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Das Prinzip der zerbrochenen Scheibe

Mit dem Verdacht auf "verschwundene" N$ 300 Millionen begann im März dieses Jahres die Affäre um Namibias Straßenbehörde (Roads Authority, RA).

Die Weigerung des Geschäftsführers Justin Runji, eine außerordentliche Buchprüfung zuzulassen, rief schließlich die präsidiale Untersuchungskommission auf den Plan.





Seit dem 16. November hat die Kommission 15 Zeugen gehört. Ihre Aussagen geben allerdings bisher keinen einzigen stichhaltigen Hinweis auf vorsätzlichen Betrug oder Korruption in großem Stil. Allerdings hat die Kommission haarsträubende Geschichten über kleinere Verfehlungen und Mauscheleien gehört. Hinzu kommen immer wieder Fälle von Verschwendungssucht, Mobbing, mangelnde Qualifikation, Willkür und eine allzu laxe Auslegung der Firmenrichtlinien, wenn sie denn überhaupt vorhanden sind.


Mit der Aussage der Finanzmanagerin Franzina Nowases vom Mittwoch dieser Woche ist die Kommission nun jedoch an einer Kreuzung angelangt. Sie muss sich entscheiden, welchen Weg die Anhörungen weiter gehen sollen. Soll die Kommission ihren Untersuchungsbericht auf die massenhaften kleineren Verfehlungen gründen? Das hieße in letzter Konsequenz, die Kommission müsste am Ende die Empfehlung aussprechen, die Straßenbehörde für einige Zeit zu schließen und ganz von vorne anzufangen. Mit neuem Personal, einem funktionierenden Finanzkontrollsystem und Firmenrichtlinien, auf deren Basis tatsächlich Entscheidungen getroffen werden können. Einiges spricht dafür, denn kein Mensch kann angesichts der jetzigen Zustände dort erwarten, dass die Straßenbehörde jemals "wirtschaftlich effizient" arbeitet, wie das die Gründungsstatuten fordern.


Die andere Möglichkeit wäre, sich voll und ganz auf den Verdacht der "großen" Korruption zu konzentrieren und diesen Weg konsequent weiter zu beschreiten. Findet die Kommission einen oder mehrere leitende Angestellte, die die mangelnden Kontrollmechanismen gezielt und vorsätzlich dazu nutzten, sich selbst zu bereichern, hätte sie die Handhabe, ein krachendes Exempel zu statuieren.


Bis jetzt scheint sich die Kommission über ihre eigene Vorgehensweise nicht ganz klar zu sein. So war zum Beispiel Kommissionsmitglied Notemba Tjipueja bei der Befragung der Zeugin Nowases am Mittwoch an einem Punkt angekommen, wo ein gut vorbereitetes Vorgehen aller Kommissionsmitglieder eventuell einen Verdacht hätte erhärten können. Tjipueja fragte Nowases, wer Zugang zu den Blankoschecks der Straßenbehörde hatte, wer dort zeichnungsberichtigt ist und ob ein illegal ausgestellter Scheck im Geldkreislauf der RA überhaupt hätte entdeckt werden können. Lauter interessante Fragen. Aber keiner der anderen Kommissionsmitglieder kam ihr zu Hilfe und so gelang es ihr nicht, Nowases eindeutige Antworten abzuringen.


Aber vielleicht braucht es den großen Beweis auch gar nicht. Wenn eine Firma ungestraft N$ 100000 ausgeben kann, um eine Jobagentur auf die Suche nach einer Schreibkraft zu schicken, ist das Kind wahrscheinlich schon längst in den Brunnen gefallen. Oder anders gesagt. Wenn nur jeder dritte der Angestellten der Straßenbehörde einen Schaden von einer Million Namibia-Dollar angerichtet hat, kommt man in drei Jahren locker auf die gesuchten 300 Millionen.


In den USA gab es vor einigen Jahren eine sehr interessante Studie zu den Ursachen von Kriminalität. Sie ist unter dem Namen "Das Prinzip der zerbrochenen Scheibe" bekannt. Dabei wurde ein neues Auto in einer dunklen Straße in New York abgestellt. Wochenlang passierte nichts. Keiner beachtete das Auto. Nachdem jedoch der erste Stein in eine Scheibe des Autos geworfen wurde, gab es kein Halten mehr und das Auto wurde innerhalb weniger Tage von Randalierern komplett zerstört. Der allererste Stein hatte den Bann gebrochen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-08

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