon ein begeisterter Segelflieger gewesen. "Mit den damaligen, einfachen Flugzeugen und einer alten Winde, einer Trommel mit Weidezaundraht nutzte er bereits die unglaubliche Thermik von Bitterwasser", heißt es auf der eigenen Homepage. Er war es auch, der den Grundstein für eine heute noch gültige Tradition legte: Für Rekorde und besondere Flugleistungen wurde eine Palme gepflanzt. Für Flüge für das Leistungsabzeichen und den ersten 1000-Kilometer-Flug nach IGC-Regeln - am Stück! - durfte jeder Pilot eine Palme in den Wüstenboden setzen, für einen Weltrekord eine Königspalme. Die Allee, die über all die Jahre zwischen Lodge und Salzpfanne gewachsen ist, legt ein beeindruckendes Zeugnis über die Leistungen ab, die die Segelflieger in den viereinhalb Jahrzehnten erbracht haben.
Die Gegend begünstige solche Leistungen aber auch. "Denn in Bitterwasser herrschen Bedingungen vor, die teilweise bis zu sieben Steigmeter erlauben. In Deutschland gibt es an guten Tagen gerade einmal vier", führt Jürgen Casper aus. "Die Flugbedingungen sind aufgrund der höheren Höhenlage einfach besser, die geringere Luftdichte macht alles schneller", sagt Uwe Förster. Das führte dazu, dass sich Namibia zum Traumziel für nahezu jeden Segelflieger entwickelt hat. Frischlinge unter den Piloten sollten aber zunächst Abstand von dem Flug über den
schier unendlichen Weiten der Wüste nehmen. 350 bis 400 Flugstunden sollte ein Pilot auf dem Konto haben, bevor es ratsam ist, sein Flugzeug in Richtung Namibia zu verschiffen, sagt Jürgen Casper.

Erfahrene Piloten, die sich einen Aufenthalt in Namibia leisten können und über genug Flugerfahrung verfügen, gibt es anscheinend genug: Die Lodge ist zur Hochsaison dauerbelegt, rund 25 bis 27 Flugzeuge sind ständig vor Ort, davon 22 pro Tag in der Luft. Über 30 Angestellte, meist Angehörige des Stammes der Nama, aber auch der Ovambo und Herero, sorgen sich in der Hauptsaison um die Wünsche der Gäste. "Der Gast muss nur Fliegen - das ist das wichtige. Ansonsten wird ihm alles abgenommen."
Der Tourismus sei wichtig für das Land im Allgemeinen und für die Gegend im Besonderen. Die Segelflieger unterstützen gerne Angelika Gleich. Sie hat mit dem "Hoachanas Children Fund" eine Organisation gegründet, die über Patenschaften Schulmaterial, Schuluniformen und Schulgeld finanziert.
Daneben sind zahlreiche Projekte entstanden, die den Menschen ein Einkommen verschaffen. Jeder Cent des gespendeten Geldes wird für das vom Spender gewünschte Projekt verwendet.
Immer im Blickfeld haben sie die Konkurrenz in Südafrika und Australien. Der Service müsse im Vordergrund stehen. Denn damit lässt sich bei dem anspruchsvollen Publikum punkten. Neben der Segelflug-Saison ist Bitterwasser ein beliebter Zwischenstopp für Touristen, die eine Tour durch das Land gebucht haben und beispielsweise den Fish-River-Canyon im Süden des Landes ansteuern. Immerhin noch 18 Angestellte sorgen dann dafür, dass sich die Gäste wohl fühlen.

Roland Hindl

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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